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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

mich in Sicherheit brachte, aber man hat mir bei dieser Gelegenheit el" teures
Angebinde geraubt, und ich weiß nicht, ob man nicht besser gethan hätte mir
gleich das Leben zu rauben.

Währenddessen waren wenigstens die Nachrichten über Floridas Ergehen
ein gut Teil beruhigender geworden, und endlich brachte Beppo aus der Abend¬
andacht, die er mit Eufemia in der Kirche San Stefano gemeinsam zu halten
begonnen hatte, die Meldung heim, Florida werde binnen kurzem selbst wieder
ihre Andacht in der Kirche verrichten. Auf den ihr durch Eufemia übermit¬
telten Vorschlag, sie möge darein willigen, ihren demnächstigen ersten Kirchgang
zum einstweiligen Lossagen von dem Schutze und Zwange des väterlichen
Daches verwerten zu lassen, hatte sie freilich nicht eingehen wollen. Sie war
während ihrer Krankheit in so hohem Grade von Gewissensbissen heimgesucht
worden, daß sie auf dem Punkte gestanden hatte, ihrem Vater alles zu ver¬
raten. Sie ließ daher Giuseppe Gonzaga bitten, er möge sie ihrem traurigen
Loose überlassen; sie werde ihren Vater zu bestimmen suchen, daß er ihr gestatte,
den Nonnenschleier zu nehmen.

Giuseppe, entschlossen, sich durch die Schwäche seiner Geliebten nicht be¬
irren zu lassen, vermochte nun in seiner Klausur nicht länger auszudauern.
In einer Tracht, die ihn unkenntlich machte, begab er sich von da an allabendlich
in die Kirche San Stefano, um wenigstens Eufemias etwaige Bedenken -- und
sie hatte deren zahlreiche -- zu besiegen. So lange er auf sie hineinredete,
war sie denn auch allemal überzeugt, daß sie verantworten könne, ihren Ein¬
fluß auf ihre Herrin im Sinne Giuseppe Gonzagas geltend zu machen. Aber
schon auf dem Heimwege fragte sie sich wiederum, was die heilige Barbara zu
einem so unkindlichen Schritte sagen würde, und, in dem stillen Zodiaco-Gäßchen
angelangt, ließ sie immer mutlos den Kopf hängen -- die Lust von Villafranca
und von Verona war ein gut Teil leichtlebiger gewesen -- wie konnte eine
Buonacolsi einen Gonzaga heiraten! Es lag ja ein doppelschneidiges Schwert
zwischen ihnen!

Endlich erkannte Giuseppe die Nutzlosigkeit der bisher von ihm aufgewandten
Überredungskünste. Florida galt für wiederhergestellt. Abbondio Buonacolsi,
der Verhaßte, hatte sie schon besuchen dürfen. Der nach Verona entsandte
Bote war nicht zurückgekehrt, hatte sich wohl gar mit der Antwort Pellc-
grinis abfangen lassen. Es war, nach Giuseppes Ansicht, hohe Zeit, wenigstens
Florida aus dem Bereiche der väterlichen Allmacht zu bringen; offenbar fehlte
ihr die Kraft, sich gegen diese Allmacht aufzulehnen; für Florida mußte gehandelt
werden, nötigenfalls gegen ihren Willen, nötigenfalls mit Gewalt.

(Fortsetzung folgt.)




Um eine perle.

mich in Sicherheit brachte, aber man hat mir bei dieser Gelegenheit el» teures
Angebinde geraubt, und ich weiß nicht, ob man nicht besser gethan hätte mir
gleich das Leben zu rauben.

Währenddessen waren wenigstens die Nachrichten über Floridas Ergehen
ein gut Teil beruhigender geworden, und endlich brachte Beppo aus der Abend¬
andacht, die er mit Eufemia in der Kirche San Stefano gemeinsam zu halten
begonnen hatte, die Meldung heim, Florida werde binnen kurzem selbst wieder
ihre Andacht in der Kirche verrichten. Auf den ihr durch Eufemia übermit¬
telten Vorschlag, sie möge darein willigen, ihren demnächstigen ersten Kirchgang
zum einstweiligen Lossagen von dem Schutze und Zwange des väterlichen
Daches verwerten zu lassen, hatte sie freilich nicht eingehen wollen. Sie war
während ihrer Krankheit in so hohem Grade von Gewissensbissen heimgesucht
worden, daß sie auf dem Punkte gestanden hatte, ihrem Vater alles zu ver¬
raten. Sie ließ daher Giuseppe Gonzaga bitten, er möge sie ihrem traurigen
Loose überlassen; sie werde ihren Vater zu bestimmen suchen, daß er ihr gestatte,
den Nonnenschleier zu nehmen.

