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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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In weit großem Maße als in Deutschland existirt Handspinnerei und
Hausweberei in andern Staaten, in Nußland, Österreich, Schweden, Frankreich,
Italien. In außereuropäischen Ländern wie China, Japan, Ostindien u, s, w,
herrscht die Webehandarbeit fast unumschränkt. Auch Staaten wie Griechenland,
Rumänien, Serbien, Bulgarien unterliegen bei der Verarbeitung der Gespinnst-
fasern noch nicht dem Einflüsse der mechanischen Weberei. Ferner ist in ein¬
zelnen Zweigen der Weberei die Handarbeit nur wenig zurückgewichen. So
auf dem Gebiete der Wollen- und Baumwvllenindustrie in Spanien, Portugal,
Schweden, Dänemark und Italien. Die nicht unbedeutende russische Leinen¬
industrie läßt fast ausschließlich mit der Hand arbeiten. Wirklich sehr stark
zurückgegangen ist die Wehe-Handarbeit in den Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika, in Großbritannien und Irland. Dabei ist aber erwähnenswert, daß
für die Feinweberei die Vereinigten Staaten von Amerika eben die Handweberei
einzuführen im Begriffe stehen.

Es erweist sich somit die Frage der Hand- oder Maschinenweberei nicht als
so einfach, wie oft angenommen worden ist. Nicht mir, daß die erstere sich gegen
die Verdrängung durch die letztere auflehnt und auch nach jahrzehntelangem
Kampfe eine feste Stellung innehat -- das ist schließlich nur natürlich, weil
ökonomische Umwälzungen von großer Tragweite sich nie schnell vollziehen --,
sie erscheint auch unentbehrlich überall da, wo es sich um die Befriedigung
feinerer Bedürfnisse handelt. In Deutschland hat der Handwebstuhl sich fast
durchweg sür alle Gebild, und Mnsterweberei, für den größten Teil der Seideu-
industrie, der Plüsche, Krimmer und der Chalesindustrie erhalten, während er in
der Tuch- und Buckskinweberei, gemischten Wollweberei, Halbleinen- und Leinen¬
weberei, sowie in der Baumwvllweberei zurückgegangen ist. Ebenso hat in
Frankreich die Handweberei sich sür Nonveautes in allen Stoffen, für feine und
hochfeine Waaren in allen Materien, für gemischte Waaren mit vielem Farben¬
wechsel und Bindungen behauptet. Ähnlich liegt der Fall in andern Länder".
Grothe hat ein Verzeichnis aller der dem Haudwebstuhl zur Zeit reservirten
Gewebe zusammengestellt (S. 326--327).

Gründe hierfür lassen sich viele anführen. Mau hat beim Handwebstuhl
die Möglichkeit, den verschiednen Ansprüchen an die Lauge der Ketten je nach
Eingang der Bestellungen zu entsprechen. Man kann in Mustern und Qualität
auf einer und derselben Kette variiren. Mit Hilfe der Jaequardmaschinc
lassen sich auch die größten Dessins ausführen. Dazu kommen verschiedene
ökonomische Ursachen. Die Anlagekosten, sowie die Spesen des Betriebs sind
verhältnismäßig gering. Jemand, der nicht Kapital genug besitzt, um eine Reihe
mechanischer Webstuhle zu kaufen und sie alle in einem oder mehreren großen
Etablissements, deren Errichtung abermals Mittel erfordert, aufzustellen, kann
als Verleger und Beschüstiger vieler kleiner Hausweber eine gedeihliche Wirk¬
samkeit entfalten. Er kann dann seiner Produktion jede beliebige Ausdehnung


In weit großem Maße als in Deutschland existirt Handspinnerei und
Hausweberei in andern Staaten, in Nußland, Österreich, Schweden, Frankreich,
Italien. In außereuropäischen Ländern wie China, Japan, Ostindien u, s, w,
herrscht die Webehandarbeit fast unumschränkt. Auch Staaten wie Griechenland,
Rumänien, Serbien, Bulgarien unterliegen bei der Verarbeitung der Gespinnst-
fasern noch nicht dem Einflüsse der mechanischen Weberei. Ferner ist in ein¬
zelnen Zweigen der Weberei die Handarbeit nur wenig zurückgewichen. So
auf dem Gebiete der Wollen- und Baumwvllenindustrie in Spanien, Portugal,
Schweden, Dänemark und Italien. Die nicht unbedeutende russische Leinen¬
industrie läßt fast ausschließlich mit der Hand arbeiten. Wirklich sehr stark
zurückgegangen ist die Wehe-Handarbeit in den Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika, in Großbritannien und Irland. Dabei ist aber erwähnenswert, daß
für die Feinweberei die Vereinigten Staaten von Amerika eben die Handweberei
einzuführen im Begriffe stehen.

