Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Alberta von Puttkamer.

gewählte anmutige Bild nicht konkret genug aufgefaßt, sondern nach seinem ab¬
strakteren Gehalte verwertet ist:


Wie Siegfried, der den Vogelfang versteht,
Seit er gebadet hat im Drachcnblut,
So ward's mit mir, seit du mein junges Herz
Versenkt in des Verrates Gift und Glut.
Nun ward mir plötzlich das Geheimnis kund,
Das schmerzlich durch die ganze Schöpfung klingt,
Gleichviel, ob es das Meer, ob Frühlingssturm,
Ob Vogel- oder Menschenmund es singt.

Was das für ein Geheimnis sei, das erraten wir leicht: es ist die Einsicht des
Pessimismus, der durch ihr ganzes Dichten geht und der erst die Charakteristik
dieser durch und dnrch modernen Titanide abschließt. Denn moderner noch als
ihre Kritik des romantischen Mannesideales, ist eben diese ihre mehr als resi-
gnirte Weltanschauung. Mag sein, daß auch noch andre Lebenserfahrungen dazu
beigetragen haben, wie etwa die des Verrates einer Freundin, die sie heiß ge¬
liebt hat -- um was es sich damals gehandelt hat, läßt die Dichterin den
Leser, welcher die weibliche Natur kennt, ahnungsvoll erraten --


Nie schlug ein Liebesleid so tiefe Wunde,
Nie hat das Schicksal tötlicher getroffen
Mein Herz, als dieses grimme Weh es that --

jene erste enttäuschte Leidenschaft hat wohl den Ausschlag gegeben. Zwar fehlt
es nicht an freundlichen, heitern Motiven in dieser Sammlung der Puttkamer-
schen Dichtungen, wie sie z. B. sehr glücklich ein Stimmungsbild von einem
glücklich liebenden jungen Paare entwirft, das die ersten Hochzeitstage in einem
einsamen, von Feigenästen unirankten Häuschen am sonnigen Meeresstrande ver¬
lebt. Aber auch über ihre Bilder der Ruhe lagert schwermütige Schwüle, und
es ist ganz gewiß ihre Grundanschauung in dem Gedichte "Pessimistisch" aus¬
gesprochen, das wir zum Schlüsse noch mitteilen wollen.


[Beginn Spaltensatz] Die launenhaften Hände des Geschicks,
Die schleudern dich empor wie einen Ball...
Ein Glückcstaumeln nur! denn augenblicks
Verdammen dich die argen tief zum Fall. - Nur wenn dir Schnellkraft eingeboren ward,
schwingst du aus eignem Können dich
Vom Staub empor; doch die von schwacher Art,
Die lösen nie vom Erdenkreise sich. [Spaltenumbruch] Sie haften an dem grauen Element,
Bis sie der Drang der Dinge weiterschiebt.
Der treibt sie -- trage bald, und bald behend,
Grad' wie es seiner tollen Art beliebt. Und die's mit Schnellkraft hin zur Höhe drängt,
Selbst die wirft ewig das Geschick herab . . .
So zwischen Sonnen und dem Staube senkt
Und hebt der Ball sich taumelnd auf und ab. [Ende Spaltensatz]
Ob er nun machtlos stets im Niedern kroch,
Ob er mit Kraft die Höhe sich zum Ziel
Erkoren hat, das Schicksal faßt ihn doch --
Und alles Sein ist fürchterliches Spiel.

Hiermit brechen wir die Charakteristik der Dichtungen der Frau von Putt-
kamer ab, abgeschlossen ist sie damit bei weitem nicht, da sich ihre Person


Alberta von Puttkamer.

gewählte anmutige Bild nicht konkret genug aufgefaßt, sondern nach seinem ab¬
strakteren Gehalte verwertet ist:


Wie Siegfried, der den Vogelfang versteht,
Seit er gebadet hat im Drachcnblut,
So ward's mit mir, seit du mein junges Herz
Versenkt in des Verrates Gift und Glut.
Nun ward mir plötzlich das Geheimnis kund,
Das schmerzlich durch die ganze Schöpfung klingt,
Gleichviel, ob es das Meer, ob Frühlingssturm,
Ob Vogel- oder Menschenmund es singt.

Was das für ein Geheimnis sei, das erraten wir leicht: es ist die Einsicht des
Pessimismus, der durch ihr ganzes Dichten geht und der erst die Charakteristik
dieser durch und dnrch modernen Titanide abschließt. Denn moderner noch als
ihre Kritik des romantischen Mannesideales, ist eben diese ihre mehr als resi-
gnirte Weltanschauung. Mag sein, daß auch noch andre Lebenserfahrungen dazu
beigetragen haben, wie etwa die des Verrates einer Freundin, die sie heiß ge¬
liebt hat — um was es sich damals gehandelt hat, läßt die Dichterin den
Leser, welcher die weibliche Natur kennt, ahnungsvoll erraten —


