Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

zukünftigen Handel bestimmt ist. Von hier aus können Dampfschiffe den pracht¬
vollen Fluß mehr als zweihundert Meilen weit ungehindert befahren. Dann kommen
die Stanley-Fälle, die man auf einer kurzen Landstraße umgeht, und hinter denen
der Fluß von neuem auf eine Strecke von hundertundzwanzig Meilen schiffbar
wird. Noch einmal tritt dem Verkehr auf dem Strome in Gestalt von Wasser¬
fällen ein Hindernis in den Weg, aber nachdem es durch eine wiederum nur
kurze Landreise umgangen ist, öffnet sich der Strom schließlich nochmals auf
zweihundert Meilen der Schifffahrt, dem Handel und der Gesittung, Kurz,
der Kongo darf als eine gewaltige Wasserstraße ins Herz von Afrika bezeichnet
werden, die an nicht mehr als einem halben Dutzend Stellen allerdings unter¬
brochen ist, und zwar nicht bloß wie die des Nil durch Untiefen und Strom¬
schnellen, welche bei hohem Wasserstande zu passiren sind, sondern durch Ka¬
tarakte, die zu allen Zeiten durch Straßen und Eisenbahnen umgangen werden
müssen. Sind die letztern geschaffen, so wird der zivilisirten Welt ein frucht¬
bares Gebiet, reich an Rohmaterial und nicht arm an Menschen, die es in Fabri¬
kate verwandelt kaufen können, erschlossen sein. Bis auf Livingstone und Stanley
war der Hauptgegenstand des Handels in diesen Ländern geraubtes Menschen¬
fleisch, mit dessen Vertrieb sich Araber und Portugiesen in edelm Wetteifer be¬
faßten, und das hatte auf weite Strecken hin Entvölkerung zur Folge, Ein
neuerer Reisender, der den untern Kongo befuhr, fand "das Land zu beiden
Seiten spärlich bewohnt und nur wenige größere Ortschaften," Er fügt hinzu:
"Der Sklavenhandel, der hier noch vor kurzem schwungreich betrieben wurde,
trug wesentlich dazu bei, das Land zu veröden. Er hörte endlich auf, aber nicht
eher, als bis er ganze Distrikte am untern Laufe des Flusses des größern
Teiles ihrer Bewohner beraubt hatte. Weiter im Binnenlande ist die Bevölke¬
rung dichter, aber es würde eine Anomalie sein, wenn Weiße, welche den Ein-
gebornen soviel Elend verursacht haben, jetzt unbelnstigt durch diese Gegenden
ziehen und sogar gastfreie Aufnahme finden sollten. Ein Häuptling war sogar
der Ansicht, daß alle weißen Leute, die nach dem Kongo kämen, Verbrecher
wären, die man in ihrem eignen Lande nicht duldete, und die deshalb ihr
Fortkommen in Afrika suchen müßten -- eine Meinung, die sehr erklärlich er¬
scheint, wenn man sich erinnert, daß die Portugiesen ihre Besitzungen in diesem
Teile der Welt zu Verbrecherkolonien machten, und daß Angola noch heute
diesen Charakter trägt." Von jetzt an wird sich hier erlaubter Handel ent¬
wickeln und das Geschäft in Sklaven nicht nur im Kongostaate, sondern auch
in den Nachbarkolonien verdrängen.

