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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Der Jndianerkrieg in Ranada.

Pacific-Bahn Trapper und Ansiedler nach Dacota, Wyoming u>,d Montana
brachte, und so, als das Southern-Pacific-System nach Neumexiko und Ari¬
zona und in die Gebiete der Navnjos und Apaches vordrang. Zuletzt ist nun
die Reihe an Nordwest-Kanada gekommen, wo ebenfalls eine Eisenbahn vom
Osten her dem Stillen Meere zustrebt und dabei die Länder durchschneidet,
welche die großen Stämme der Crees, der Sioux und der Schwarzfüße bisher
als ihr Eigentum betrachteten.

Die Billigkeit verlangt, daß wir den Unterschied hervorheben, der zwischen
dem Verfahren der Weißen in der Union und dem der Kanadier herrscht.
Dort geht man mehr oder minder brutal, hier im allgemeinen human und
rücksichtsvoll vor. Dort, in der Republik, gilt dem Indianer gegenüber der
Grundsatz, daß derselbe keinerlei Recht habe, welches der Weiße zu achten ver¬
pflichtet wäre. Man schloß Verträge mit Stämmen und brach sie unbedenklich,
wenn sie sich unbequem erwiesen. Unablässig strömte eine Flut zum Teil sehr
unlauterer Elemente über die Grenzen der Jndianergebietc, Dieselben kamen
als Vorläufer und Bahnbrecher der Zivilisation, repräsentirten sie aber sehr
wenig. Ihre Ideen von Recht und Ordnung waren eigentümlicher Art, und
Leben und Besitz des "roten Ungeziefers" erschienen ihnen als völlig in ihr
Belieben gestellt. Sie ließen sich nieder, wo es ihnen gefiel, und schössen die
Rothaut über den Häuser, wo sie ihrer ansichtig wurden. Behörden gab es
bei ihnen nicht, oder sie waren ohnmächtig. Die Regierung in Washington
hatte einen kurzen Arm und nur ein schwaches Heer. Sie vermochte in den
steten Kämpfen, welche die Ansprüche dieser Bevölkerung gesetzloser "Grenz¬
strolche" zur Folge hatten, nicht viel zu thun. Zogen jene gegen die Indianer
den kürzeren -- was nicht selten geschah --, so entsandte sie ein paar hundert
Mann Soldaten, um die Niederlage der Weißen Ansiedcr zu rächen. Wieder¬
holt begegnete es dabei, daß solche kleine Feldzüge mißlangen und zu Niederlagen
der Regierungstruppen führten, natürlich aber behielten sie zuletzt immer die
Oberhand, und die Herrschaft der Weißen breitete sich .immer weiter nach Westen
aus, zumal da gegen den roten Mann auch Blattern und Branntwein stritten
und den schlechten Elementen der weißen Bevölkerung mit der Zeit bessere
folgten. Jenseits der kanadischen Grenzen ging dieser Eroberungsprozeß viel¬
fach in andrer Weise vor sich. Die Ansiedler stellten sich hier von Anfang an
auf freundlichen Fuß mit den Indianern. Sie waren meist "Akadier," ame¬
rikanische Franzosen. Ihre Niederlassungen waren Generationen hindurch so
weit von der Zivilisation entfernt und so wenig durch Straßen zu Lande und
zu Wasser mit ihr verbunden, daß Mischehen zwischen ihnen und Frauen von
Judicmerblut etwas gewöhnliches bei ihnen waren, und dieser Verkehr schloß
maßlose Ansprüche der Ansiedler und Konflikte mit den Eingebornen fast ganz
aus. Die Akadier und die Nothäute hatten dieselben Interessen, beide ver¬
schmolzen vielfach in Sitte und Brauch. Wo einmal Meinungsverschiedenheiten


Der Jndianerkrieg in Ranada.

Pacific-Bahn Trapper und Ansiedler nach Dacota, Wyoming u>,d Montana
brachte, und so, als das Southern-Pacific-System nach Neumexiko und Ari¬
zona und in die Gebiete der Navnjos und Apaches vordrang. Zuletzt ist nun
die Reihe an Nordwest-Kanada gekommen, wo ebenfalls eine Eisenbahn vom
Osten her dem Stillen Meere zustrebt und dabei die Länder durchschneidet,
welche die großen Stämme der Crees, der Sioux und der Schwarzfüße bisher
als ihr Eigentum betrachteten.

Die Billigkeit verlangt, daß wir den Unterschied hervorheben, der zwischen
dem Verfahren der Weißen in der Union und dem der Kanadier herrscht.
Dort geht man mehr oder minder brutal, hier im allgemeinen human und
rücksichtsvoll vor. Dort, in der Republik, gilt dem Indianer gegenüber der
Grundsatz, daß derselbe keinerlei Recht habe, welches der Weiße zu achten ver¬
pflichtet wäre. Man schloß Verträge mit Stämmen und brach sie unbedenklich,
wenn sie sich unbequem erwiesen. Unablässig strömte eine Flut zum Teil sehr
unlauterer Elemente über die Grenzen der Jndianergebietc, Dieselben kamen
als Vorläufer und Bahnbrecher der Zivilisation, repräsentirten sie aber sehr
wenig. Ihre Ideen von Recht und Ordnung waren eigentümlicher Art, und
Leben und Besitz des „roten Ungeziefers" erschienen ihnen als völlig in ihr
Belieben gestellt. Sie ließen sich nieder, wo es ihnen gefiel, und schössen die
Rothaut über den Häuser, wo sie ihrer ansichtig wurden. Behörden gab es
bei ihnen nicht, oder sie waren ohnmächtig. Die Regierung in Washington
hatte einen kurzen Arm und nur ein schwaches Heer. Sie vermochte in den
steten Kämpfen, welche die Ansprüche dieser Bevölkerung gesetzloser „Grenz¬
strolche" zur Folge hatten, nicht viel zu thun. Zogen jene gegen die Indianer
den kürzeren — was nicht selten geschah —, so entsandte sie ein paar hundert
Mann Soldaten, um die Niederlage der Weißen Ansiedcr zu rächen. Wieder¬
holt begegnete es dabei, daß solche kleine Feldzüge mißlangen und zu Niederlagen
der Regierungstruppen führten, natürlich aber behielten sie zuletzt immer die
Oberhand, und die Herrschaft der Weißen breitete sich .immer weiter nach Westen
aus, zumal da gegen den roten Mann auch Blattern und Branntwein stritten
und den schlechten Elementen der weißen Bevölkerung mit der Zeit bessere
folgten. Jenseits der kanadischen Grenzen ging dieser Eroberungsprozeß viel¬
fach in andrer Weise vor sich. Die Ansiedler stellten sich hier von Anfang an
auf freundlichen Fuß mit den Indianern. Sie waren meist „Akadier," ame¬
rikanische Franzosen. Ihre Niederlassungen waren Generationen hindurch so
weit von der Zivilisation entfernt und so wenig durch Straßen zu Lande und
zu Wasser mit ihr verbunden, daß Mischehen zwischen ihnen und Frauen von
Judicmerblut etwas gewöhnliches bei ihnen waren, und dieser Verkehr schloß
maßlose Ansprüche der Ansiedler und Konflikte mit den Eingebornen fast ganz
aus. Die Akadier und die Nothäute hatten dieselben Interessen, beide ver¬
schmolzen vielfach in Sitte und Brauch. Wo einmal Meinungsverschiedenheiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/483>, abgerufen am 22.07.2024.