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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

mein Geld auch noch deine Anhänglichkeit an mich, der handelt nicht als Christ,
mein Kardinal könnte Euch das bestätigen.

Basta! schäumte Giuseppe auf und packte den lästigen Sittenrichter beim
Kragen. Im nächsten Augenblicke flog Veppo kopfüber aus dein Fenster.

Er hatte es darauf ankommen lassen, denn wie er wußte, lag unter dem
Fenster ein hoher Berg weißen Flußsandes, und da man sich im ersten Stocke
des Gonzagaschlosses befand, war für die katzengeschiueidigen Glieder Beppos
die Gefahr eine nur geringe.

Er blieb unten dennoch, als sei er tot, auf dem Sandhaufen liegen, und
Giuseppe, dessen Jähzorn immer rasch verrauchte und in bittern Unmut gegen
ihn selbst umschlug, sah mit Schrecken, was er angerichtet hatte.

Sofort rief er nach seiner übrigen Dienerschaft, damit sie dein Opfer seiner
Heftigkeit zu Hilfe eile. Vorübergehende hatten den Rettungslosen inzwischen
bereits aufgehoben. Man trug ihn ins Hans, überschwemmte sein Stirn mit
Essig, betastete sein Genick, seinen Bauch, seine Arme und Beine und fand
uirgeuds eine wahrnehmbare Verletzung. Nach einer guten Weile hielt Beppo
für geraten, die Augen matt aufzuschlagen und, statt seinen Herrn einer Ge¬
waltthat anzuklagen, sich das Ansehen eines berauscht Gewesenen zu geben,
und Giuseppe hütete sich, dieser glaubhaften Mur zu widersprechen.

In dieser Weise bahnte sich Beppo schon einigermaßen wieder den ver¬
schüttet gewesenen Weg zu dem Herzen seines Herrn, und als er eine Stunde
später, vorgeblich um sich von ihm nun wirklich zu verabschieden, sich nochmals
auf das Zimmer seines Herrn begab, fand er denselben ein gut Teil wohl¬
wollender gegen ihn gestimmt als zuvor.

Warum mußt du mich denn immer so unsinnig reizen? sagte Giuseppe,
konntest du denn nicht in Ruhe deiner Wege gehen?

Nein, Euer Gnaden, antwortete Beppo, das ging über meine Kräfte.

Wohl aus Anhänglichkeit, Spaßvogel?

Beppo drückte eine Thräne aus dem Auge. Ihr habt's getroffen, es war
wirklich Anhänglichkeit, sagte er.

Giuseppe machte einen Gang durchs Zimmer. Dann blieb er vor Beppo
stehen.

Spürhunde wie dich kann doch so mancher brauchen, sagte er, wozu
soll ich's dem: gerade sein? Ich war fest entschlossen, ein ganz andres Leben
zu beginnen.

Und ich auch, Euer Gnaden; das ists ja eben.

Wieso, du?

Ich wollte auch heiraten, Euer Gnaden.

Auch? Was heißt auch heiraten?

Nun, sagte Beppo, gabt Ihr mir denn nicht den Laufpaß, weil Ihr dies¬
mal wirklich ehrbare Absichten hattet?


Ärenzbotcn II- 1885, 7
Um eine Perle.

mein Geld auch noch deine Anhänglichkeit an mich, der handelt nicht als Christ,
mein Kardinal könnte Euch das bestätigen.

Basta! schäumte Giuseppe auf und packte den lästigen Sittenrichter beim
Kragen. Im nächsten Augenblicke flog Veppo kopfüber aus dein Fenster.

Er hatte es darauf ankommen lassen, denn wie er wußte, lag unter dem
Fenster ein hoher Berg weißen Flußsandes, und da man sich im ersten Stocke
des Gonzagaschlosses befand, war für die katzengeschiueidigen Glieder Beppos
die Gefahr eine nur geringe.

Er blieb unten dennoch, als sei er tot, auf dem Sandhaufen liegen, und
Giuseppe, dessen Jähzorn immer rasch verrauchte und in bittern Unmut gegen
ihn selbst umschlug, sah mit Schrecken, was er angerichtet hatte.

Sofort rief er nach seiner übrigen Dienerschaft, damit sie dein Opfer seiner
Heftigkeit zu Hilfe eile. Vorübergehende hatten den Rettungslosen inzwischen
bereits aufgehoben. Man trug ihn ins Hans, überschwemmte sein Stirn mit
Essig, betastete sein Genick, seinen Bauch, seine Arme und Beine und fand
uirgeuds eine wahrnehmbare Verletzung. Nach einer guten Weile hielt Beppo
für geraten, die Augen matt aufzuschlagen und, statt seinen Herrn einer Ge¬
waltthat anzuklagen, sich das Ansehen eines berauscht Gewesenen zu geben,
und Giuseppe hütete sich, dieser glaubhaften Mur zu widersprechen.

