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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Johannes Bngeichagen und die Reformation in der Stadt Braunschweig.

dar under vele ChrisWe lere vor de borgere. Doreh Jvannem Bugenhcigen
Pomern bescreven."

Die Ausgabe ist, um dies kurz vorweg zu schicken, kein Faesimiledrnck des
sehr selten gewordnen Originals. Wendet sie sich doch nicht an Sprachforscher
und Kenner der mittelniederdeutschen Mundart, sondern an weitere Kreise der
Theologen und Geschichtsfreunde. So hat denn der .Herausgeber zwar die
Sprachformen des alten Textes unverändert beibehalten -- von vereinzelten
hochdeutschen Formen abgesehen, die sich entweder durch Schuld des Witten-
berger Setzers oder aber durch gelegentliche Abweichungen ins Oberdeutsche
Vonseiten Bugenhagens selber eingeschlichen haben --, er hat sich jedoch eine Ver¬
einfachung der regellosen und oft bis zur Unverstündlichkeit nberladnen Ortho¬
graphie und eine gleichmüßige Interpunktion nach modernen Grundsätzen ge¬
stattet. Was dadurch etwa der Germanist von der strikten Observanz verliert,
ist der Mehrzahl der Leser gewonnen: auch ein des Niederdeutschen wenig
kundiger wird sich bald in diesen einfachen und klaren Wortbildern zurecht¬
finden, deren ungefüge Originale ihn nach den ersten Zeilen zurückgeschreckt haben
würden. Wo die Bedeutung eines Wortes ihm unklar sein könnte, hilft das treff¬
liche Glossar, welches zugleich die hochdeutschen Ausdrücke der spätern Ausgaben
bietet; dem aber, der das Buch zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen will, kann
ein beigegebenes Verzeichnis der irgend wesentlichen Abweichungen der Original¬
drucke mit der dnrch den nächsten Zweck gebotenen relativen Freiheit der Sprach¬
behandlung versöhnen. Daß der stattliche Band von mehr als fünftehalbhundert
Seiten eine Mnsterleistung des deutschen Buchdrucks aus der Druguliuschen
Offizin in Leipzig ist, mag nnr nebenher für den Bücherfreund im engern
Sinne bemerkt sein.

Uns interessirt neben dem Texte der Kirchenordnung vornehmlich die histo¬
rische Einleitung, in der auf etwa siebzig Seiten eine Fülle bisher unverwerteten
Materials aus dem Braunschweiger Stadtarchiv in mustergiltiger Weise verarbeitet
ist, dergestalt, daß die Vorgänge bei der Einführung der Reformation in der
Stadt Braunschweig und namentlich Bugenhagens persönliche Thätigkeit dabei
vielfach in ein neues Licht treten. Ich lege dieselbe der folgenden Darstellung zu
gründe, bemerke aber dabei von vornherein, daß ich bei der Kürze des mir
zugemessenen Raumes und bei dem ungemein inhaltreichen und gedrungenen
Stile, der dieser Einleitung wie den historischen Darstellungen des um nieder¬
deutsche Städtegeschichte Hochverdieuten Verfassers überhaupt eigen ist, nicht
daran denken kann, auch nur den wesentlichen Inhalt derselben zu erschöpfen.

Wie überall in den Städten Niedersachsens, waren anch in Braunschweig
bald nach Luthers entschiednen Bruche mit der römischen Kirche die ersten
Samenkörner der neuen Lehre aufgegangen. Schon 1522 hatte sich der Rat
und die Union der Prälaten genötigt gesehen, gegen einige Hauptketzer, darunter
einen jungen Mönch von Se. Ägidien, Gottschall Krnse mit Namen, einzn-


Grmzboten it. 1S85.
Johannes Bngeichagen und die Reformation in der Stadt Braunschweig.

dar under vele ChrisWe lere vor de borgere. Doreh Jvannem Bugenhcigen
Pomern bescreven."

Die Ausgabe ist, um dies kurz vorweg zu schicken, kein Faesimiledrnck des
sehr selten gewordnen Originals. Wendet sie sich doch nicht an Sprachforscher
und Kenner der mittelniederdeutschen Mundart, sondern an weitere Kreise der
Theologen und Geschichtsfreunde. So hat denn der .Herausgeber zwar die
Sprachformen des alten Textes unverändert beibehalten — von vereinzelten
hochdeutschen Formen abgesehen, die sich entweder durch Schuld des Witten-
berger Setzers oder aber durch gelegentliche Abweichungen ins Oberdeutsche
Vonseiten Bugenhagens selber eingeschlichen haben —, er hat sich jedoch eine Ver¬
einfachung der regellosen und oft bis zur Unverstündlichkeit nberladnen Ortho¬
graphie und eine gleichmüßige Interpunktion nach modernen Grundsätzen ge¬
stattet. Was dadurch etwa der Germanist von der strikten Observanz verliert,
ist der Mehrzahl der Leser gewonnen: auch ein des Niederdeutschen wenig
kundiger wird sich bald in diesen einfachen und klaren Wortbildern zurecht¬
finden, deren ungefüge Originale ihn nach den ersten Zeilen zurückgeschreckt haben
würden. Wo die Bedeutung eines Wortes ihm unklar sein könnte, hilft das treff¬
liche Glossar, welches zugleich die hochdeutschen Ausdrücke der spätern Ausgaben
bietet; dem aber, der das Buch zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen will, kann
ein beigegebenes Verzeichnis der irgend wesentlichen Abweichungen der Original¬
drucke mit der dnrch den nächsten Zweck gebotenen relativen Freiheit der Sprach¬
behandlung versöhnen. Daß der stattliche Band von mehr als fünftehalbhundert
Seiten eine Mnsterleistung des deutschen Buchdrucks aus der Druguliuschen
Offizin in Leipzig ist, mag nnr nebenher für den Bücherfreund im engern
Sinne bemerkt sein.

