Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Um der Lösung seiner schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, beschränkt
sich der Verfasser auf den ihm besonders bekannten westlichen und nordwest¬
lichen Teil von Thüringen, Er zeigt zunächst, daß der geognostische Ban des
Waldgebirges ein außerordentlich mannichfaltiger ist; dadurch wird sowohl die
Anmut der Landschaft als auch die Vielseitigkeit des Bodens erzeugt.

Außer der Bodenbeschaffenheit sind aber für den menschlichen Anbau die
klimatischen Verhältnisse von großer Bedeutung; denn sie bewirken den Reichtum
des Niederschlages, und von jeher haben die von den Gebirgen herabkommenden
Wasseradern zur Ansiedlung an ihren Rändern gelockt: Mau denke nur an die
balneologische Verwertung des Wassers in den letzten vierzig Jahren! Welch
einen Aufschwung haben eine ganze Anzahl Städtchen durch Errichtung von
Bädern und Kaltwasserheilanstalten genommen!

Bodenart und Klima wirken ein auf die Beschaffenheit der Pflanzendecke
und vorzüglich derjenigen Vegetation, welche den Bewohnern zur Grundlage
ihrer Existenz dient. Daher kommen hier nicht einzelne Pflanzenarten in Be¬
tracht, sondern Feldfrüchte, Wiesengräser und Waldbäume. So hat der Kampf
ums Dasein die Menschen auch hier gezwungen, den Getreidebau an immer höheren
Stellen zu versuchen und der Wald- und Wiesenpflege die größte Sorgfalt zuzu¬
wenden ; erst dadurch ist die Besiedlung des Gebirges bis auf den Kamm mög¬
lich geworden.

Es ist nun höchst lehrreich, uuter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse
der Entwicklung des Verkehrs im Thünngerwaldc nachzuspüren: da zeigt sich
denn, daß in der karolingischen Zeit erst die Unkunde desselben aus dein Dunkel
der Vorzeit heraustreten. Historische Nachrichten sind wenige vorhanden; einen
Rückschluß auf die Beschaffenheit des Landes gestatten nur die zuerst vorkom¬
mende,? Ortsnamen, es sind Bezeichnungen für Sumpf, Moor, Ried, Wald,
Gebüsch u. s. w., worauf Namen wie Susi, Strut, Tambach zurückzuführen
sind; danach zu schließen, wird der Waldbcstand damals ein wesentlich andrer
gewesen sein als jetzt: wo heute als Hauptmasse die Fichte vorherrscht, erhoben
sich früher ans einem Buschwerk von Unterholz, das sich ans Eibe, Hasel und
Schiebe znsnmmeusetzte, Weißtannen und Laubbäume. Dem Charakter des
Waldes angemessen war die Tierwelt, die im Buschwerk Unterhalt und geeignete
Schlupfwinkel fand. Erst seit der Einführung einer geordneten Schlagwirt¬
schaft im sechzehnten Jahrhundert wird dein Raubzeug nach und nach ein Ende
gemacht.

Daß uuter solchen Umständen das Gebirge mir auf schmalen Pfaden durch¬
kreuzt werdeu konnte, ist natürlich; von einem Verkehr über dasselbe findet man
kaum eine Spur. Aber mit dem gesteigerten Anbau des umgebenden Laudes
wurde das Gebirge unbequem in seiner vcrkehrhemmenden Lage, und man
versuchte breitere Wege darüber anzulegen. Der Zug und der Verlauf derselben
ächtet sich "ach der Beschaffenheit des Gebirges und des Umlandes.


Um der Lösung seiner schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, beschränkt
sich der Verfasser auf den ihm besonders bekannten westlichen und nordwest¬
lichen Teil von Thüringen, Er zeigt zunächst, daß der geognostische Ban des
Waldgebirges ein außerordentlich mannichfaltiger ist; dadurch wird sowohl die
Anmut der Landschaft als auch die Vielseitigkeit des Bodens erzeugt.

Außer der Bodenbeschaffenheit sind aber für den menschlichen Anbau die
klimatischen Verhältnisse von großer Bedeutung; denn sie bewirken den Reichtum
des Niederschlages, und von jeher haben die von den Gebirgen herabkommenden
Wasseradern zur Ansiedlung an ihren Rändern gelockt: Mau denke nur an die
balneologische Verwertung des Wassers in den letzten vierzig Jahren! Welch
einen Aufschwung haben eine ganze Anzahl Städtchen durch Errichtung von
Bädern und Kaltwasserheilanstalten genommen!

Bodenart und Klima wirken ein auf die Beschaffenheit der Pflanzendecke
und vorzüglich derjenigen Vegetation, welche den Bewohnern zur Grundlage
ihrer Existenz dient. Daher kommen hier nicht einzelne Pflanzenarten in Be¬
tracht, sondern Feldfrüchte, Wiesengräser und Waldbäume. So hat der Kampf
ums Dasein die Menschen auch hier gezwungen, den Getreidebau an immer höheren
Stellen zu versuchen und der Wald- und Wiesenpflege die größte Sorgfalt zuzu¬
wenden ; erst dadurch ist die Besiedlung des Gebirges bis auf den Kamm mög¬
lich geworden.

