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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Reumonts Erinnerungen.

worden war und gelegentlich über einzelne Fragen seine Meinung zu äußern hatte,
und daß der König etwas von seinem Politischen Urteile hielt, während sein eignes
völlig unbeachtet blieb, mochte er es auch ungefragt oft äußern. In den Fahren
nach 1848 wurde Markus Niebuhr seine bsts noiis und war ihm mit dem Ge¬
neral Gerlach, Professor Stahl u. a. ein Dorn im Auge. . . . Soviel ich aber in
dieser Zeit mit ihm umgegangen bin, habe ich doch nie ein eigentlich unfreundliches
Wort über den König aus seinem Munde vernommen. ... Es war, als ob eine
gewisse Atmosphäre oder die Berührung mit einem Medium fVarnhagen und ver¬
wandte Geister^, dessen gehässige Gesinnung eine Art Einfluß auf ihn äußerte,
nötig gewesen wäre, um ihn zu dem bittern Spotte zu verleiten, wovon leider
nur zu schlimme Proben vorliegen.

An Karl Ritter schätzte der König die Beherrschung des gesamten geo¬
graphisch-historischen Gebietes, die Gabe der Kombination neben der plastischen
Darstellung, die mit der Humboldtschen wetteiferte, das lebendige religiöse Be¬
wußtsein und das demselben entsprechende Bestreben, die Ergebnisse der Wissen¬
schaft zu Gottes Ehre dienen zu lassen. An Ranke hatte er schon beim Er¬
scheinen seiner ersten Werke großen Anteil genommen. Ans anfänglichen Be¬
gegnungen, deren erste während Rankes erster italienischer Reise im Jahre 1829
stattfand, entwickelte sich ein näheres Verhältnis, und der geniale Historiker
wurde ein häufig und immer gern gesehener Gast im Schlosse und auf den Land¬
sitzen des Königs. Der letztere hat Rankes Beschciftignng mit heimatlicher Ge¬
schichte freudig begrüßt, aber nicht mehr die Arbeiten erlebt, in denen dieser
die Anfänge des preußischen Staates und andrerseits dessen neuere Geschichte
eingehend dargestellt hat. Dagegen konnte er die Erforschung und Darstellung
der vaterländischen Vergangenheit fördern, die, durch Raumer, Voigt, Mentzel
und Stenzel vor seiner Thronbesteigung eingeleitet und durch Rankes Beispiel
und meisterhafte Führung beeinflußt, zunächst an der Berliner Universität, dann
in ganz Deutschland zur schönsten Blüte gelangte. Raumer hatte dem König,
als er noch Kronprinz war, geschichtliche Vorträge gehalten, und seine vielseitige
historische und staatswissenschaftliche Bildung schien ihn dazu besonders zu be¬
fähigen. Aber er war keine Natur, welche Friedrich Wilhelm befriedigen konnte.
Obgleich sein bestes Werk, die noch jetzt vielfach anziehende und wertvolle Ge¬
schichte der Hohenstaufen, einem mittelalterlichen Stoffe gewidmet ist, war er
seinen Anschauungen, Gefühlen und Neigungen nach durchaus modern, ein Ge¬
misch von einem Liberalen französischen Zuschnittes und einem Liebhaber des
altpreußischen Büreaukratismus, das den mittelalterlichen Staatsorgcmismen
gegenüber, die den Romantikern als Ideal vorschwebten, anch eine Art Liberalis¬
mus ist. Von einer persönlichen Stellung Raumers zum Könige war nicht
die Rede, wenn auch erst mehrere Jahre nach dessen Regierungsantritt voll¬
ständige Entfremdung eintrat.

Mit den Berufungen von 1841 hatte der König, wie Reumont mit Bei¬
spielen begründet, nur zum Teil Glück. Abgesehen von Tieck beabsichtigte er


Reumonts Erinnerungen.

worden war und gelegentlich über einzelne Fragen seine Meinung zu äußern hatte,
und daß der König etwas von seinem Politischen Urteile hielt, während sein eignes
völlig unbeachtet blieb, mochte er es auch ungefragt oft äußern. In den Fahren
nach 1848 wurde Markus Niebuhr seine bsts noiis und war ihm mit dem Ge¬
neral Gerlach, Professor Stahl u. a. ein Dorn im Auge. . . . Soviel ich aber in
dieser Zeit mit ihm umgegangen bin, habe ich doch nie ein eigentlich unfreundliches
Wort über den König aus seinem Munde vernommen. ... Es war, als ob eine
gewisse Atmosphäre oder die Berührung mit einem Medium fVarnhagen und ver¬
wandte Geister^, dessen gehässige Gesinnung eine Art Einfluß auf ihn äußerte,
nötig gewesen wäre, um ihn zu dem bittern Spotte zu verleiten, wovon leider
nur zu schlimme Proben vorliegen.

An Karl Ritter schätzte der König die Beherrschung des gesamten geo¬
graphisch-historischen Gebietes, die Gabe der Kombination neben der plastischen
Darstellung, die mit der Humboldtschen wetteiferte, das lebendige religiöse Be¬
wußtsein und das demselben entsprechende Bestreben, die Ergebnisse der Wissen¬
schaft zu Gottes Ehre dienen zu lassen. An Ranke hatte er schon beim Er¬
scheinen seiner ersten Werke großen Anteil genommen. Ans anfänglichen Be¬
gegnungen, deren erste während Rankes erster italienischer Reise im Jahre 1829
stattfand, entwickelte sich ein näheres Verhältnis, und der geniale Historiker
wurde ein häufig und immer gern gesehener Gast im Schlosse und auf den Land¬
sitzen des Königs. Der letztere hat Rankes Beschciftignng mit heimatlicher Ge¬
schichte freudig begrüßt, aber nicht mehr die Arbeiten erlebt, in denen dieser
die Anfänge des preußischen Staates und andrerseits dessen neuere Geschichte
eingehend dargestellt hat. Dagegen konnte er die Erforschung und Darstellung
der vaterländischen Vergangenheit fördern, die, durch Raumer, Voigt, Mentzel
und Stenzel vor seiner Thronbesteigung eingeleitet und durch Rankes Beispiel
und meisterhafte Führung beeinflußt, zunächst an der Berliner Universität, dann
in ganz Deutschland zur schönsten Blüte gelangte. Raumer hatte dem König,
als er noch Kronprinz war, geschichtliche Vorträge gehalten, und seine vielseitige
historische und staatswissenschaftliche Bildung schien ihn dazu besonders zu be¬
fähigen. Aber er war keine Natur, welche Friedrich Wilhelm befriedigen konnte.
Obgleich sein bestes Werk, die noch jetzt vielfach anziehende und wertvolle Ge¬
schichte der Hohenstaufen, einem mittelalterlichen Stoffe gewidmet ist, war er
seinen Anschauungen, Gefühlen und Neigungen nach durchaus modern, ein Ge¬
misch von einem Liberalen französischen Zuschnittes und einem Liebhaber des
altpreußischen Büreaukratismus, das den mittelalterlichen Staatsorgcmismen
gegenüber, die den Romantikern als Ideal vorschwebten, anch eine Art Liberalis¬
mus ist. Von einer persönlichen Stellung Raumers zum Könige war nicht
die Rede, wenn auch erst mehrere Jahre nach dessen Regierungsantritt voll¬
ständige Entfremdung eintrat.

Mit den Berufungen von 1841 hatte der König, wie Reumont mit Bei¬
spielen begründet, nur zum Teil Glück. Abgesehen von Tieck beabsichtigte er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/401>, abgerufen am 22.07.2024.