Nie schlug ein Liebesleid so tiefe Wunde,
Nie hat das Schicksal tötlicher getroffen
Mein Herz, als dieses grimme Weh es that —

jene erste enttäuschte Leidenschaft hat wohl den Ausschlag gegeben. Zwar fehlt
es nicht an freundlichen, heitern Motiven in dieser Sammlung der Puttkamer-
schen Dichtungen, wie sie z. B. sehr glücklich ein Stimmungsbild von einem
glücklich liebenden jungen Paare entwirft, das die ersten Hochzeitstage in einem
einsamen, von Feigenästen unirankten Häuschen am sonnigen Meeresstrande ver¬
lebt. Aber auch über ihre Bilder der Ruhe lagert schwermütige Schwüle, und
es ist ganz gewiß ihre Grundanschauung in dem Gedichte „Pessimistisch" aus¬
gesprochen, das wir zum Schlüsse noch mitteilen wollen.


[Beginn Spaltensatz] Die launenhaften Hände des Geschicks,
Die schleudern dich empor wie einen Ball...
Ein Glückcstaumeln nur! denn augenblicks
Verdammen dich die argen tief zum Fall. - Nur wenn dir Schnellkraft eingeboren ward,
schwingst du aus eignem Können dich
Vom Staub empor; doch die von schwacher Art,
Die lösen nie vom Erdenkreise sich. [Spaltenumbruch] Sie haften an dem grauen Element,
Bis sie der Drang der Dinge weiterschiebt.
Der treibt sie — trage bald, und bald behend,
Grad' wie es seiner tollen Art beliebt. Und die's mit Schnellkraft hin zur Höhe drängt,
Selbst die wirft ewig das Geschick herab . . .
So zwischen Sonnen und dem Staube senkt
Und hebt der Ball sich taumelnd auf und ab. [Ende Spaltensatz]
Ob er nun machtlos stets im Niedern kroch,
Ob er mit Kraft die Höhe sich zum Ziel
Erkoren hat, das Schicksal faßt ihn doch —
Und alles Sein ist fürchterliches Spiel.

Hiermit brechen wir die Charakteristik der Dichtungen der Frau von Putt-
kamer ab, abgeschlossen ist sie damit bei weitem nicht, da sich ihre Person


