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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Trieft.

werden kau", so ist doch andrerseits nicht zu übersehen und noch weniger zu
unterschätzen, daß schon seit langem unter den Triestinern, und zwar nicht bloß
unter den Italienern, eine dumpfe Mißstimmung herrscht, die während der Ver-
söhmmgsära keineswegs abgenommen, sondern unverkennbar noch zugenommen
hat. Verschiedne Ursachen wirkten zusammen, um diese Unzufriedenheit hervor¬
zurufen und zu erhalten. Zunächst die im Laufe der Zeit sich fortwährend
steigernde Abnahme und Erschwerung des kaufmännischen Erwerbes. Das Ge¬
sagte hier mit Zahlen zu belegen, verbietet der Raum. Die jedermann zugäng¬
lichen statistischen Ausweise der Handelskammer beweisen jedoch unwiderleglich,
daß sowohl die Einfuhr als die Ausfuhr zwar langsam, aber konstant abnehmen.
Weist einmal ein Jahresbericht eine Steigerung des Verkehres nach, so ist die¬
selbe besondern Ereignissen, wie etwa der Triester Ausstellung im Jahre 1832,
oder politischen Komplikationen zuzuschreiben, welche eine vorübergehende Ände¬
rung herbeiführen. So hat, um nur eins zu erwähnen, der früher so bedeutende
Export von Holz und Mahlprodukten in letzter Zeit eine sehr bedeutende Ein¬
buße erlitten, und zwar zu gunsten des von der ungarischen Regierung in jeder
Weise unterstützten und geförderten Fiume, während Trieft, trotz jahrelangen
Bittens und Bettelns, noch immer keine unabhängige Verbindung mit der Rndolf-
bcchn und durch diese mit den großen Industriebezirken der Monarchie und
mit Deutschland erlangen konnte. Klingt es nicht wie Hohn, wenn Hamburger
Firmen dem Triester Publikum Kolonialwaaren zum Konsum anbieten, wenn
Wien trotz der hohen Disagios seinen Bedarf in einer Reihe wichtiger Artikel
nicht über Trieft, sondern in deutschen Seehäfen deckt? Daß nur die ausbeutende
Tarifpolitik der Südbahn die Schuld an solchen Erscheinungen trägt, liegt auf
der Hand. Es ist geradezu unbegreiflich, wie vollberechtigte Wünsche der Hafen¬
stadt, bei denen das eigne Interesse mit dem der Monarchie Hand in Hand geht,
nicht nur bei der gegenwärtigen, sondern auch bei den früheren Regierungen
taube Ohren fanden! Die von Österreich mit so großen Opfern gebaute Pon-
tebbabahn kommt dem Handel -- Venedigs zu gute! Trieft dagegen, Öster¬
reichs einziger Seehafen, eine Stadt, um deren Erwerbung, wie einmal vor
Jahren ein hiesiger Fachmann zutreffend bemerkte, ein vom Meere getrennter
Staat die Chancen eines großen Krieges wagen würde, hat das Nachsehen! Es
ist ein öffentliches Geheimnis, daß dieselben Mächte, welche kürzlich bei der
Frage der Verstaatlichung der Nordbahn im österreichischen Parlamente den
Sieg davontrugen, auch hierbei ihren gewaltigen Einfluß geltend machen.
Ouörvlre? c>t on>u8 trouvörs-i -- das bekannte Weltbaus! Damit ist alles gesagt.
Wie rasch aber eine dem Triester Handel gebotene Erleichterung ihre Wirkungen
fühlbar macht und die unvergleichlich vorteilhafte Lage des Platzes zur Geltung
kommen läßt, beweist die Thatsache, daß sich nach Einführung der Differential¬
zölle sofort eine Reihe deutscher und österreichischer Kaffeeimportfirmen in Trieft
etablirten, die durchaus keine Ursache zu Klagen haben. Welche gewaltige Um-


Trieft.