Der Handel, zu dem mit der neuen Ordnung der Dinge am Kongo der
Grund gelegt werden soll, wird zunächst den Belgiern, nächst diesen aber in
erster Linie den Engländern zugute kommen. Afrika wird mit der Zeit einer
der großen englischen Märkte werden. Die englischen Fabrikanten haben in
den letzten Jahren erfolgreiche Nebenbuhler entstehen sehen und vielfach an


zukünftigen Handel bestimmt ist. Von hier aus können Dampfschiffe den pracht¬
vollen Fluß mehr als zweihundert Meilen weit ungehindert befahren. Dann kommen
die Stanley-Fälle, die man auf einer kurzen Landstraße umgeht, und hinter denen
der Fluß von neuem auf eine Strecke von hundertundzwanzig Meilen schiffbar
wird. Noch einmal tritt dem Verkehr auf dem Strome in Gestalt von Wasser¬
fällen ein Hindernis in den Weg, aber nachdem es durch eine wiederum nur
kurze Landreise umgangen ist, öffnet sich der Strom schließlich nochmals auf
zweihundert Meilen der Schifffahrt, dem Handel und der Gesittung, Kurz,
der Kongo darf als eine gewaltige Wasserstraße ins Herz von Afrika bezeichnet
werden, die an nicht mehr als einem halben Dutzend Stellen allerdings unter¬
brochen ist, und zwar nicht bloß wie die des Nil durch Untiefen und Strom¬
schnellen, welche bei hohem Wasserstande zu passiren sind, sondern durch Ka¬
tarakte, die zu allen Zeiten durch Straßen und Eisenbahnen umgangen werden
müssen. Sind die letztern geschaffen, so wird der zivilisirten Welt ein frucht¬
bares Gebiet, reich an Rohmaterial und nicht arm an Menschen, die es in Fabri¬
kate verwandelt kaufen können, erschlossen sein. Bis auf Livingstone und Stanley
war der Hauptgegenstand des Handels in diesen Ländern geraubtes Menschen¬
fleisch, mit dessen Vertrieb sich Araber und Portugiesen in edelm Wetteifer be¬
faßten, und das hatte auf weite Strecken hin Entvölkerung zur Folge, Ein
neuerer Reisender, der den untern Kongo befuhr, fand „das Land zu beiden
Seiten spärlich bewohnt und nur wenige größere Ortschaften," Er fügt hinzu:
„Der Sklavenhandel, der hier noch vor kurzem schwungreich betrieben wurde,
trug wesentlich dazu bei, das Land zu veröden. Er hörte endlich auf, aber nicht
eher, als bis er ganze Distrikte am untern Laufe des Flusses des größern
Teiles ihrer Bewohner beraubt hatte. Weiter im Binnenlande ist die Bevölke¬
rung dichter, aber es würde eine Anomalie sein, wenn Weiße, welche den Ein-
gebornen soviel Elend verursacht haben, jetzt unbelnstigt durch diese Gegenden
ziehen und sogar gastfreie Aufnahme finden sollten. Ein Häuptling war sogar
der Ansicht, daß alle weißen Leute, die nach dem Kongo kämen, Verbrecher
wären, die man in ihrem eignen Lande nicht duldete, und die deshalb ihr
Fortkommen in Afrika suchen müßten — eine Meinung, die sehr erklärlich er¬
scheint, wenn man sich erinnert, daß die Portugiesen ihre Besitzungen in diesem
Teile der Welt zu Verbrecherkolonien machten, und daß Angola noch heute
diesen Charakter trägt." Von jetzt an wird sich hier erlaubter Handel ent¬
wickeln und das Geschäft in Sklaven nicht nur im Kongostaate, sondern auch
in den Nachbarkolonien verdrängen.