Es ist nun höchst lehrreich, uuter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse
der Entwicklung des Verkehrs im Thünngerwaldc nachzuspüren: da zeigt sich
denn, daß in der karolingischen Zeit erst die Unkunde desselben aus dein Dunkel
der Vorzeit heraustreten. Historische Nachrichten sind wenige vorhanden; einen
Rückschluß auf die Beschaffenheit des Landes gestatten nur die zuerst vorkom¬
mende,? Ortsnamen, es sind Bezeichnungen für Sumpf, Moor, Ried, Wald,
Gebüsch u. s. w., worauf Namen wie Susi, Strut, Tambach zurückzuführen
sind; danach zu schließen, wird der Waldbcstand damals ein wesentlich andrer
gewesen sein als jetzt: wo heute als Hauptmasse die Fichte vorherrscht, erhoben
sich früher ans einem Buschwerk von Unterholz, das sich ans Eibe, Hasel und
Schiebe znsnmmeusetzte, Weißtannen und Laubbäume. Dem Charakter des
Waldes angemessen war die Tierwelt, die im Buschwerk Unterhalt und geeignete
Schlupfwinkel fand. Erst seit der Einführung einer geordneten Schlagwirt¬
schaft im sechzehnten Jahrhundert wird dein Raubzeug nach und nach ein Ende
gemacht.

