Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments. ihre Befugnis überschritten und den gesetzlichen Boden verlassen, forderte die Da begann auch N, wieder trüber in die Zukunft zu blicken. Er fand Bald kamen indes die Dinge ins Rollen, nur in sehr verhängnisvoller Der tiefe Gegensatz ist klar: die Mehrheit hielt, so gering die Aussichten waren, Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments. ihre Befugnis überschritten und den gesetzlichen Boden verlassen, forderte die Da begann auch N, wieder trüber in die Zukunft zu blicken. Er fand Bald kamen indes die Dinge ins Rollen, nur in sehr verhängnisvoller Der tiefe Gegensatz ist klar: die Mehrheit hielt, so gering die Aussichten waren, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195637"/> <fw type="header" place="top"> Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments.</fw><lb/> <p xml:id="ID_861" prev="#ID_860"> ihre Befugnis überschritten und den gesetzlichen Boden verlassen, forderte die<lb/> österreichischen Abgeordneten deshalb auf, ihr Mnudnt niederzulegen, und erklärte<lb/> gleichzeitig, Österreich gedenke seine Stellung im Bunde keineswegs aufzugeben,<lb/> vielmehr an dem Schicksale seiner Bundesgenossen wie früher werkthätigen Anteil<lb/> zu nehmen. Das hieß mit andern Worten: der Kaiserstaat verweigerte nicht nur<lb/> die Unterwerfung unter die Reichsverfassung, sondern hinderte auch das außer-<lb/> östcrreichische Deutschland, sich selbständig zu konstituiren, während Preußen<lb/> noch immer keinen festen Entschluß zu fassen vermochte. Es war der offene<lb/> Absagebrief und die Ankündigung der österreichischen Einmischung.</p><lb/> <p xml:id="ID_862"> Da begann auch N, wieder trüber in die Zukunft zu blicken. Er fand<lb/> das Leben in Frankfurt ohne wissenschaftliche Arbeit unerträglich; mißmutig<lb/> schrieb er am 20. April: „Die deutscheu Angelegenheiten wollen nicht vorwärts;<lb/> alles schwankt, zögert und schüttelt den Kopf."</p><lb/> <p xml:id="ID_863"> Bald kamen indes die Dinge ins Rollen, nur in sehr verhängnisvoller<lb/> Richtung. Aus Stuttgart hatte mau am 21. die Nachricht, daß daß Mini¬<lb/> sterium der Weigerung des Königs gegenüber, die Reichsverfassung anzuerkennen,<lb/> seine Entlassung gegeben, und der Landtag sich für diese Anerkennung einmütig<lb/> ausgesprochen habe. So begannen am 23. April die Verhandlungen über den<lb/> Bericht des Drcißigerausschusses. Das Mehrheitsgntachten empfahl folgendes<lb/> zu erklären: Die Annahme der Kaiserkrone setze die Anerkennung der Reichs-<lb/> verfassung voraus; die Nationalversammlung fordere zu dieser Anerkennung<lb/> nunmehr sämtliche Regierungen auf, »vorauf ixso iur«z die Kaiserwürde in Wirk¬<lb/> samkeit trete, ersuche die Zentralgewalt dafür einzutreten und lasse den Dreißiger¬<lb/> ausschuß zur Vorbereitung der etwa notwendigen Maßregeln bestehen. Dagegen<lb/> beantragte das Gutachten der einen Gruppe der Minderheit (Simon !.Trier^ und<lb/> Vogt IGießen!): die Kaiserwahl Friedrich Wilhelms des Vierten für erledigt zu<lb/> erklären, sofort aus dem Parlcuneute selbst durch einfache Majorität eine Neichs-<lb/> regeutschaft von fünf Mitgliedern zu erwählen, welche den Reichstag zur Vor¬<lb/> nahme der Kaiserwahl auf den 1. Juni berufe, die sofortige Vereidigung aller<lb/> Beamten, Truppen und Bnrgerwehrcn auf die Verfassung verfüge, für die un¬<lb/> verzügliche Bildung einer ausreichenden Streitmacht zum Schutze des Parlaments<lb/> und zur Durchführung der Verfassung Sorge trage, endlich die eiuzclstaatlichen<lb/> Landtage aufzufordern, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln diese<lb/> Durchführung zu unterstützen und einen Aufruf an das Volk in demselben<lb/> Sinne zu richten. Die zweite Gruppe der Minderheit (Raveaux MlnZ) wollte<lb/> die Durchführung dieser Beschlüsse der bestehenden Zentralgewalt anvertraut<lb/> wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_864" next="#ID_865"> Der tiefe Gegensatz ist klar: die Mehrheit hielt, so gering die Aussichten waren,<lb/> nu der Möglichkeit mit gesetzlichen Mitteln das Ziel zu erreichen, noch immer<lb/> fest; die Minderheit erkannte unzweifelhaft richtig, daß vou einer solchen uicht<lb/> mehr die Rede sei, und empfahl deshalb mit klarem Bewußtsein den Weg der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
Aus den letzten Tagen des Frankfurter Parlaments.
