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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der nordamerikamsche Farmer und der deutsche Landwirt.

entfaltuug, zu einer Zeit, wo jede ambre Nation den Gipfel ihrer Prosperität
erklommen hätte, sich wirtschaftlich in unaufhörlicher Krisis befindet. Die soziale
Not wächst mit jedem Jahre, breite Schichten der Bevölkerung befinden sich in
gesellschaftlicher Revolte, ganze Stände erkranken und sind anscheinend auf die
Proskriptionsliste gesetzt, alljährlich verlassen Hunderttausende das Vaterland,
um sich anderwärts eine Heimat zu suchen.

Liegt der Grund für diese ewige Krankheit, wie viele behaupten, lediglich
an den unwiderstehlichen "Fluktuationen" des Weltmarktes, so wird es an der
Zeit sein, sich von dem Banne dieser unheilvollen Macht zu emanzipiren und
vor allem aus unsrer auf Export und Überproduktion trainirtcn Industrie wieder
das zu machen, was sie sein sollte: eine Arbeiterin für die Bewohner unsers
Landes, die nicht in den mysteriösen Chancen, welche die internationale tenuto
ünMeo zu arrangiren für gut befindet, sondern in der Prosperität ihrer
heimischen Abnehmer ihr Gedeihen sucht. Es wird unendlich schwer sein, diesen
natürlichen Zustand der Dinge herbeizuführen, denn den Feind, der sich jedem
Gesunduugsprozesse mit ganzer Kraft entgegenstemmen wird, haben wir im eignen
Lande großgezogen.

Das in unserm Lande angehäufte Kapital trägt einen internationalen
Charakter, es findet seine Rechnung in den Krisen unsers Landes, aber nicht in
seiner Wohlfahrt.

Unsre Kapitalisten sind zu vier Fünfteln jenem Heuschreckenschwärme ent¬
sprossen, den wir achtlos über unsre Grenzen haben hereinbrechen lassen, damit
er uns im eignen Lande zu Enterbten mache. Ohne Liebe für unser Volk,
mit dem sie nichts gemein haben, ohne Liebe für unser Land, das ihnen nie
etwas andres gewesen ist als eine melkende Kuh, stets bereit, mit dem, was sie
ergattert haben, in die Fremde zu ziehen, erbittert endlich durch eine nur zu
berechtigte Agitation und doch unbelehrbar in ihrem angestammten Hvchmute,
hängen die Angehörigen jener unglückseligen Nasse wie Blutsauger an unserm
Halse und lassen erst locker, wenn sie voll sind. Die jüdischen Wucherer ans
unsern Bauerndörfcrn, die jüdischen Bankiers in unsern Städten, sie sind die
Steuereinnehmer der goldnen Internationale, die unaufhörlich an unserm Wohl¬
stande zapfen. Die Werte, die unser fleißiges Volk erzeugt, fließen unablässig
in jene Hände, aber sie strömen nicht segenbringend wieder ins Land zurück. Sie
werden in die weite Welt verschleppt, sie werden in russischen und türkischen
Papieren verspctulirt, sie werden "international" gemacht, und wir bleiben ver¬
weile arm und unzufrieden.

Gewonnen durch ihren "Familiensinn," ihre geistige "Regsamkeit" und wie
ihre sozialen Tugenden alle heißen, stehen jenen Fremdlingen viele Freunde in
unserm Lande zur Seite. Unser Arbeiter mag ausgemergelt verhungern, unser
Landwirt mag als Bettler von Haus und Hof ziehen, wenn der liebe Jude
nur auch fernerhin durch seinen "Familiensinn" bei uns glänzen darf. Ganze


GrcnzbotenIII, 1885, 33
Der nordamerikamsche Farmer und der deutsche Landwirt.

entfaltuug, zu einer Zeit, wo jede ambre Nation den Gipfel ihrer Prosperität
erklommen hätte, sich wirtschaftlich in unaufhörlicher Krisis befindet. Die soziale
Not wächst mit jedem Jahre, breite Schichten der Bevölkerung befinden sich in
gesellschaftlicher Revolte, ganze Stände erkranken und sind anscheinend auf die
Proskriptionsliste gesetzt, alljährlich verlassen Hunderttausende das Vaterland,
um sich anderwärts eine Heimat zu suchen.

Liegt der Grund für diese ewige Krankheit, wie viele behaupten, lediglich
an den unwiderstehlichen „Fluktuationen" des Weltmarktes, so wird es an der
Zeit sein, sich von dem Banne dieser unheilvollen Macht zu emanzipiren und
vor allem aus unsrer auf Export und Überproduktion trainirtcn Industrie wieder
das zu machen, was sie sein sollte: eine Arbeiterin für die Bewohner unsers
Landes, die nicht in den mysteriösen Chancen, welche die internationale tenuto
ünMeo zu arrangiren für gut befindet, sondern in der Prosperität ihrer
heimischen Abnehmer ihr Gedeihen sucht. Es wird unendlich schwer sein, diesen
natürlichen Zustand der Dinge herbeizuführen, denn den Feind, der sich jedem
Gesunduugsprozesse mit ganzer Kraft entgegenstemmen wird, haben wir im eignen
Lande großgezogen.

Das in unserm Lande angehäufte Kapital trägt einen internationalen
Charakter, es findet seine Rechnung in den Krisen unsers Landes, aber nicht in
seiner Wohlfahrt.