Daß uuter solchen Umständen das Gebirge mir auf schmalen Pfaden durch¬
kreuzt werdeu konnte, ist natürlich; von einem Verkehr über dasselbe findet man
kaum eine Spur. Aber mit dem gesteigerten Anbau des umgebenden Laudes
wurde das Gebirge unbequem in seiner vcrkehrhemmenden Lage, und man
versuchte breitere Wege darüber anzulegen. Der Zug und der Verlauf derselben
ächtet sich »ach der Beschaffenheit des Gebirges und des Umlandes.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195421"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_76"> Um der Lösung seiner schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, beschränkt<lb/>
sich der Verfasser auf den ihm besonders bekannten westlichen und nordwest¬<lb/>
lichen Teil von Thüringen, Er zeigt zunächst, daß der geognostische Ban des<lb/>
Waldgebirges ein außerordentlich mannichfaltiger ist; dadurch wird sowohl die<lb/>
Anmut der Landschaft als auch die Vielseitigkeit des Bodens erzeugt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_77"> Außer der Bodenbeschaffenheit sind aber für den menschlichen Anbau die<lb/>
klimatischen Verhältnisse von großer Bedeutung; denn sie bewirken den Reichtum<lb/>
des Niederschlages, und von jeher haben die von den Gebirgen herabkommenden<lb/>
Wasseradern zur Ansiedlung an ihren Rändern gelockt: Mau denke nur an die<lb/>
balneologische Verwertung des Wassers in den letzten vierzig Jahren! Welch<lb/>
einen Aufschwung haben eine ganze Anzahl Städtchen durch Errichtung von<lb/>
Bädern und Kaltwasserheilanstalten genommen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_78"> Bodenart und Klima wirken ein auf die Beschaffenheit der Pflanzendecke<lb/>
und vorzüglich derjenigen Vegetation, welche den Bewohnern zur Grundlage<lb/>
ihrer Existenz dient. Daher kommen hier nicht einzelne Pflanzenarten in Be¬<lb/>
tracht, sondern Feldfrüchte, Wiesengräser und Waldbäume. So hat der Kampf<lb/>
ums Dasein die Menschen auch hier gezwungen, den Getreidebau an immer höheren<lb/>
Stellen zu versuchen und der Wald- und Wiesenpflege die größte Sorgfalt zuzu¬<lb/>
wenden ; erst dadurch ist die Besiedlung des Gebirges bis auf den Kamm mög¬<lb/>
lich geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_79"> Es ist nun höchst lehrreich, uuter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse<lb/>
der Entwicklung des Verkehrs im Thünngerwaldc nachzuspüren: da zeigt sich<lb/>
denn, daß in der karolingischen Zeit erst die Unkunde desselben aus dein Dunkel<lb/>
der Vorzeit heraustreten. Historische Nachrichten sind wenige vorhanden; einen<lb/>
Rückschluß auf die Beschaffenheit des Landes gestatten nur die zuerst vorkom¬<lb/>
mende,? Ortsnamen, es sind Bezeichnungen für Sumpf, Moor, Ried, Wald,<lb/>
Gebüsch u. s. w., worauf Namen wie Susi, Strut, Tambach zurückzuführen<lb/>
sind; danach zu schließen, wird der Waldbcstand damals ein wesentlich andrer<lb/>
gewesen sein als jetzt: wo heute als Hauptmasse die Fichte vorherrscht, erhoben<lb/>
sich früher ans einem Buschwerk von Unterholz, das sich ans Eibe, Hasel und<lb/>
Schiebe znsnmmeusetzte, Weißtannen und Laubbäume. Dem Charakter des<lb/>
Waldes angemessen war die Tierwelt, die im Buschwerk Unterhalt und geeignete<lb/>
Schlupfwinkel fand. Erst seit der Einführung einer geordneten Schlagwirt¬<lb/>
schaft im sechzehnten Jahrhundert wird dein Raubzeug nach und nach ein Ende<lb/>
gemacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_80"> Daß uuter solchen Umständen das Gebirge mir auf schmalen Pfaden durch¬<lb/>
kreuzt werdeu konnte, ist natürlich; von einem Verkehr über dasselbe findet man<lb/>
kaum eine Spur. Aber mit dem gesteigerten Anbau des umgebenden Laudes<lb/>
wurde das Gebirge unbequem in seiner vcrkehrhemmenden Lage, und man<lb/>
versuchte breitere Wege darüber anzulegen. Der Zug und der Verlauf derselben<lb/>
ächtet sich »ach der Beschaffenheit des Gebirges und des Umlandes.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Um der Lösung seiner schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, beschränkt sich der Verfasser auf den ihm besonders bekannten westlichen und nordwest¬ lichen Teil von Thüringen, Er zeigt zunächst, daß der geognostische Ban des Waldgebirges ein außerordentlich mannichfaltiger ist; dadurch wird sowohl die Anmut der Landschaft als auch die Vielseitigkeit des Bodens erzeugt. Außer der Bodenbeschaffenheit sind aber für den menschlichen Anbau die klimatischen Verhältnisse von großer Bedeutung; denn sie bewirken den Reichtum des Niederschlages, und von jeher haben die von den Gebirgen herabkommenden Wasseradern zur Ansiedlung an ihren Rändern gelockt: Mau denke nur an die balneologische Verwertung des Wassers in den letzten vierzig Jahren! Welch einen Aufschwung haben eine ganze Anzahl Städtchen durch Errichtung von Bädern und Kaltwasserheilanstalten genommen! Bodenart und Klima wirken ein auf die Beschaffenheit der Pflanzendecke und vorzüglich derjenigen Vegetation, welche den Bewohnern zur Grundlage ihrer Existenz dient. Daher kommen hier nicht einzelne Pflanzenarten in Be¬ tracht, sondern Feldfrüchte, Wiesengräser und Waldbäume. So hat der Kampf ums Dasein die Menschen auch hier gezwungen, den Getreidebau an immer höheren Stellen zu versuchen und der Wald- und Wiesenpflege die größte Sorgfalt zuzu¬ wenden ; erst dadurch ist die Besiedlung des Gebirges bis auf den Kamm mög¬ lich geworden. Es ist nun höchst lehrreich, uuter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse der Entwicklung des Verkehrs im Thünngerwaldc nachzuspüren: da zeigt sich denn, daß in der karolingischen Zeit erst die Unkunde desselben aus dein Dunkel der Vorzeit heraustreten. Historische Nachrichten sind wenige vorhanden; einen Rückschluß auf die Beschaffenheit des Landes gestatten nur die zuerst vorkom¬ mende,? Ortsnamen, es sind Bezeichnungen für Sumpf, Moor, Ried, Wald, Gebüsch u. s. w., worauf Namen wie Susi, Strut, Tambach zurückzuführen sind; danach zu schließen, wird der Waldbcstand damals ein wesentlich andrer gewesen sein als jetzt: wo heute als Hauptmasse die Fichte vorherrscht, erhoben sich früher ans einem Buschwerk von Unterholz, das sich ans Eibe, Hasel und Schiebe znsnmmeusetzte, Weißtannen und Laubbäume. Dem Charakter des Waldes angemessen war die Tierwelt, die im Buschwerk Unterhalt und geeignete Schlupfwinkel fand. Erst seit der Einführung einer geordneten Schlagwirt¬ schaft im sechzehnten Jahrhundert wird dein Raubzeug nach und nach ein Ende gemacht. Daß uuter solchen Umständen das Gebirge mir auf schmalen Pfaden durch¬ kreuzt werdeu konnte, ist natürlich; von einem Verkehr über dasselbe findet man kaum eine Spur. Aber mit dem gesteigerten Anbau des umgebenden Laudes wurde das Gebirge unbequem in seiner vcrkehrhemmenden Lage, und man versuchte breitere Wege darüber anzulegen. Der Zug und der Verlauf derselben ächtet sich »ach der Beschaffenheit des Gebirges und des Umlandes.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/32>, abgerufen am 07.01.2025.