Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Englands Mittel zur Verteidigung Indiens. und vielleicht durch Chorassan geführt werden. Herat ist nicht stark befestigt. England droht den Krieg auch zur See und an den Küsten der Ostsee zu Englands Mittel zur Verteidigung Indiens. und vielleicht durch Chorassan geführt werden. Herat ist nicht stark befestigt. England droht den Krieg auch zur See und an den Küsten der Ostsee zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195568"/> <fw type="header" place="top"> Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_614" prev="#ID_613"> und vielleicht durch Chorassan geführt werden. Herat ist nicht stark befestigt.<lb/> Hat man es eingenommen, so wird man es durch seine technischen Truppen<lb/> mit Schanzen und Vorwerken umgeben und für ein halbes Jahr verproviantiren,<lb/> wozu die Umgebung reichliche Mittel bietet. Dann legt man eine genügende<lb/> Besatzung, etwa 10- bis 12000 Mann hinein, die sich, wo nötig, einschließen<lb/> läßt. 20- bis 25000 Mann bleiben, gestützt auf diesen festen Punkt, als be¬<lb/> wegliches offensives Element, unter einem unternehmenden Führer außerhalb<lb/> der Wälle, fallen den langgestreckten Heersäulen des Gegners in die Flanke und<lb/> in den Rücken, zerstören Straßen und Brücke,: hinter ihm, weichen stets der<lb/> Übermacht und benutzen jede Schwäche, deren die englische Kriegsführung so<lb/> viele hat. England ist schon durch die große Entfernung seiner Operations¬<lb/> basen von Herat im Nachteil. Herat liegt von Quella 826, von Pcschawer<lb/> 661 Kilometer entfernt. Seine Operationslinien führen großenteils durch dünn¬<lb/> bevölkertes, an Hilfsmitteln armes Gebirgsland, das den Gebrauch von Armce-<lb/> fnhrwerk auf seinen Wegen nicht erlaubt. Man bedarf folglich einen unge¬<lb/> heuern Troß von Tragtieren. Will England die Wegnahme von Herat ver¬<lb/> hindern oder das von den Russen besetzte Herat wieder erobern, so muß es min¬<lb/> destens 60 000 Manu Soldaten mobil machen, um mit nur 40000 am Ziele<lb/> ankommen zu können. Eine solche englische Armee erfordert einen Troß von<lb/> mindestens 80000 Menschen und fast ebenso vielen Kameelen.</p><lb/> <p xml:id="ID_615" next="#ID_616"> England droht den Krieg auch zur See und an den Küsten der Ostsee zu<lb/> führen. Es zerstörte während des Krimkrieges ein paar kleine Orte in Finn¬<lb/> land und nahm Bomarsund ein, das war alles, was der Admiral Napier da¬<lb/> mals vermochte. Und als später, kurz vor dem Frieden von San Stefano,<lb/> die Russen an die Ausgabe von Kaperbriefen dachten, zitterte die ganze britische<lb/> Kaufmannswelt. Und jetzt? Wie steht es mit der stolzen Seemacht Englands?<lb/> Kapitän noble, der Direktor der Stückgießerei in Elswick, antwortet darauf:<lb/> „Die gesamte britische Marine muß von oben bis unten umgestaltet werden";<lb/> und in der limos weist ein Sachverständiger nach, daß Großbritannien zur<lb/> Zeit nur einen einzigen Kreuzer von 16 Knoten Geschwindigkeit besitzt, der see¬<lb/> tüchtig ist, Nußland dagegen drei Gürtelkrcnzer von 13, einen, den Wladimir<lb/> Monomach, von 15, vier von 14 Knoten und schließlich drei Korvetten, alle<lb/> bereit, mit Hinterladungsgeschützen und Torpedos sofort in See zu stechen-<lb/> „Was wird geschehen, fragt dieser Fachmann, wenn beim Ausbruche des Krieges<lb/> der Wladimir Monomach mit 20 Kanonen und 10 Hotchkingeschützen am Kap<lb/> kreuzt? Je nun, die ganze britische Handelsmarine wird dann so lange sich<lb/> in Häfen zu verstecken haben, bis England wenigstens einen Kreuzer auf der<lb/> See hat, der es mit dem bösen Wladimir Mvnomach aufnehmen kann." Die<lb/> russischen Küsten aber wird eine Torpedo-Flotille verteidigen, vor der sich die<lb/> größten Panzerschiffe der Engländer wohlweislich zu hüten beflissen sein werden.<lb/> Bleibt Frieden, so wird man ihn zum guten Teile der Rücksicht auf die nunc-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Englands Mittel zur Verteidigung Indiens.
und vielleicht durch Chorassan geführt werden. Herat ist nicht stark befestigt.