Unsre Kapitalisten sind zu vier Fünfteln jenem Heuschreckenschwärme ent¬
sprossen, den wir achtlos über unsre Grenzen haben hereinbrechen lassen, damit
er uns im eignen Lande zu Enterbten mache. Ohne Liebe für unser Volk,
mit dem sie nichts gemein haben, ohne Liebe für unser Land, das ihnen nie
etwas andres gewesen ist als eine melkende Kuh, stets bereit, mit dem, was sie
ergattert haben, in die Fremde zu ziehen, erbittert endlich durch eine nur zu
berechtigte Agitation und doch unbelehrbar in ihrem angestammten Hvchmute,
hängen die Angehörigen jener unglückseligen Nasse wie Blutsauger an unserm
Halse und lassen erst locker, wenn sie voll sind. Die jüdischen Wucherer ans
unsern Bauerndörfcrn, die jüdischen Bankiers in unsern Städten, sie sind die
Steuereinnehmer der goldnen Internationale, die unaufhörlich an unserm Wohl¬
stande zapfen. Die Werte, die unser fleißiges Volk erzeugt, fließen unablässig
in jene Hände, aber sie strömen nicht segenbringend wieder ins Land zurück. Sie
werden in die weite Welt verschleppt, sie werden in russischen und türkischen
Papieren verspctulirt, sie werden „international" gemacht, und wir bleiben ver¬
weile arm und unzufrieden.

Gewonnen durch ihren „Familiensinn," ihre geistige „Regsamkeit" und wie
ihre sozialen Tugenden alle heißen, stehen jenen Fremdlingen viele Freunde in
unserm Lande zur Seite. Unser Arbeiter mag ausgemergelt verhungern, unser
Landwirt mag als Bettler von Haus und Hof ziehen, wenn der liebe Jude
nur auch fernerhin durch seinen „Familiensinn" bei uns glänzen darf. Ganze


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[0265] Der nordamerikamsche Farmer und der deutsche Landwirt. entfaltuug, zu einer Zeit, wo jede ambre Nation den Gipfel ihrer Prosperität erklommen hätte, sich wirtschaftlich in unaufhörlicher Krisis befindet. Die soziale Not wächst mit jedem Jahre, breite Schichten der Bevölkerung befinden sich in gesellschaftlicher Revolte, ganze Stände erkranken und sind anscheinend auf die Proskriptionsliste gesetzt, alljährlich verlassen Hunderttausende das Vaterland, um sich anderwärts eine Heimat zu suchen. Liegt der Grund für diese ewige Krankheit, wie viele behaupten, lediglich an den unwiderstehlichen „Fluktuationen" des Weltmarktes, so wird es an der Zeit sein, sich von dem Banne dieser unheilvollen Macht zu emanzipiren und vor allem aus unsrer auf Export und Überproduktion trainirtcn Industrie wieder das zu machen, was sie sein sollte: eine Arbeiterin für die Bewohner unsers Landes, die nicht in den mysteriösen Chancen, welche die internationale tenuto ünMeo zu arrangiren für gut befindet, sondern in der Prosperität ihrer heimischen Abnehmer ihr Gedeihen sucht. Es wird unendlich schwer sein, diesen natürlichen Zustand der Dinge herbeizuführen, denn den Feind, der sich jedem Gesunduugsprozesse mit ganzer Kraft entgegenstemmen wird, haben wir im eignen Lande großgezogen. Das in unserm Lande angehäufte Kapital trägt einen internationalen Charakter, es findet seine Rechnung in den Krisen unsers Landes, aber nicht in seiner Wohlfahrt. Unsre Kapitalisten sind zu vier Fünfteln jenem Heuschreckenschwärme ent¬ sprossen, den wir achtlos über unsre Grenzen haben hereinbrechen lassen, damit er uns im eignen Lande zu Enterbten mache. Ohne Liebe für unser Volk, mit dem sie nichts gemein haben, ohne Liebe für unser Land, das ihnen nie etwas andres gewesen ist als eine melkende Kuh, stets bereit, mit dem, was sie ergattert haben, in die Fremde zu ziehen, erbittert endlich durch eine nur zu berechtigte Agitation und doch unbelehrbar in ihrem angestammten Hvchmute, hängen die Angehörigen jener unglückseligen Nasse wie Blutsauger an unserm Halse und lassen erst locker, wenn sie voll sind. Die jüdischen Wucherer ans unsern Bauerndörfcrn, die jüdischen Bankiers in unsern Städten, sie sind die Steuereinnehmer der goldnen Internationale, die unaufhörlich an unserm Wohl¬ stande zapfen. Die Werte, die unser fleißiges Volk erzeugt, fließen unablässig in jene Hände, aber sie strömen nicht segenbringend wieder ins Land zurück. Sie werden in die weite Welt verschleppt, sie werden in russischen und türkischen Papieren verspctulirt, sie werden „international" gemacht, und wir bleiben ver¬ weile arm und unzufrieden. Gewonnen durch ihren „Familiensinn," ihre geistige „Regsamkeit" und wie ihre sozialen Tugenden alle heißen, stehen jenen Fremdlingen viele Freunde in unserm Lande zur Seite. Unser Arbeiter mag ausgemergelt verhungern, unser Landwirt mag als Bettler von Haus und Hof ziehen, wenn der liebe Jude nur auch fernerhin durch seinen „Familiensinn" bei uns glänzen darf. Ganze GrcnzbotenIII, 1885, 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/265>, abgerufen am 23.11.2024.