Es erweist sich somit die Frage der Hand- oder Maschinenweberei nicht als
so einfach, wie oft angenommen worden ist. Nicht mir, daß die erstere sich gegen
die Verdrängung durch die letztere auflehnt und auch nach jahrzehntelangem
Kampfe eine feste Stellung innehat — das ist schließlich nur natürlich, weil
ökonomische Umwälzungen von großer Tragweite sich nie schnell vollziehen —,
sie erscheint auch unentbehrlich überall da, wo es sich um die Befriedigung
feinerer Bedürfnisse handelt. In Deutschland hat der Handwebstuhl sich fast
durchweg sür alle Gebild, und Mnsterweberei, für den größten Teil der Seideu-
industrie, der Plüsche, Krimmer und der Chalesindustrie erhalten, während er in
der Tuch- und Buckskinweberei, gemischten Wollweberei, Halbleinen- und Leinen¬
weberei, sowie in der Baumwvllweberei zurückgegangen ist. Ebenso hat in
Frankreich die Handweberei sich sür Nonveautes in allen Stoffen, für feine und
hochfeine Waaren in allen Materien, für gemischte Waaren mit vielem Farben¬
wechsel und Bindungen behauptet. Ähnlich liegt der Fall in andern Länder«.
Grothe hat ein Verzeichnis aller der dem Haudwebstuhl zur Zeit reservirten
Gewebe zusammengestellt (S. 326—327).

Gründe hierfür lassen sich viele anführen. Mau hat beim Handwebstuhl
die Möglichkeit, den verschiednen Ansprüchen an die Lauge der Ketten je nach
Eingang der Bestellungen zu entsprechen. Man kann in Mustern und Qualität
auf einer und derselben Kette variiren. Mit Hilfe der Jaequardmaschinc
lassen sich auch die größten Dessins ausführen. Dazu kommen verschiedene
ökonomische Ursachen. Die Anlagekosten, sowie die Spesen des Betriebs sind
verhältnismäßig gering. Jemand, der nicht Kapital genug besitzt, um eine Reihe
mechanischer Webstuhle zu kaufen und sie alle in einem oder mehreren großen
Etablissements, deren Errichtung abermals Mittel erfordert, aufzustellen, kann
als Verleger und Beschüstiger vieler kleiner Hausweber eine gedeihliche Wirk¬
samkeit entfalten. Er kann dann seiner Produktion jede beliebige Ausdehnung


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[0195] In weit großem Maße als in Deutschland existirt Handspinnerei und Hausweberei in andern Staaten, in Nußland, Österreich, Schweden, Frankreich, Italien. In außereuropäischen Ländern wie China, Japan, Ostindien u, s, w, herrscht die Webehandarbeit fast unumschränkt. Auch Staaten wie Griechenland, Rumänien, Serbien, Bulgarien unterliegen bei der Verarbeitung der Gespinnst- fasern noch nicht dem Einflüsse der mechanischen Weberei. Ferner ist in ein¬ zelnen Zweigen der Weberei die Handarbeit nur wenig zurückgewichen. So auf dem Gebiete der Wollen- und Baumwvllenindustrie in Spanien, Portugal, Schweden, Dänemark und Italien. Die nicht unbedeutende russische Leinen¬ industrie läßt fast ausschließlich mit der Hand arbeiten. Wirklich sehr stark zurückgegangen ist die Wehe-Handarbeit in den Vereinigten Staaten von Nord¬ amerika, in Großbritannien und Irland. Dabei ist aber erwähnenswert, daß für die Feinweberei die Vereinigten Staaten von Amerika eben die Handweberei einzuführen im Begriffe stehen. Es erweist sich somit die Frage der Hand- oder Maschinenweberei nicht als so einfach, wie oft angenommen worden ist. Nicht mir, daß die erstere sich gegen die Verdrängung durch die letztere auflehnt und auch nach jahrzehntelangem Kampfe eine feste Stellung innehat — das ist schließlich nur natürlich, weil ökonomische Umwälzungen von großer Tragweite sich nie schnell vollziehen —, sie erscheint auch unentbehrlich überall da, wo es sich um die Befriedigung feinerer Bedürfnisse handelt. In Deutschland hat der Handwebstuhl sich fast durchweg sür alle Gebild, und Mnsterweberei, für den größten Teil der Seideu- industrie, der Plüsche, Krimmer und der Chalesindustrie erhalten, während er in der Tuch- und Buckskinweberei, gemischten Wollweberei, Halbleinen- und Leinen¬ weberei, sowie in der Baumwvllweberei zurückgegangen ist. Ebenso hat in Frankreich die Handweberei sich sür Nonveautes in allen Stoffen, für feine und hochfeine Waaren in allen Materien, für gemischte Waaren mit vielem Farben¬ wechsel und Bindungen behauptet. Ähnlich liegt der Fall in andern Länder«. Grothe hat ein Verzeichnis aller der dem Haudwebstuhl zur Zeit reservirten Gewebe zusammengestellt (S. 326—327). Gründe hierfür lassen sich viele anführen. Mau hat beim Handwebstuhl die Möglichkeit, den verschiednen Ansprüchen an die Lauge der Ketten je nach Eingang der Bestellungen zu entsprechen. Man kann in Mustern und Qualität auf einer und derselben Kette variiren. Mit Hilfe der Jaequardmaschinc lassen sich auch die größten Dessins ausführen. Dazu kommen verschiedene ökonomische Ursachen. Die Anlagekosten, sowie die Spesen des Betriebs sind verhältnismäßig gering. Jemand, der nicht Kapital genug besitzt, um eine Reihe mechanischer Webstuhle zu kaufen und sie alle in einem oder mehreren großen Etablissements, deren Errichtung abermals Mittel erfordert, aufzustellen, kann als Verleger und Beschüstiger vieler kleiner Hausweber eine gedeihliche Wirk¬ samkeit entfalten. Er kann dann seiner Produktion jede beliebige Ausdehnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/195>, abgerufen am 22.07.2024.