Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Reisebriefe ans Italien vom Jahre ^832. Im Theater della Scala wurde nicht gespielt - wir waren daher auf dal Verine Mailand, 27. Oktober. Früh mit der Eisenbahn in etwa ^ Stunden nach der Certosa bei Pavia. Die Fresken, aus der Schule Luinis, dekorativ, doch vou angenehmer Wirkung. Die Architektur der Kreuzgänge mit feinster, lebensvollster Terracvttenplastik Turin, 28. Oktober. (Uötsl Borns lowmv.) Diese große Stadt (275 000 Einwohner) macht zunächst einen merkwürdig Der Dom ist durch die mit demselben unmittelbar verbundene Kqpelle des Reisebriefe ans Italien vom Jahre ^832. Im Theater della Scala wurde nicht gespielt - wir waren daher auf dal Verine Mailand, 27. Oktober. Früh mit der Eisenbahn in etwa ^ Stunden nach der Certosa bei Pavia. Die Fresken, aus der Schule Luinis, dekorativ, doch vou angenehmer Wirkung. Die Architektur der Kreuzgänge mit feinster, lebensvollster Terracvttenplastik Turin, 28. Oktober. (Uötsl Borns lowmv.) Diese große Stadt (275 000 Einwohner) macht zunächst einen merkwürdig Der Dom ist durch die mit demselben unmittelbar verbundene Kqpelle des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195809"/> <fw type="header" place="top"> Reisebriefe ans Italien vom Jahre ^832.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1458"> Im Theater della Scala wurde nicht gespielt - wir waren daher auf dal Verine<lb/> angewiesen, wo Amelia oder „Der Maskenball" recht gut gegeben wurde. Die<lb/> außerordentlich mäßigen Bewegungen der Sänger fallen auf, auch giebt man<lb/> hier — wie in ganz Italien — auf Ausstattung und Statisteutum gnruichts. Ein<lb/> mit außerordentlicher Verve getanztes Ballet schloß deu Abend. Die Vorstellung<lb/> dauerte vier Stunden, bis zwölf Uhr nachts. Ein Knabenpensionat (an seiner<lb/> Uniform kenntlich), das hinter uus faß, hatte auch so lange auszuhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1459"> Mailand, 27. Oktober.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460"> Früh mit der Eisenbahn in etwa ^ Stunden nach der Certosa bei Pavia.<lb/> Das Kloster liegt ganz einsam in fruchtbarem, vou zahlreichen Wassergräben durch¬<lb/> schnittenem Felde, und ist von einer Mauer umzogen, die ein Areal von der Größe<lb/> eines Rittergutes umschließt. Die Fassade der Kirche ist ein Nenaissancemarinorbau<lb/> von vielen feinen Einzelheiten, eine Fundgrube für das neuere Kunstgewerbe, aber<lb/> etwas unruhig, indem der Hintergrund einer massenhaften Plastik noch durch farbige<lb/> Inkrustation belebt wurde. Das Innere weitränmig, großartig; Uebergang aus<lb/> dein Romanischen ins Gothische, abgeschlossen durch Renaissance. Die Gewölbe<lb/> siud bemalt, und zwar abwechselnd mit einem netzartigen Muster und blau mit<lb/> goldnen Sternen. Im Chöre sind auch die Wandflächen mit großen Gemälden<lb/> geschmückt. Auf jeder Seite des Laugschiffes befinden sich sieben Kapellen, zum<lb/> Teil mit vorzüglichen Altargemälden von Borgvgnvne, Macrinv d'Alba, den ich<lb/> hier zum erstenmale fah. Borgognone hat zwanzig Jahre für diese Kirche gearbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1461"> Die Fresken, aus der Schule Luinis, dekorativ, doch vou angenehmer Wirkung.<lb/> Die Altäre mit kostbarer Mosaik von plaira, Aara, geschmückt. In den Seitenschiffen<lb/> die Grabmäler eines Sforza und des Galeazzo Visconti in Marmor, von hohem<lb/> Kunstwerte. Fein durchgebildete Bronze-Kandelaber. Die Chorstühle mit höchst<lb/> geschmackvollen Holzintarsien geschmückt — Holzmvsaiken in Sorrentiner Manier<lb/> von einer Größe, wie ich sie noch nie sah. Ich wundere mich, daß das neuere<lb/> Kunstgewerbe diese Technik so wenig berücksichtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1462"> Die Architektur der Kreuzgänge mit feinster, lebensvollster Terracvttenplastik<lb/> (Renaissance) geschmückt. Um den großen Kreuzgang liegen die Häuser für die<lb/> Mönche. Jeder hatte zwei Zimmer unter und eine Kammer oben, ein Gärtchen<lb/> mit Vigna und Loggia zum Spazierengehen bei Regen: für einen Cölibatär ganz<lb/> verlockend. Die armen weißen Einsiedler sind Vertrieben, nur der alte Bibliothekar<lb/> kommt täglich von Pavia herein. Das Ganze wird als öffentliches Monument<lb/> behandelt und, wie ich bekennen muß, gut konservirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1463"> Turin, 28. Oktober. (Uötsl Borns lowmv.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1464"> Diese große Stadt (275 000 Einwohner) macht zunächst einen merkwürdig<lb/> stillen Eindruck. Es kommt dies namentlich daher, daß alle größeren Straßen<lb/> durch breite Arkaden begleitet sind, welche deu ganzen Verkehr aufnehmen, und in<lb/> welche die Linden münden. In den Straßen selbst sieht man nur diejenigen,<lb/> welche traversiren. Dazu sind die Fenster überall durch Jalousien geschlossen, so<lb/> daß man, mitten in der Straße stehend, zuweilen den Eindruck eiues ganz ver-<lb/> lassenen Ortes hat. Handel und Wandel scheinen aber auch an und für sich nicht<lb/> fo bedeutend wie in Mailand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1465" next="#ID_1466"> Der Dom ist durch die mit demselben unmittelbar verbundene Kqpelle des<lb/> heiligen Leichentuches, die Grabkapelle der snvvyischen Fürsten, bemerkenswert.<lb/> Erdart von Guarini gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts; ein großartiges,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
Reisebriefe ans Italien vom Jahre ^832.