Hat man es eingenommen, so wird man es durch seine technischen Truppen
mit Schanzen und Vorwerken umgeben und für ein halbes Jahr verproviantiren,
wozu die Umgebung reichliche Mittel bietet. Dann legt man eine genügende
Besatzung, etwa 10- bis 12000 Mann hinein, die sich, wo nötig, einschließen
läßt. 20- bis 25000 Mann bleiben, gestützt auf diesen festen Punkt, als be¬
wegliches offensives Element, unter einem unternehmenden Führer außerhalb
der Wälle, fallen den langgestreckten Heersäulen des Gegners in die Flanke und
in den Rücken, zerstören Straßen und Brücke,: hinter ihm, weichen stets der
Übermacht und benutzen jede Schwäche, deren die englische Kriegsführung so
viele hat. England ist schon durch die große Entfernung seiner Operations¬
basen von Herat im Nachteil. Herat liegt von Quella 826, von Pcschawer
661 Kilometer entfernt. Seine Operationslinien führen großenteils durch dünn¬
bevölkertes, an Hilfsmitteln armes Gebirgsland, das den Gebrauch von Armce-
fnhrwerk auf seinen Wegen nicht erlaubt. Man bedarf folglich einen unge¬
heuern Troß von Tragtieren. Will England die Wegnahme von Herat ver¬
hindern oder das von den Russen besetzte Herat wieder erobern, so muß es min¬
destens 60 000 Manu Soldaten mobil machen, um mit nur 40000 am Ziele
ankommen zu können. Eine solche englische Armee erfordert einen Troß von
mindestens 80000 Menschen und fast ebenso vielen Kameelen.
England droht den Krieg auch zur See und an den Küsten der Ostsee zu
führen. Es zerstörte während des Krimkrieges ein paar kleine Orte in Finn¬
land und nahm Bomarsund ein, das war alles, was der Admiral Napier da¬
mals vermochte. Und als später, kurz vor dem Frieden von San Stefano,
die Russen an die Ausgabe von Kaperbriefen dachten, zitterte die ganze britische
Kaufmannswelt. Und jetzt? Wie steht es mit der stolzen Seemacht Englands?
Kapitän noble, der Direktor der Stückgießerei in Elswick, antwortet darauf:
„Die gesamte britische Marine muß von oben bis unten umgestaltet werden";
und in der limos weist ein Sachverständiger nach, daß Großbritannien zur
Zeit nur einen einzigen Kreuzer von 16 Knoten Geschwindigkeit besitzt, der see¬
tüchtig ist, Nußland dagegen drei Gürtelkrcnzer von 13, einen, den Wladimir
Monomach, von 15, vier von 14 Knoten und schließlich drei Korvetten, alle
bereit, mit Hinterladungsgeschützen und Torpedos sofort in See zu stechen-
„Was wird geschehen, fragt dieser Fachmann, wenn beim Ausbruche des Krieges
der Wladimir Monomach mit 20 Kanonen und 10 Hotchkingeschützen am Kap
kreuzt? Je nun, die ganze britische Handelsmarine wird dann so lange sich
in Häfen zu verstecken haben, bis England wenigstens einen Kreuzer auf der
See hat, der es mit dem bösen Wladimir Mvnomach aufnehmen kann." Die
russischen Küsten aber wird eine Torpedo-Flotille verteidigen, vor der sich die
größten Panzerschiffe der Engländer wohlweislich zu hüten beflissen sein werden.
Bleibt Frieden, so wird man ihn zum guten Teile der Rücksicht auf die nunc-
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