werden kau», so ist doch andrerseits nicht zu übersehen und noch weniger zu
unterschätzen, daß schon seit langem unter den Triestinern, und zwar nicht bloß
unter den Italienern, eine dumpfe Mißstimmung herrscht, die während der Ver-
söhmmgsära keineswegs abgenommen, sondern unverkennbar noch zugenommen
hat. Verschiedne Ursachen wirkten zusammen, um diese Unzufriedenheit hervor¬
zurufen und zu erhalten. Zunächst die im Laufe der Zeit sich fortwährend
steigernde Abnahme und Erschwerung des kaufmännischen Erwerbes. Das Ge¬
sagte hier mit Zahlen zu belegen, verbietet der Raum. Die jedermann zugäng¬
lichen statistischen Ausweise der Handelskammer beweisen jedoch unwiderleglich,
daß sowohl die Einfuhr als die Ausfuhr zwar langsam, aber konstant abnehmen.
Weist einmal ein Jahresbericht eine Steigerung des Verkehres nach, so ist die¬
selbe besondern Ereignissen, wie etwa der Triester Ausstellung im Jahre 1832,
oder politischen Komplikationen zuzuschreiben, welche eine vorübergehende Ände¬
rung herbeiführen. So hat, um nur eins zu erwähnen, der früher so bedeutende
Export von Holz und Mahlprodukten in letzter Zeit eine sehr bedeutende Ein¬
buße erlitten, und zwar zu gunsten des von der ungarischen Regierung in jeder
Weise unterstützten und geförderten Fiume, während Trieft, trotz jahrelangen
Bittens und Bettelns, noch immer keine unabhängige Verbindung mit der Rndolf-
bcchn und durch diese mit den großen Industriebezirken der Monarchie und
mit Deutschland erlangen konnte. Klingt es nicht wie Hohn, wenn Hamburger
Firmen dem Triester Publikum Kolonialwaaren zum Konsum anbieten, wenn
Wien trotz der hohen Disagios seinen Bedarf in einer Reihe wichtiger Artikel
nicht über Trieft, sondern in deutschen Seehäfen deckt? Daß nur die ausbeutende
Tarifpolitik der Südbahn die Schuld an solchen Erscheinungen trägt, liegt auf
der Hand. Es ist geradezu unbegreiflich, wie vollberechtigte Wünsche der Hafen¬
stadt, bei denen das eigne Interesse mit dem der Monarchie Hand in Hand geht,
nicht nur bei der gegenwärtigen, sondern auch bei den früheren Regierungen
taube Ohren fanden! Die von Österreich mit so großen Opfern gebaute Pon-
tebbabahn kommt dem Handel — Venedigs zu gute! Trieft dagegen, Öster¬
reichs einziger Seehafen, eine Stadt, um deren Erwerbung, wie einmal vor
Jahren ein hiesiger Fachmann zutreffend bemerkte, ein vom Meere getrennter
Staat die Chancen eines großen Krieges wagen würde, hat das Nachsehen! Es
ist ein öffentliches Geheimnis, daß dieselben Mächte, welche kürzlich bei der
Frage der Verstaatlichung der Nordbahn im österreichischen Parlamente den
Sieg davontrugen, auch hierbei ihren gewaltigen Einfluß geltend machen.
Ouörvlre? c>t on>u8 trouvörs-i — das bekannte Weltbaus! Damit ist alles gesagt.
Wie rasch aber eine dem Triester Handel gebotene Erleichterung ihre Wirkungen
fühlbar macht und die unvergleichlich vorteilhafte Lage des Platzes zur Geltung
kommen läßt, beweist die Thatsache, daß sich nach Einführung der Differential¬
zölle sofort eine Reihe deutscher und österreichischer Kaffeeimportfirmen in Trieft
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[0465] Trieft. werden kau», so ist doch andrerseits nicht zu übersehen und noch weniger zu unterschätzen, daß schon seit langem unter den Triestinern, und zwar nicht bloß unter den Italienern, eine dumpfe Mißstimmung herrscht, die während der Ver- söhmmgsära keineswegs abgenommen, sondern unverkennbar noch zugenommen hat. Verschiedne Ursachen wirkten zusammen, um diese Unzufriedenheit hervor¬ zurufen und zu erhalten. Zunächst die im Laufe der Zeit sich fortwährend steigernde Abnahme und Erschwerung des kaufmännischen Erwerbes. Das Ge¬ sagte hier mit Zahlen zu belegen, verbietet der Raum. Die jedermann zugäng¬ lichen statistischen Ausweise der Handelskammer beweisen jedoch unwiderleglich, daß sowohl die Einfuhr als die Ausfuhr zwar langsam, aber konstant abnehmen. Weist einmal ein Jahresbericht eine Steigerung des Verkehres nach, so ist die¬ selbe besondern Ereignissen, wie etwa der Triester Ausstellung im Jahre 1832, oder politischen Komplikationen zuzuschreiben, welche eine vorübergehende Ände¬ rung herbeiführen. So hat, um nur eins zu erwähnen, der früher so bedeutende Export von Holz und Mahlprodukten in letzter Zeit eine sehr bedeutende Ein¬ buße erlitten, und zwar zu gunsten des von der ungarischen Regierung in jeder Weise unterstützten und geförderten Fiume, während Trieft, trotz jahrelangen Bittens und Bettelns, noch immer keine unabhängige Verbindung mit der Rndolf- bcchn und durch diese mit den großen Industriebezirken der Monarchie und mit Deutschland erlangen konnte. Klingt es nicht wie Hohn, wenn Hamburger Firmen dem Triester Publikum Kolonialwaaren zum Konsum anbieten, wenn Wien trotz der hohen Disagios seinen Bedarf in einer Reihe wichtiger Artikel nicht über Trieft, sondern in deutschen Seehäfen deckt? Daß nur die ausbeutende Tarifpolitik der Südbahn die Schuld an solchen Erscheinungen trägt, liegt auf der Hand. Es ist geradezu unbegreiflich, wie vollberechtigte Wünsche der Hafen¬ stadt, bei denen das eigne Interesse mit dem der Monarchie Hand in Hand geht, nicht nur bei der gegenwärtigen, sondern auch bei den früheren Regierungen taube Ohren fanden! Die von Österreich mit so großen Opfern gebaute Pon- tebbabahn kommt dem Handel — Venedigs zu gute! Trieft dagegen, Öster¬ reichs einziger Seehafen, eine Stadt, um deren Erwerbung, wie einmal vor Jahren ein hiesiger Fachmann zutreffend bemerkte, ein vom Meere getrennter Staat die Chancen eines großen Krieges wagen würde, hat das Nachsehen! Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß dieselben Mächte, welche kürzlich bei der Frage der Verstaatlichung der Nordbahn im österreichischen Parlamente den Sieg davontrugen, auch hierbei ihren gewaltigen Einfluß geltend machen. Ouörvlre? c>t on>u8 trouvörs-i — das bekannte Weltbaus! Damit ist alles gesagt. Wie rasch aber eine dem Triester Handel gebotene Erleichterung ihre Wirkungen fühlbar macht und die unvergleichlich vorteilhafte Lage des Platzes zur Geltung kommen läßt, beweist die Thatsache, daß sich nach Einführung der Differential¬ zölle sofort eine Reihe deutscher und österreichischer Kaffeeimportfirmen in Trieft etablirten, die durchaus keine Ursache zu Klagen haben. Welche gewaltige Um-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/465>, abgerufen am 22.07.2024.