Im Theater della Scala wurde nicht gespielt - wir waren daher auf dal Verine
angewiesen, wo Amelia oder „Der Maskenball" recht gut gegeben wurde. Die
außerordentlich mäßigen Bewegungen der Sänger fallen auf, auch giebt man
hier — wie in ganz Italien — auf Ausstattung und Statisteutum gnruichts. Ein
mit außerordentlicher Verve getanztes Ballet schloß deu Abend. Die Vorstellung
dauerte vier Stunden, bis zwölf Uhr nachts. Ein Knabenpensionat (an seiner
Uniform kenntlich), das hinter uus faß, hatte auch so lange auszuhalten.
Mailand, 27. Oktober.
Früh mit der Eisenbahn in etwa ^ Stunden nach der Certosa bei Pavia.
Das Kloster liegt ganz einsam in fruchtbarem, vou zahlreichen Wassergräben durch¬
schnittenem Felde, und ist von einer Mauer umzogen, die ein Areal von der Größe
eines Rittergutes umschließt. Die Fassade der Kirche ist ein Nenaissancemarinorbau
von vielen feinen Einzelheiten, eine Fundgrube für das neuere Kunstgewerbe, aber
etwas unruhig, indem der Hintergrund einer massenhaften Plastik noch durch farbige
Inkrustation belebt wurde. Das Innere weitränmig, großartig; Uebergang aus
dein Romanischen ins Gothische, abgeschlossen durch Renaissance. Die Gewölbe
siud bemalt, und zwar abwechselnd mit einem netzartigen Muster und blau mit
goldnen Sternen. Im Chöre sind auch die Wandflächen mit großen Gemälden
geschmückt. Auf jeder Seite des Laugschiffes befinden sich sieben Kapellen, zum
Teil mit vorzüglichen Altargemälden von Borgvgnvne, Macrinv d'Alba, den ich
hier zum erstenmale fah. Borgognone hat zwanzig Jahre für diese Kirche gearbeitet.
Die Fresken, aus der Schule Luinis, dekorativ, doch vou angenehmer Wirkung.
Die Altäre mit kostbarer Mosaik von plaira, Aara, geschmückt. In den Seitenschiffen
die Grabmäler eines Sforza und des Galeazzo Visconti in Marmor, von hohem
Kunstwerte. Fein durchgebildete Bronze-Kandelaber. Die Chorstühle mit höchst
geschmackvollen Holzintarsien geschmückt — Holzmvsaiken in Sorrentiner Manier
von einer Größe, wie ich sie noch nie sah. Ich wundere mich, daß das neuere
Kunstgewerbe diese Technik so wenig berücksichtigt.
Die Architektur der Kreuzgänge mit feinster, lebensvollster Terracvttenplastik
(Renaissance) geschmückt. Um den großen Kreuzgang liegen die Häuser für die
Mönche. Jeder hatte zwei Zimmer unter und eine Kammer oben, ein Gärtchen
mit Vigna und Loggia zum Spazierengehen bei Regen: für einen Cölibatär ganz
verlockend. Die armen weißen Einsiedler sind Vertrieben, nur der alte Bibliothekar
kommt täglich von Pavia herein. Das Ganze wird als öffentliches Monument
behandelt und, wie ich bekennen muß, gut konservirt.
Turin, 28. Oktober. (Uötsl Borns lowmv.)
Diese große Stadt (275 000 Einwohner) macht zunächst einen merkwürdig
stillen Eindruck. Es kommt dies namentlich daher, daß alle größeren Straßen
durch breite Arkaden begleitet sind, welche deu ganzen Verkehr aufnehmen, und in
welche die Linden münden. In den Straßen selbst sieht man nur diejenigen,
welche traversiren. Dazu sind die Fenster überall durch Jalousien geschlossen, so
daß man, mitten in der Straße stehend, zuweilen den Eindruck eiues ganz ver-
lassenen Ortes hat. Handel und Wandel scheinen aber auch an und für sich nicht
fo bedeutend wie in Mailand.
Der Dom ist durch die mit demselben unmittelbar verbundene Kqpelle des
heiligen Leichentuches, die Grabkapelle der snvvyischen Fürsten, bemerkenswert.
Erdart von Guarini gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts; ein großartiges,
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