ihre Befugnis überschritten und den gesetzlichen Boden verlassen, forderte die
österreichischen Abgeordneten deshalb auf, ihr Mnudnt niederzulegen, und erklärte
gleichzeitig, Österreich gedenke seine Stellung im Bunde keineswegs aufzugeben,
vielmehr an dem Schicksale seiner Bundesgenossen wie früher werkthätigen Anteil
zu nehmen. Das hieß mit andern Worten: der Kaiserstaat verweigerte nicht nur
die Unterwerfung unter die Reichsverfassung, sondern hinderte auch das außer-
östcrreichische Deutschland, sich selbständig zu konstituiren, während Preußen
noch immer keinen festen Entschluß zu fassen vermochte. Es war der offene
Absagebrief und die Ankündigung der österreichischen Einmischung.
Da begann auch N, wieder trüber in die Zukunft zu blicken. Er fand
das Leben in Frankfurt ohne wissenschaftliche Arbeit unerträglich; mißmutig
schrieb er am 20. April: „Die deutscheu Angelegenheiten wollen nicht vorwärts;
alles schwankt, zögert und schüttelt den Kopf."
Bald kamen indes die Dinge ins Rollen, nur in sehr verhängnisvoller
Richtung. Aus Stuttgart hatte mau am 21. die Nachricht, daß daß Mini¬
sterium der Weigerung des Königs gegenüber, die Reichsverfassung anzuerkennen,
seine Entlassung gegeben, und der Landtag sich für diese Anerkennung einmütig
ausgesprochen habe. So begannen am 23. April die Verhandlungen über den
Bericht des Drcißigerausschusses. Das Mehrheitsgntachten empfahl folgendes
zu erklären: Die Annahme der Kaiserkrone setze die Anerkennung der Reichs-
verfassung voraus; die Nationalversammlung fordere zu dieser Anerkennung
nunmehr sämtliche Regierungen auf, »vorauf ixso iur«z die Kaiserwürde in Wirk¬
samkeit trete, ersuche die Zentralgewalt dafür einzutreten und lasse den Dreißiger¬
ausschuß zur Vorbereitung der etwa notwendigen Maßregeln bestehen. Dagegen
beantragte das Gutachten der einen Gruppe der Minderheit (Simon !.Trier^ und
Vogt IGießen!): die Kaiserwahl Friedrich Wilhelms des Vierten für erledigt zu
erklären, sofort aus dem Parlcuneute selbst durch einfache Majorität eine Neichs-
regeutschaft von fünf Mitgliedern zu erwählen, welche den Reichstag zur Vor¬
nahme der Kaiserwahl auf den 1. Juni berufe, die sofortige Vereidigung aller
Beamten, Truppen und Bnrgerwehrcn auf die Verfassung verfüge, für die un¬
verzügliche Bildung einer ausreichenden Streitmacht zum Schutze des Parlaments
und zur Durchführung der Verfassung Sorge trage, endlich die eiuzclstaatlichen
Landtage aufzufordern, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln diese
Durchführung zu unterstützen und einen Aufruf an das Volk in demselben
Sinne zu richten. Die zweite Gruppe der Minderheit (Raveaux MlnZ) wollte
die Durchführung dieser Beschlüsse der bestehenden Zentralgewalt anvertraut
wissen.
Der tiefe Gegensatz ist klar: die Mehrheit hielt, so gering die Aussichten waren,
nu der Möglichkeit mit gesetzlichen Mitteln das Ziel zu erreichen, noch immer
fest; die Minderheit erkannte unzweifelhaft richtig, daß vou einer solchen uicht
mehr die Rede sei, und empfahl deshalb mit klarem Bewußtsein den Weg der
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