Giuseppe, entschlossen, sich durch die Schwäche seiner Geliebten nicht be¬
irren zu lassen, vermochte nun in seiner Klausur nicht länger auszudauern.
In einer Tracht, die ihn unkenntlich machte, begab er sich von da an allabendlich
in die Kirche San Stefano, um wenigstens Eufemias etwaige Bedenken — und
sie hatte deren zahlreiche — zu besiegen. So lange er auf sie hineinredete,
war sie denn auch allemal überzeugt, daß sie verantworten könne, ihren Ein¬
fluß auf ihre Herrin im Sinne Giuseppe Gonzagas geltend zu machen. Aber
schon auf dem Heimwege fragte sie sich wiederum, was die heilige Barbara zu
einem so unkindlichen Schritte sagen würde, und, in dem stillen Zodiaco-Gäßchen
angelangt, ließ sie immer mutlos den Kopf hängen — die Lust von Villafranca
und von Verona war ein gut Teil leichtlebiger gewesen — wie konnte eine
Buonacolsi einen Gonzaga heiraten! Es lag ja ein doppelschneidiges Schwert
zwischen ihnen!

Endlich erkannte Giuseppe die Nutzlosigkeit der bisher von ihm aufgewandten
Überredungskünste. Florida galt für wiederhergestellt. Abbondio Buonacolsi,
der Verhaßte, hatte sie schon besuchen dürfen. Der nach Verona entsandte
Bote war nicht zurückgekehrt, hatte sich wohl gar mit der Antwort Pellc-
grinis abfangen lassen. Es war, nach Giuseppes Ansicht, hohe Zeit, wenigstens
Florida aus dem Bereiche der väterlichen Allmacht zu bringen; offenbar fehlte
ihr die Kraft, sich gegen diese Allmacht aufzulehnen; für Florida mußte gehandelt
werden, nötigenfalls gegen ihren Willen, nötigenfalls mit Gewalt.

(Fortsetzung folgt.)




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[0217] Um eine perle. mich in Sicherheit brachte, aber man hat mir bei dieser Gelegenheit el» teures Angebinde geraubt, und ich weiß nicht, ob man nicht besser gethan hätte mir gleich das Leben zu rauben. Währenddessen waren wenigstens die Nachrichten über Floridas Ergehen ein gut Teil beruhigender geworden, und endlich brachte Beppo aus der Abend¬ andacht, die er mit Eufemia in der Kirche San Stefano gemeinsam zu halten begonnen hatte, die Meldung heim, Florida werde binnen kurzem selbst wieder ihre Andacht in der Kirche verrichten. Auf den ihr durch Eufemia übermit¬ telten Vorschlag, sie möge darein willigen, ihren demnächstigen ersten Kirchgang zum einstweiligen Lossagen von dem Schutze und Zwange des väterlichen Daches verwerten zu lassen, hatte sie freilich nicht eingehen wollen. Sie war während ihrer Krankheit in so hohem Grade von Gewissensbissen heimgesucht worden, daß sie auf dem Punkte gestanden hatte, ihrem Vater alles zu ver¬ raten. Sie ließ daher Giuseppe Gonzaga bitten, er möge sie ihrem traurigen Loose überlassen; sie werde ihren Vater zu bestimmen suchen, daß er ihr gestatte, den Nonnenschleier zu nehmen. Giuseppe, entschlossen, sich durch die Schwäche seiner Geliebten nicht be¬ irren zu lassen, vermochte nun in seiner Klausur nicht länger auszudauern. In einer Tracht, die ihn unkenntlich machte, begab er sich von da an allabendlich in die Kirche San Stefano, um wenigstens Eufemias etwaige Bedenken — und sie hatte deren zahlreiche — zu besiegen. So lange er auf sie hineinredete, war sie denn auch allemal überzeugt, daß sie verantworten könne, ihren Ein¬ fluß auf ihre Herrin im Sinne Giuseppe Gonzagas geltend zu machen. Aber schon auf dem Heimwege fragte sie sich wiederum, was die heilige Barbara zu einem so unkindlichen Schritte sagen würde, und, in dem stillen Zodiaco-Gäßchen angelangt, ließ sie immer mutlos den Kopf hängen — die Lust von Villafranca und von Verona war ein gut Teil leichtlebiger gewesen — wie konnte eine Buonacolsi einen Gonzaga heiraten! Es lag ja ein doppelschneidiges Schwert zwischen ihnen! Endlich erkannte Giuseppe die Nutzlosigkeit der bisher von ihm aufgewandten Überredungskünste. Florida galt für wiederhergestellt. Abbondio Buonacolsi, der Verhaßte, hatte sie schon besuchen dürfen. Der nach Verona entsandte Bote war nicht zurückgekehrt, hatte sich wohl gar mit der Antwort Pellc- grinis abfangen lassen. Es war, nach Giuseppes Ansicht, hohe Zeit, wenigstens Florida aus dem Bereiche der väterlichen Allmacht zu bringen; offenbar fehlte ihr die Kraft, sich gegen diese Allmacht aufzulehnen; für Florida mußte gehandelt werden, nötigenfalls gegen ihren Willen, nötigenfalls mit Gewalt. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/217>, abgerufen am 22.07.2024.