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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Stelle hat man die UnHaltbarkeit dieses Zustandes auch längst eingesehen und
durch die Gründung der Akademie des Bauwesens eine Behörde geschaffen,
welche neben den Praktischen Interessen auch die rein künstlerischen wahrzunehmen
hat. Sie darf sogar, wenn allzu arge Verstöße begangen werden, ein Veto
einlegen, und hat für Preußen überhaupt die oberste Entscheidung über
die Ausführbarkeit von Entwürfen. In bezug auf die Konkurrenzen an das
Neichstagsgebüude und das Reichsgericht hat sie jedoch nur eine beratende
Stimme, welche die maßgebenden Organe nach Belieben beachten oder nicht be¬
achten können. Wenn man sich dazu entschließen wollte, diese Akademie für alle
öffentlichen Bauten des Reiches als eine Art ständiger Jury zu konstituiren,
die für jeden bestimmten Fall durch Sachverständige in der vorliegenden Be¬
dürfnisfrage zu ergänzen wäre, so würde sich vielleicht mit der Zeit eine
Körperschaft ausbilden, welche von allen Zufälligkeiten des Urteils und von
den Strömungen der Tagesmcinung freier wäre als eine für den jedesmaligen
Zweck berufene Jury. Eine solche Akademie würde auch in der Lage sein, die
für eine bestimmte Bauaufgabe geeignetste!? Personen ausfindig zu machen, ohne
daß viele künstlerische Kräfte in einem nutzlosen Kampfe aufgerieben werden.

Auch in den engern Konkurrenzen, zu welchen ein kleiner Kreis von Archi¬
tekten gegen eine bestimmte Entschädigung aufgefordert wird, liegt ein bei
weitem vernünftigeres Prinzip als in dem Massenkampfe. Indessen wird man
für den letztern, für die allgemeine und unbeschränkte Konkurrenz, stets den
schon obenerwähnten Umstand geltend machen, daß eine solche Wettbewerbung
für junge Kräfte das einzige Mittel ist, um schnell bekannt zu werden. Diese
Konkurrenzen sind für die Architekten der Ersatz der Kunstausstellungen, für
welche Maler und Bildhauer oft genug viel Geld und Zeit im Ausblick auf
einen ebenso zweifelhaften Erfolg aufwenden, wie ihn die Konkurrenzen in Aus¬
sicht stellen. Man wird mit Recht sagen können: Wem die Beteiligung an
einer Konkurrenz zu kostspielig ist, der bleibe weg davon. Es läßt sich sogar
noch ein andrer Grund zu gunsten der allgemeinen Konkurrenzen anführen.
Wir haben nämlich die erfreuliche Beobachtung gemacht, daß mit der wachsenden
Ausdehnung des Konkurrenzwesens das Niveau der zeichnerischen und dar¬
stellenden Fähigkeiten unsrer Architekten ganz erheblich gestiegen ist. Früher
wurde die graphische Darstellung bei architektonischen Entwürfen so arg ver¬
nachlässigt, daß mit einer von einem Architekten ausgeführten Zeichnung der
Begriff der Dürftigkeit und Phautasielosigkeit untrennbar verbunden zu sein
schien. Nur die französischen Architekten besaßen den Vorzug, schon ihren ge¬
zeichneten Entwürfen dasselbe künstlerische Gepräge aufzudrücken, das ihre
Bauten nach der Ausführung zu zeigen bestimmt waren. Das hat sich seit
etwa zehn Jahren vollkommen geändert, und wir glauben nicht zu irren, wenn
wir diesen Umschwung auf die öffentliche,? Konkurrenzen zurückführen. Aus
dem Bestreben, sich über seinesgleichen und die Masse zu erheben, hat sich all-


Stelle hat man die UnHaltbarkeit dieses Zustandes auch längst eingesehen und
durch die Gründung der Akademie des Bauwesens eine Behörde geschaffen,
welche neben den Praktischen Interessen auch die rein künstlerischen wahrzunehmen
hat. Sie darf sogar, wenn allzu arge Verstöße begangen werden, ein Veto
einlegen, und hat für Preußen überhaupt die oberste Entscheidung über
die Ausführbarkeit von Entwürfen. In bezug auf die Konkurrenzen an das
Neichstagsgebüude und das Reichsgericht hat sie jedoch nur eine beratende
Stimme, welche die maßgebenden Organe nach Belieben beachten oder nicht be¬
achten können. Wenn man sich dazu entschließen wollte, diese Akademie für alle
öffentlichen Bauten des Reiches als eine Art ständiger Jury zu konstituiren,
die für jeden bestimmten Fall durch Sachverständige in der vorliegenden Be¬
dürfnisfrage zu ergänzen wäre, so würde sich vielleicht mit der Zeit eine
Körperschaft ausbilden, welche von allen Zufälligkeiten des Urteils und von
den Strömungen der Tagesmcinung freier wäre als eine für den jedesmaligen
Zweck berufene Jury. Eine solche Akademie würde auch in der Lage sein, die
für eine bestimmte Bauaufgabe geeignetste!? Personen ausfindig zu machen, ohne
daß viele künstlerische Kräfte in einem nutzlosen Kampfe aufgerieben werden.

Auch in den engern Konkurrenzen, zu welchen ein kleiner Kreis von Archi¬
tekten gegen eine bestimmte Entschädigung aufgefordert wird, liegt ein bei
weitem vernünftigeres Prinzip als in dem Massenkampfe. Indessen wird man
für den letztern, für die allgemeine und unbeschränkte Konkurrenz, stets den
schon obenerwähnten Umstand geltend machen, daß eine solche Wettbewerbung
für junge Kräfte das einzige Mittel ist, um schnell bekannt zu werden. Diese
Konkurrenzen sind für die Architekten der Ersatz der Kunstausstellungen, für
welche Maler und Bildhauer oft genug viel Geld und Zeit im Ausblick auf
einen ebenso zweifelhaften Erfolg aufwenden, wie ihn die Konkurrenzen in Aus¬
sicht stellen. Man wird mit Recht sagen können: Wem die Beteiligung an
einer Konkurrenz zu kostspielig ist, der bleibe weg davon. Es läßt sich sogar
noch ein andrer Grund zu gunsten der allgemeinen Konkurrenzen anführen.
Wir haben nämlich die erfreuliche Beobachtung gemacht, daß mit der wachsenden
Ausdehnung des Konkurrenzwesens das Niveau der zeichnerischen und dar¬
stellenden Fähigkeiten unsrer Architekten ganz erheblich gestiegen ist. Früher
wurde die graphische Darstellung bei architektonischen Entwürfen so arg ver¬
nachlässigt, daß mit einer von einem Architekten ausgeführten Zeichnung der
Begriff der Dürftigkeit und Phautasielosigkeit untrennbar verbunden zu sein
schien. Nur die französischen Architekten besaßen den Vorzug, schon ihren ge¬
zeichneten Entwürfen dasselbe künstlerische Gepräge aufzudrücken, das ihre
Bauten nach der Ausführung zu zeigen bestimmt waren. Das hat sich seit
etwa zehn Jahren vollkommen geändert, und wir glauben nicht zu irren, wenn
wir diesen Umschwung auf die öffentliche,? Konkurrenzen zurückführen. Aus
dem Bestreben, sich über seinesgleichen und die Masse zu erheben, hat sich all-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/50>, abgerufen am 25.08.2024.