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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

die Türken hin, und von außen begannen auf das Erbe der Mcmtucmer Gon-
zcigas schon einige jener Spekulationen, welche nicht lange nach der Zeit, in
welche der Liebesroman Floridas und Giuseppes fällt, in dem sogenannten Mcm-
tnaner Erbfolgclriege Venedig, Frankreich, Spanien, Österreich, Savoyen und
den Papst als Beutebewerber auf den Kampfplatz riefen, sehr zur Verwunderung
der stolzen Mantucmer, welche sich viel auf ihr Selbstbestimmungsrecht einge¬
bildet hatten.

Was Francesco betrifft, Vincentos ältesten Sohn, welchen zu stürzen
Giuseppe Gonznga sich jetzt zur Aufgabe gestellt hatte, so fehlten ihm die meisten
Eigenschaften, welche einen Fürsten volkstümlich machen. Obschon noch jung
an Jahren, hatte er doch schon etwas Greisenhaftes in seiner Erscheinung, und
die Sparsamkeit, deren er sich befleißigte, wurde meist als Geiz aufgefaßt,
sogar von denen, welche unter seines Vaters Regierung am lautesten über
Verschwendung gemurrt hatten. Die vielen entlassenen Diener und Komödianten
setzten aber auch anstößige Geschichten über ihn wie über seine Brüder Fernando
und Viueento in Umlauf, Geschichten, die während der kurzen Zeit seines Re¬
giments auf Betreiben des übereifriger Spähers Vitalianv bereits eine Menge
peinlicher Verhöre und scharfer Bestrafungen herbeigeführt hatten und umso
williger Glauben fanden, als durch die einstigen Leichtfertigkeiten Vincentos des
Ersten, des Vaters dieser drei Brüder, das Ohr der Mcmtucmer um dergleichen
gewöhnt worden war. Bekanntlich gilt einigen Historikern der Unglücksmensch,
welcher uuter dem Namen "Der Mann mit der eisernen Maske" so mannichfach
die Tragödiendichter beschäftigt hat, für den in der Bastille gestorbenen illegitimen
Sohn Vincentos des Ersten, für Giovanni Gonzaga, und auch dieser häßliche
Schatten, obschon vermutlich ungerechtfertigt, beweist, daß man dem Hause, dessen
Sturz Giuseppe plante oder wenigstens zu planen versprochen hatte, gar manches
Uhle zutraute. Wie es mit den Heiratsabsichten der beiden jüngern Brüder Fran¬
cescos stand, darüber war Mantua im Unklaren. Der nach Francesco nächst-
bcrechtigte Thronfolger Fernando war schon mit zwanzig Jahren Kardinal ge¬
worden, hatte aber beim Erkranken seines Vaters dem geistlichen Stande entsagt,
damit für ihn eine Gattin ausgesucht werde. Nach des Vaters Tode gerieten
die Anknüpfungen ins Stocken, und viel später erst ließ er eine inzwischen von
ihm eingegangene heimliche Ehe -- mit Camilla, Tochter des Grafen Ar-
dizzino Faa de Bruno -- für nichtig erklären, um aus Staatsraison Katharina
von Medici zu heiraten. Zur Zeit jener Umsturzplänc Giuseppes hielt sich
Fernando noch in Rom auf, vorgeblich wegen noch zu lösender Verpflichtungen
gegen den heiligen Stuhl, in Wirklichkeit, weil er sich bereits um Camilla zu
bemühen begonnen hatte, eine Bewerbung, welcher sie damals noch nicht Gehör
schenkte. Ebenfalls von Mantua abwesend war der jüngste Bruder, der spätere
Vincento der Zweite, auch zu jener Zeit noch Kardinal, aber, wie ein zeit¬
genössischer Historiker zu wissen glaubt, "den Hunden, Pferden und Weibern


Um eine Perle.

die Türken hin, und von außen begannen auf das Erbe der Mcmtucmer Gon-
zcigas schon einige jener Spekulationen, welche nicht lange nach der Zeit, in
welche der Liebesroman Floridas und Giuseppes fällt, in dem sogenannten Mcm-
tnaner Erbfolgclriege Venedig, Frankreich, Spanien, Österreich, Savoyen und
den Papst als Beutebewerber auf den Kampfplatz riefen, sehr zur Verwunderung
der stolzen Mantucmer, welche sich viel auf ihr Selbstbestimmungsrecht einge¬
bildet hatten.

Was Francesco betrifft, Vincentos ältesten Sohn, welchen zu stürzen
Giuseppe Gonznga sich jetzt zur Aufgabe gestellt hatte, so fehlten ihm die meisten
Eigenschaften, welche einen Fürsten volkstümlich machen. Obschon noch jung
an Jahren, hatte er doch schon etwas Greisenhaftes in seiner Erscheinung, und
die Sparsamkeit, deren er sich befleißigte, wurde meist als Geiz aufgefaßt,
sogar von denen, welche unter seines Vaters Regierung am lautesten über
Verschwendung gemurrt hatten. Die vielen entlassenen Diener und Komödianten
setzten aber auch anstößige Geschichten über ihn wie über seine Brüder Fernando
und Viueento in Umlauf, Geschichten, die während der kurzen Zeit seines Re¬
giments auf Betreiben des übereifriger Spähers Vitalianv bereits eine Menge
peinlicher Verhöre und scharfer Bestrafungen herbeigeführt hatten und umso
williger Glauben fanden, als durch die einstigen Leichtfertigkeiten Vincentos des
Ersten, des Vaters dieser drei Brüder, das Ohr der Mcmtucmer um dergleichen
gewöhnt worden war. Bekanntlich gilt einigen Historikern der Unglücksmensch,
welcher uuter dem Namen „Der Mann mit der eisernen Maske" so mannichfach
die Tragödiendichter beschäftigt hat, für den in der Bastille gestorbenen illegitimen
Sohn Vincentos des Ersten, für Giovanni Gonzaga, und auch dieser häßliche
Schatten, obschon vermutlich ungerechtfertigt, beweist, daß man dem Hause, dessen
Sturz Giuseppe plante oder wenigstens zu planen versprochen hatte, gar manches
Uhle zutraute. Wie es mit den Heiratsabsichten der beiden jüngern Brüder Fran¬
cescos stand, darüber war Mantua im Unklaren. Der nach Francesco nächst-
bcrechtigte Thronfolger Fernando war schon mit zwanzig Jahren Kardinal ge¬
worden, hatte aber beim Erkranken seines Vaters dem geistlichen Stande entsagt,
damit für ihn eine Gattin ausgesucht werde. Nach des Vaters Tode gerieten
die Anknüpfungen ins Stocken, und viel später erst ließ er eine inzwischen von
ihm eingegangene heimliche Ehe — mit Camilla, Tochter des Grafen Ar-
dizzino Faa de Bruno — für nichtig erklären, um aus Staatsraison Katharina
von Medici zu heiraten. Zur Zeit jener Umsturzplänc Giuseppes hielt sich
Fernando noch in Rom auf, vorgeblich wegen noch zu lösender Verpflichtungen
gegen den heiligen Stuhl, in Wirklichkeit, weil er sich bereits um Camilla zu
bemühen begonnen hatte, eine Bewerbung, welcher sie damals noch nicht Gehör
schenkte. Ebenfalls von Mantua abwesend war der jüngste Bruder, der spätere
Vincento der Zweite, auch zu jener Zeit noch Kardinal, aber, wie ein zeit¬
genössischer Historiker zu wissen glaubt, „den Hunden, Pferden und Weibern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/59>, abgerufen am 22.07.2024.