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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien.

sidcnz des Emirs standen. Diese fanatische Partei drohte mit Aufständen, falls
der Kampf mit den Ungläubigen nicht wieder begonnen winde. Vergebens war
es, daß Mvsafar sich um ein Bündnis gegen Rußland an die Chane von Chiwa
und Kotand wendete; von Indien her kamen nur Ratschläge zum Ausharren,
aber keine Hilfstruppen. Wollte der Emir sich auf dem Throne erhalten, so
mußte er sich zu neuem Kriege rüsten, und das geschah in ausgedehntem Maße.
Aber die Russen, die davon unterrichtet waren, kamen dem Emir mit der Offen¬
sive zuvor. Am 1. Mai 1868 rückte der Generalgouvemeur Kaufmann in
das Thal des Sanawschan ein, schlug das bncharische Heer auf den Hügeln
vor Samarkand, nahm diese heilige Stadt, ohne weiteren Widerstände zu be¬
gegnen, und besetzte in der Folge auch das auf dem geradesten Wege von hier
nach der Residenz Moscifars gelegene Kally Kurgan sowie die Stadt Tschilek.
Die Bucharen rafften sich noch einmal zum Widerstande gegen die Ungläubigen
auf und drangen in Masse gegen Kally Kurgan vor, und zu gleicher Zeit zog
sich bei Schachrisjabs, einer lange vom Emir fast unabhängig gewesenen Stadt
von berühmtem Namen,") ein.Heer von Gebirgsbewohnern zusammen, um Samar¬
kand durch Überfall zurückzuerobern. Aber die Garnison von Kally Knrgan
wurde vom General Kaufmann rechtzeitig entsetzt, und am 2. Juli schlug
letzterer das bucharische Heer auf den Höhen bei Scrabulak und zerstreute es
vollständig. Die Schachrisjabzen aber vermochten die Zitadelle von Samar¬
kand trotz ihrer verzweifelten Tapferkeit nicht zu nehmen. Der Emir mußte sich
zu einem Frieden bequemen, der den Russen das Thal des Sanawschan mit
Samarkand zusprach und ihm eine Kriegskontribution von 125 000 Tsu (1^ Mil¬
lionen Mark) auferlegte. Sein Volk, namentlich die Partei der Mullahs und
Derwische, war damit nicht einverstanden. Eine große Empörung brach aus,
die in Schachrisjabs ihren Mittelpunkt hatte und an deren Spitze sich Moscifars
eigner Sohn, Kally Tjnrja Abdullah Melik Chan, stellte. Es kam zum Kriege
zwischen Schachrisjabs und Buchara, und der Emir geriet in schlimme Lage,
er mußte gegen die Aufständischen, welche sich rasch der Städte Jakkabag, Tschi-
raktschi, Dscham und Karschi bemächtigt hatten, die Hilfe der Russen in An¬
spruch nehmen. Dieselbe wurde bereitwillig gewährt, da es galt, die Schach¬
risjabzen für den Angriff auf Samarkand zu strafen, die Südgrenze Turkestans
gegen unaufhörliche Angriffe zu sichern, deren Ursachen immer in Schachrisjabs
zu suchen waren, und den Emir teils zu Danke zu verpflichten, teils als Va¬
sallen und Schützling des Zaren hinzustellen. Im Sommer 1870 rückte unter
General Abramow ein russisches Korps von etwa 2000 Mann aus, um die
"grüne Stadt" einzunehmen. Ein Teil der Truppen schlug, um den Bergzug



Timur Gurgan wurde hier geboren, mich war Schachrisjabs der Schauplatz des Pscudo-
prvpheten Motanna, den Moore in seinen: Gedichte "Lalla Rook" als "verschleierten Pro¬
pheten von Chomsscm" besingt.
Die Russen in Zentralasien.

sidcnz des Emirs standen. Diese fanatische Partei drohte mit Aufständen, falls
der Kampf mit den Ungläubigen nicht wieder begonnen winde. Vergebens war
es, daß Mvsafar sich um ein Bündnis gegen Rußland an die Chane von Chiwa
und Kotand wendete; von Indien her kamen nur Ratschläge zum Ausharren,
aber keine Hilfstruppen. Wollte der Emir sich auf dem Throne erhalten, so
mußte er sich zu neuem Kriege rüsten, und das geschah in ausgedehntem Maße.
Aber die Russen, die davon unterrichtet waren, kamen dem Emir mit der Offen¬
sive zuvor. Am 1. Mai 1868 rückte der Generalgouvemeur Kaufmann in
das Thal des Sanawschan ein, schlug das bncharische Heer auf den Hügeln
vor Samarkand, nahm diese heilige Stadt, ohne weiteren Widerstände zu be¬
gegnen, und besetzte in der Folge auch das auf dem geradesten Wege von hier
nach der Residenz Moscifars gelegene Kally Kurgan sowie die Stadt Tschilek.
Die Bucharen rafften sich noch einmal zum Widerstande gegen die Ungläubigen
auf und drangen in Masse gegen Kally Kurgan vor, und zu gleicher Zeit zog
sich bei Schachrisjabs, einer lange vom Emir fast unabhängig gewesenen Stadt
von berühmtem Namen,") ein.Heer von Gebirgsbewohnern zusammen, um Samar¬
kand durch Überfall zurückzuerobern. Aber die Garnison von Kally Knrgan
wurde vom General Kaufmann rechtzeitig entsetzt, und am 2. Juli schlug
letzterer das bucharische Heer auf den Höhen bei Scrabulak und zerstreute es
vollständig. Die Schachrisjabzen aber vermochten die Zitadelle von Samar¬
kand trotz ihrer verzweifelten Tapferkeit nicht zu nehmen. Der Emir mußte sich
zu einem Frieden bequemen, der den Russen das Thal des Sanawschan mit
Samarkand zusprach und ihm eine Kriegskontribution von 125 000 Tsu (1^ Mil¬
lionen Mark) auferlegte. Sein Volk, namentlich die Partei der Mullahs und
Derwische, war damit nicht einverstanden. Eine große Empörung brach aus,
die in Schachrisjabs ihren Mittelpunkt hatte und an deren Spitze sich Moscifars
eigner Sohn, Kally Tjnrja Abdullah Melik Chan, stellte. Es kam zum Kriege
zwischen Schachrisjabs und Buchara, und der Emir geriet in schlimme Lage,
er mußte gegen die Aufständischen, welche sich rasch der Städte Jakkabag, Tschi-
raktschi, Dscham und Karschi bemächtigt hatten, die Hilfe der Russen in An¬
spruch nehmen. Dieselbe wurde bereitwillig gewährt, da es galt, die Schach¬
risjabzen für den Angriff auf Samarkand zu strafen, die Südgrenze Turkestans
gegen unaufhörliche Angriffe zu sichern, deren Ursachen immer in Schachrisjabs
zu suchen waren, und den Emir teils zu Danke zu verpflichten, teils als Va¬
sallen und Schützling des Zaren hinzustellen. Im Sommer 1870 rückte unter
General Abramow ein russisches Korps von etwa 2000 Mann aus, um die
„grüne Stadt" einzunehmen. Ein Teil der Truppen schlug, um den Bergzug



Timur Gurgan wurde hier geboren, mich war Schachrisjabs der Schauplatz des Pscudo-
prvpheten Motanna, den Moore in seinen: Gedichte „Lalla Rook" als „verschleierten Pro¬
pheten von Chomsscm" besingt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/208>, abgerufen am 25.11.2024.