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196233"/>
          <fw type="header" place="top"> Alberta von Puttkamer.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465" next="#ID_467"> gewählte anmutige Bild nicht konkret genug aufgefaßt, sondern nach seinem ab¬<lb/>
strakteren Gehalte verwertet ist:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_12" type="poem">
              <l> Wie Siegfried, der den Vogelfang versteht,<lb/>
Seit er gebadet hat im Drachcnblut,<lb/>
So ward's mit mir, seit du mein junges Herz<lb/>
Versenkt in des Verrates Gift und Glut.</l>
              <l> Nun ward mir plötzlich das Geheimnis kund,<lb/>
Das schmerzlich durch die ganze Schöpfung klingt,<lb/>
Gleichviel, ob es das Meer, ob Frühlingssturm,<lb/>
Ob Vogel- oder Menschenmund es singt.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_467" prev="#ID_466" next="#ID_468"> Was das für ein Geheimnis sei, das erraten wir leicht: es ist die Einsicht des<lb/>
Pessimismus, der durch ihr ganzes Dichten geht und der erst die Charakteristik<lb/>
dieser durch und dnrch modernen Titanide abschließt. Denn moderner noch als<lb/>
ihre Kritik des romantischen Mannesideales, ist eben diese ihre mehr als resi-<lb/>
gnirte Weltanschauung. Mag sein, daß auch noch andre Lebenserfahrungen dazu<lb/>
beigetragen haben, wie etwa die des Verrates einer Freundin, die sie heiß ge¬<lb/>
liebt hat &#x2014; um was es sich damals gehandelt hat, läßt die Dichterin den<lb/>
Leser, welcher die weibliche Natur kennt, ahnungsvoll erraten &#x2014;</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_13" type="poem">
              <l> Nie schlug ein Liebesleid so tiefe Wunde,<lb/>
Nie hat das Schicksal tötlicher getroffen<lb/>
Mein Herz, als dieses grimme Weh es that &#x2014;</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_468" prev="#ID_467"> jene erste enttäuschte Leidenschaft hat wohl den Ausschlag gegeben. Zwar fehlt<lb/>
es nicht an freundlichen, heitern Motiven in dieser Sammlung der Puttkamer-<lb/>
schen Dichtungen, wie sie z. B. sehr glücklich ein Stimmungsbild von einem<lb/>
glücklich liebenden jungen Paare entwirft, das die ersten Hochzeitstage in einem<lb/>
einsamen, von Feigenästen unirankten Häuschen am sonnigen Meeresstrande ver¬<lb/>
lebt. Aber auch über ihre Bilder der Ruhe lagert schwermütige Schwüle, und<lb/>
es ist ganz gewiß ihre Grundanschauung in dem Gedichte &#x201E;Pessimistisch" aus¬<lb/>
gesprochen, das wir zum Schlüsse noch mitteilen wollen.</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_14" type="poem">
              <l><cb type="start"/>
Die launenhaften Hände des Geschicks,<lb/>
Die schleudern dich empor wie einen Ball...<lb/>
Ein Glückcstaumeln nur! denn augenblicks<lb/>
Verdammen dich die argen tief zum Fall. - Nur wenn dir Schnellkraft eingeboren ward,<lb/>
schwingst du aus eignem Können dich<lb/>
Vom Staub empor; doch die von schwacher Art,<lb/>
Die lösen nie vom Erdenkreise sich. <cb/>
Sie haften an dem grauen Element,<lb/>
Bis sie der Drang der Dinge weiterschiebt.<lb/>
Der treibt sie &#x2014; trage bald, und bald behend,<lb/>
Grad' wie es seiner tollen Art beliebt. Und die's mit Schnellkraft hin zur Höhe drängt,<lb/>
Selbst die wirft ewig das Geschick herab . . .<lb/>
So zwischen Sonnen und dem Staube senkt<lb/>
Und hebt der Ball sich taumelnd auf und ab. <cb type="end"/><lb/><lb/><lb/><lb/><lb/>
Ob er nun machtlos stets im Niedern kroch,<lb/>
Ob er mit Kraft die Höhe sich zum Ziel<lb/>
Erkoren hat, das Schicksal faßt ihn doch &#x2014;<lb/>
Und alles Sein ist fürchterliches Spiel. </l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_469" next="#ID_470"> Hiermit brechen wir die Charakteristik der Dichtungen der Frau von Putt-<lb/>
kamer ab, abgeschlossen ist sie damit bei weitem nicht, da sich ihre Person</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0133] Alberta von Puttkamer. gewählte anmutige Bild nicht konkret genug aufgefaßt, sondern nach seinem ab¬ strakteren Gehalte verwertet ist: Wie Siegfried, der den Vogelfang versteht, Seit er gebadet hat im Drachcnblut, So ward's mit mir, seit du mein junges Herz Versenkt in des Verrates Gift und Glut. Nun ward mir plötzlich das Geheimnis kund, Das schmerzlich durch die ganze Schöpfung klingt, Gleichviel, ob es das Meer, ob Frühlingssturm, Ob Vogel- oder Menschenmund es singt. Was das für ein Geheimnis sei, das erraten wir leicht: es ist die Einsicht des Pessimismus, der durch ihr ganzes Dichten geht und der erst die Charakteristik dieser durch und dnrch modernen Titanide abschließt. Denn moderner noch als ihre Kritik des romantischen Mannesideales, ist eben diese ihre mehr als resi- gnirte Weltanschauung. Mag sein, daß auch noch andre Lebenserfahrungen dazu beigetragen haben, wie etwa die des Verrates einer Freundin, die sie heiß ge¬ liebt hat — um was es sich damals gehandelt hat, läßt die Dichterin den Leser, welcher die weibliche Natur kennt, ahnungsvoll erraten — Nie schlug ein Liebesleid so tiefe Wunde, Nie hat das Schicksal tötlicher getroffen Mein Herz, als dieses grimme Weh es that — jene erste enttäuschte Leidenschaft hat wohl den Ausschlag gegeben. Zwar fehlt es nicht an freundlichen, heitern Motiven in dieser Sammlung der Puttkamer- schen Dichtungen, wie sie z. B. sehr glücklich ein Stimmungsbild von einem glücklich liebenden jungen Paare entwirft, das die ersten Hochzeitstage in einem einsamen, von Feigenästen unirankten Häuschen am sonnigen Meeresstrande ver¬ lebt. Aber auch über ihre Bilder der Ruhe lagert schwermütige Schwüle, und es ist ganz gewiß ihre Grundanschauung in dem Gedichte „Pessimistisch" aus¬ gesprochen, das wir zum Schlüsse noch mitteilen wollen. Die launenhaften Hände des Geschicks, Die schleudern dich empor wie einen Ball... Ein Glückcstaumeln nur! denn augenblicks Verdammen dich die argen tief zum Fall. - Nur wenn dir Schnellkraft eingeboren ward, schwingst du aus eignem Können dich Vom Staub empor; doch die von schwacher Art, Die lösen nie vom Erdenkreise sich. Sie haften an dem grauen Element, Bis sie der Drang der Dinge weiterschiebt. Der treibt sie — trage bald, und bald behend, Grad' wie es seiner tollen Art beliebt. Und die's mit Schnellkraft hin zur Höhe drängt, Selbst die wirft ewig das Geschick herab . . . So zwischen Sonnen und dem Staube senkt Und hebt der Ball sich taumelnd auf und ab. Ob er nun machtlos stets im Niedern kroch, Ob er mit Kraft die Höhe sich zum Ziel Erkoren hat, das Schicksal faßt ihn doch — Und alles Sein ist fürchterliches Spiel. Hiermit brechen wir die Charakteristik der Dichtungen der Frau von Putt- kamer ab, abgeschlossen ist sie damit bei weitem nicht, da sich ihre Person

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/133
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/133>, abgerufen am 24.11.2024.