Der Handel, zu dem mit der neuen Ordnung der Dinge am Kongo der
Grund gelegt werden soll, wird zunächst den Belgiern, nächst diesen aber in
erster Linie den Engländern zugute kommen. Afrika wird mit der Zeit einer
der großen englischen Märkte werden. Die englischen Fabrikanten haben in
den letzten Jahren erfolgreiche Nebenbuhler entstehen sehen und vielfach an


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195782"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1370" prev="#ID_1369"> zukünftigen Handel bestimmt ist. Von hier aus können Dampfschiffe den pracht¬<lb/>
vollen Fluß mehr als zweihundert Meilen weit ungehindert befahren. Dann kommen<lb/>
die Stanley-Fälle, die man auf einer kurzen Landstraße umgeht, und hinter denen<lb/>
der Fluß von neuem auf eine Strecke von hundertundzwanzig Meilen schiffbar<lb/>
wird. Noch einmal tritt dem Verkehr auf dem Strome in Gestalt von Wasser¬<lb/>
fällen ein Hindernis in den Weg, aber nachdem es durch eine wiederum nur<lb/>
kurze Landreise umgangen ist, öffnet sich der Strom schließlich nochmals auf<lb/>
zweihundert Meilen der Schifffahrt, dem Handel und der Gesittung, Kurz,<lb/>
der Kongo darf als eine gewaltige Wasserstraße ins Herz von Afrika bezeichnet<lb/>
werden, die an nicht mehr als einem halben Dutzend Stellen allerdings unter¬<lb/>
brochen ist, und zwar nicht bloß wie die des Nil durch Untiefen und Strom¬<lb/>
schnellen, welche bei hohem Wasserstande zu passiren sind, sondern durch Ka¬<lb/>
tarakte, die zu allen Zeiten durch Straßen und Eisenbahnen umgangen werden<lb/>
müssen. Sind die letztern geschaffen, so wird der zivilisirten Welt ein frucht¬<lb/>
bares Gebiet, reich an Rohmaterial und nicht arm an Menschen, die es in Fabri¬<lb/>
kate verwandelt kaufen können, erschlossen sein. Bis auf Livingstone und Stanley<lb/>
war der Hauptgegenstand des Handels in diesen Ländern geraubtes Menschen¬<lb/>
fleisch, mit dessen Vertrieb sich Araber und Portugiesen in edelm Wetteifer be¬<lb/>
faßten, und das hatte auf weite Strecken hin Entvölkerung zur Folge, Ein<lb/>
neuerer Reisender, der den untern Kongo befuhr, fand &#x201E;das Land zu beiden<lb/>
Seiten spärlich bewohnt und nur wenige größere Ortschaften," Er fügt hinzu:<lb/>
&#x201E;Der Sklavenhandel, der hier noch vor kurzem schwungreich betrieben wurde,<lb/>
trug wesentlich dazu bei, das Land zu veröden. Er hörte endlich auf, aber nicht<lb/>
eher, als bis er ganze Distrikte am untern Laufe des Flusses des größern<lb/>
Teiles ihrer Bewohner beraubt hatte. Weiter im Binnenlande ist die Bevölke¬<lb/>
rung dichter, aber es würde eine Anomalie sein, wenn Weiße, welche den Ein-<lb/>
gebornen soviel Elend verursacht haben, jetzt unbelnstigt durch diese Gegenden<lb/>
ziehen und sogar gastfreie Aufnahme finden sollten. Ein Häuptling war sogar<lb/>
der Ansicht, daß alle weißen Leute, die nach dem Kongo kämen, Verbrecher<lb/>
wären, die man in ihrem eignen Lande nicht duldete, und die deshalb ihr<lb/>
Fortkommen in Afrika suchen müßten &#x2014; eine Meinung, die sehr erklärlich er¬<lb/>
scheint, wenn man sich erinnert, daß die Portugiesen ihre Besitzungen in diesem<lb/>
Teile der Welt zu Verbrecherkolonien machten, und daß Angola noch heute<lb/>
diesen Charakter trägt." Von jetzt an wird sich hier erlaubter Handel ent¬<lb/>
wickeln und das Geschäft in Sklaven nicht nur im Kongostaate, sondern auch<lb/>
in den Nachbarkolonien verdrängen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1371" next="#ID_1372"> Der Handel, zu dem mit der neuen Ordnung der Dinge am Kongo der<lb/>