Uns interessirt neben dem Texte der Kirchenordnung vornehmlich die histo¬
rische Einleitung, in der auf etwa siebzig Seiten eine Fülle bisher unverwerteten
Materials aus dem Braunschweiger Stadtarchiv in mustergiltiger Weise verarbeitet
ist, dergestalt, daß die Vorgänge bei der Einführung der Reformation in der
Stadt Braunschweig und namentlich Bugenhagens persönliche Thätigkeit dabei
vielfach in ein neues Licht treten. Ich lege dieselbe der folgenden Darstellung zu
gründe, bemerke aber dabei von vornherein, daß ich bei der Kürze des mir
zugemessenen Raumes und bei dem ungemein inhaltreichen und gedrungenen
Stile, der dieser Einleitung wie den historischen Darstellungen des um nieder¬
deutsche Städtegeschichte Hochverdieuten Verfassers überhaupt eigen ist, nicht
daran denken kann, auch nur den wesentlichen Inhalt derselben zu erschöpfen.

Wie überall in den Städten Niedersachsens, waren anch in Braunschweig
bald nach Luthers entschiednen Bruche mit der römischen Kirche die ersten
Samenkörner der neuen Lehre aufgegangen. Schon 1522 hatte sich der Rat
und die Union der Prälaten genötigt gesehen, gegen einige Hauptketzer, darunter
einen jungen Mönch von Se. Ägidien, Gottschall Krnse mit Namen, einzn-


Grmzboten it. 1S85.
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[0670] Johannes Bngeichagen und die Reformation in der Stadt Braunschweig. dar under vele ChrisWe lere vor de borgere. Doreh Jvannem Bugenhcigen Pomern bescreven." Die Ausgabe ist, um dies kurz vorweg zu schicken, kein Faesimiledrnck des sehr selten gewordnen Originals. Wendet sie sich doch nicht an Sprachforscher und Kenner der mittelniederdeutschen Mundart, sondern an weitere Kreise der Theologen und Geschichtsfreunde. So hat denn der .Herausgeber zwar die Sprachformen des alten Textes unverändert beibehalten — von vereinzelten hochdeutschen Formen abgesehen, die sich entweder durch Schuld des Witten- berger Setzers oder aber durch gelegentliche Abweichungen ins Oberdeutsche Vonseiten Bugenhagens selber eingeschlichen haben —, er hat sich jedoch eine Ver¬ einfachung der regellosen und oft bis zur Unverstündlichkeit nberladnen Ortho¬ graphie und eine gleichmüßige Interpunktion nach modernen Grundsätzen ge¬ stattet. Was dadurch etwa der Germanist von der strikten Observanz verliert, ist der Mehrzahl der Leser gewonnen: auch ein des Niederdeutschen wenig kundiger wird sich bald in diesen einfachen und klaren Wortbildern zurecht¬ finden, deren ungefüge Originale ihn nach den ersten Zeilen zurückgeschreckt haben würden. Wo die Bedeutung eines Wortes ihm unklar sein könnte, hilft das treff¬ liche Glossar, welches zugleich die hochdeutschen Ausdrücke der spätern Ausgaben bietet; dem aber, der das Buch zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen will, kann ein beigegebenes Verzeichnis der irgend wesentlichen Abweichungen der Original¬ drucke mit der dnrch den nächsten Zweck gebotenen relativen Freiheit der Sprach¬ behandlung versöhnen. Daß der stattliche Band von mehr als fünftehalbhundert Seiten eine Mnsterleistung des deutschen Buchdrucks aus der Druguliuschen Offizin in Leipzig ist, mag nnr nebenher für den Bücherfreund im engern Sinne bemerkt sein. Uns interessirt neben dem Texte der Kirchenordnung vornehmlich die histo¬ rische Einleitung, in der auf etwa siebzig Seiten eine Fülle bisher unverwerteten Materials aus dem Braunschweiger Stadtarchiv in mustergiltiger Weise verarbeitet ist, dergestalt, daß die Vorgänge bei der Einführung der Reformation in der Stadt Braunschweig und namentlich Bugenhagens persönliche Thätigkeit dabei vielfach in ein neues Licht treten. Ich lege dieselbe der folgenden Darstellung zu gründe, bemerke aber dabei von vornherein, daß ich bei der Kürze des mir zugemessenen Raumes und bei dem ungemein inhaltreichen und gedrungenen Stile, der dieser Einleitung wie den historischen Darstellungen des um nieder¬ deutsche Städtegeschichte Hochverdieuten Verfassers überhaupt eigen ist, nicht daran denken kann, auch nur den wesentlichen Inhalt derselben zu erschöpfen. Wie überall in den Städten Niedersachsens, waren anch in Braunschweig bald nach Luthers entschiednen Bruche mit der römischen Kirche die ersten Samenkörner der neuen Lehre aufgegangen. Schon 1522 hatte sich der Rat und die Union der Prälaten genötigt gesehen, gegen einige Hauptketzer, darunter einen jungen Mönch von Se. Ägidien, Gottschall Krnse mit Namen, einzn- Grmzboten it. 1S85.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/670>, abgerufen am 22.07.2024.