In dieser Weise bahnte sich Beppo schon einigermaßen wieder den ver¬
schüttet gewesenen Weg zu dem Herzen seines Herrn, und als er eine Stunde
später, vorgeblich um sich von ihm nun wirklich zu verabschieden, sich nochmals
auf das Zimmer seines Herrn begab, fand er denselben ein gut Teil wohl¬
wollender gegen ihn gestimmt als zuvor.

Warum mußt du mich denn immer so unsinnig reizen? sagte Giuseppe,
konntest du denn nicht in Ruhe deiner Wege gehen?

Nein, Euer Gnaden, antwortete Beppo, das ging über meine Kräfte.

Wohl aus Anhänglichkeit, Spaßvogel?

Beppo drückte eine Thräne aus dem Auge. Ihr habt's getroffen, es war
wirklich Anhänglichkeit, sagte er.

Giuseppe machte einen Gang durchs Zimmer. Dann blieb er vor Beppo
stehen.

Spürhunde wie dich kann doch so mancher brauchen, sagte er, wozu
soll ich's dem: gerade sein? Ich war fest entschlossen, ein ganz andres Leben
zu beginnen.

Und ich auch, Euer Gnaden; das ists ja eben.

Wieso, du?

Ich wollte auch heiraten, Euer Gnaden.

Auch? Was heißt auch heiraten?

Nun, sagte Beppo, gabt Ihr mir denn nicht den Laufpaß, weil Ihr dies¬
mal wirklich ehrbare Absichten hattet?


Ärenzbotcn II- 1885, 7
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[0054] Um eine Perle. mein Geld auch noch deine Anhänglichkeit an mich, der handelt nicht als Christ, mein Kardinal könnte Euch das bestätigen. Basta! schäumte Giuseppe auf und packte den lästigen Sittenrichter beim Kragen. Im nächsten Augenblicke flog Veppo kopfüber aus dein Fenster. Er hatte es darauf ankommen lassen, denn wie er wußte, lag unter dem Fenster ein hoher Berg weißen Flußsandes, und da man sich im ersten Stocke des Gonzagaschlosses befand, war für die katzengeschiueidigen Glieder Beppos die Gefahr eine nur geringe. Er blieb unten dennoch, als sei er tot, auf dem Sandhaufen liegen, und Giuseppe, dessen Jähzorn immer rasch verrauchte und in bittern Unmut gegen ihn selbst umschlug, sah mit Schrecken, was er angerichtet hatte. Sofort rief er nach seiner übrigen Dienerschaft, damit sie dein Opfer seiner Heftigkeit zu Hilfe eile. Vorübergehende hatten den Rettungslosen inzwischen bereits aufgehoben. Man trug ihn ins Hans, überschwemmte sein Stirn mit Essig, betastete sein Genick, seinen Bauch, seine Arme und Beine und fand uirgeuds eine wahrnehmbare Verletzung. Nach einer guten Weile hielt Beppo für geraten, die Augen matt aufzuschlagen und, statt seinen Herrn einer Ge¬ waltthat anzuklagen, sich das Ansehen eines berauscht Gewesenen zu geben, und Giuseppe hütete sich, dieser glaubhaften Mur zu widersprechen. In dieser Weise bahnte sich Beppo schon einigermaßen wieder den ver¬ schüttet gewesenen Weg zu dem Herzen seines Herrn, und als er eine Stunde später, vorgeblich um sich von ihm nun wirklich zu verabschieden, sich nochmals auf das Zimmer seines Herrn begab, fand er denselben ein gut Teil wohl¬ wollender gegen ihn gestimmt als zuvor. Warum mußt du mich denn immer so unsinnig reizen? sagte Giuseppe, konntest du denn nicht in Ruhe deiner Wege gehen? Nein, Euer Gnaden, antwortete Beppo, das ging über meine Kräfte. Wohl aus Anhänglichkeit, Spaßvogel? Beppo drückte eine Thräne aus dem Auge. Ihr habt's getroffen, es war wirklich Anhänglichkeit, sagte er. Giuseppe machte einen Gang durchs Zimmer. Dann blieb er vor Beppo stehen. Spürhunde wie dich kann doch so mancher brauchen, sagte er, wozu soll ich's dem: gerade sein? Ich war fest entschlossen, ein ganz andres Leben zu beginnen. Und ich auch, Euer Gnaden; das ists ja eben. Wieso, du? Ich wollte auch heiraten, Euer Gnaden. Auch? Was heißt auch heiraten? Nun, sagte Beppo, gabt Ihr mir denn nicht den Laufpaß, weil Ihr dies¬ mal wirklich ehrbare Absichten hattet? Ärenzbotcn II- 1885, 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/54>, abgerufen am 22.07.2024.