Grund gelegt werden soll, wird zunächst den Belgiern, nächst diesen aber in<lb/>
erster Linie den Engländern zugute kommen. Afrika wird mit der Zeit einer<lb/>
der großen englischen Märkte werden. Die englischen Fabrikanten haben in<lb/>
den letzten Jahren erfolgreiche Nebenbuhler entstehen sehen und vielfach an</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0393] zukünftigen Handel bestimmt ist. Von hier aus können Dampfschiffe den pracht¬ vollen Fluß mehr als zweihundert Meilen weit ungehindert befahren. Dann kommen die Stanley-Fälle, die man auf einer kurzen Landstraße umgeht, und hinter denen der Fluß von neuem auf eine Strecke von hundertundzwanzig Meilen schiffbar wird. Noch einmal tritt dem Verkehr auf dem Strome in Gestalt von Wasser¬ fällen ein Hindernis in den Weg, aber nachdem es durch eine wiederum nur kurze Landreise umgangen ist, öffnet sich der Strom schließlich nochmals auf zweihundert Meilen der Schifffahrt, dem Handel und der Gesittung, Kurz, der Kongo darf als eine gewaltige Wasserstraße ins Herz von Afrika bezeichnet werden, die an nicht mehr als einem halben Dutzend Stellen allerdings unter¬ brochen ist, und zwar nicht bloß wie die des Nil durch Untiefen und Strom¬ schnellen, welche bei hohem Wasserstande zu passiren sind, sondern durch Ka¬ tarakte, die zu allen Zeiten durch Straßen und Eisenbahnen umgangen werden müssen. Sind die letztern geschaffen, so wird der zivilisirten Welt ein frucht¬ bares Gebiet, reich an Rohmaterial und nicht arm an Menschen, die es in Fabri¬ kate verwandelt kaufen können, erschlossen sein. Bis auf Livingstone und Stanley war der Hauptgegenstand des Handels in diesen Ländern geraubtes Menschen¬ fleisch, mit dessen Vertrieb sich Araber und Portugiesen in edelm Wetteifer be¬ faßten, und das hatte auf weite Strecken hin Entvölkerung zur Folge, Ein neuerer Reisender, der den untern Kongo befuhr, fand „das Land zu beiden Seiten spärlich bewohnt und nur wenige größere Ortschaften," Er fügt hinzu: „Der Sklavenhandel, der hier noch vor kurzem schwungreich betrieben wurde, trug wesentlich dazu bei, das Land zu veröden. Er hörte endlich auf, aber nicht eher, als bis er ganze Distrikte am untern Laufe des Flusses des größern Teiles ihrer Bewohner beraubt hatte. Weiter im Binnenlande ist die Bevölke¬ rung dichter, aber es würde eine Anomalie sein, wenn Weiße, welche den Ein- gebornen soviel Elend verursacht haben, jetzt unbelnstigt durch diese Gegenden ziehen und sogar gastfreie Aufnahme finden sollten. Ein Häuptling war sogar der Ansicht, daß alle weißen Leute, die nach dem Kongo kämen, Verbrecher wären, die man in ihrem eignen Lande nicht duldete, und die deshalb ihr Fortkommen in Afrika suchen müßten — eine Meinung, die sehr erklärlich er¬ scheint, wenn man sich erinnert, daß die Portugiesen ihre Besitzungen in diesem Teile der Welt zu Verbrecherkolonien machten, und daß Angola noch heute diesen Charakter trägt." Von jetzt an wird sich hier erlaubter Handel ent¬ wickeln und das Geschäft in Sklaven nicht nur im Kongostaate, sondern auch in den Nachbarkolonien verdrängen. Der Handel, zu dem mit der neuen Ordnung der Dinge am Kongo der Grund gelegt werden soll, wird zunächst den Belgiern, nächst diesen aber in erster Linie den Engländern zugute kommen. Afrika wird mit der Zeit einer der großen englischen Märkte werden. Die englischen Fabrikanten haben in den letzten Jahren erfolgreiche Nebenbuhler entstehen sehen und vielfach an

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/393
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/393>, abgerufen am 22.07.2024.