Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Vstpreußische Skizzen.

betrifft, so vermißt diese der geborne Ostpreuße nicht sonderlich, und der dorthin
versetzte Beamte, nun, der fährt eben spazieren oder sucht sich den angenehmsten
unter den nächsten Gutshöfen aus.

Für ihre schönsten Landschaften halten die Ostpreußen selbst den "Strand,"
d. h. die Nordküste des Samlandes mit den Seebädern Kranz, Ncukuhren, Rauschen
und Warnicken. Als Seebad steht Kranz weit obenan und ist uuter den ge¬
nannten Bädern das einzige, welches auch außerhalb der Provinz einen Namen
hat; bekanntlich wird es schon im Laufe des nächsten Jahres durch eine Se-
knndärbahn mit Königsberg verbunden werden und dann ohne Zweifel noch
mehr den Charakter eines Welt- und Modebadcs annehmen. Als solches sind
seine Verhältnisse, Einrichtungen und Preise bis heute allerdings noch ziemlich
bescheiden, aber als ein komfortables Bad ist es doch immerhin schon anzuer¬
kennen > und seine Eigenschaft als See-, insbesondre Wellenbad ist jedenfalls
eine sehr achtbare. Die "Plantage" bietet schöne und ausgedehnte Spazier¬
gänge; eigentliche Landschaft aber hat Kranz nur wenig, und der Weg nach der
kurischen Nehrung, deren Besuch doch gewiß von den meisten Fremden als eine
Hauptsache betrachtet wird, ist so schlecht, daß dieselbe kaum als zugänglich
gelten kann. Von Kranz in westlicher Richtung, also den Strand entlang,
führt nun allerdings ein Weg nach Neukuhren, vorüber an dem dem General
der Befreiungskriege Bülow von Dennewitz als Dotation verliehenen und jetzt
noch von seinen Nachkommen besessenen schönen Gute Grünhof; aber dieser
Weg ist derartig, daß gewiß schon mancher sich gedacht hat, es wäre nötiger,
zur Verbindung der Strand-Badeorte eine Chaussee als nach Kranz eine Eisen¬
bahn zu bauen. Neukuhren, Rauschen und Warnicken sind durch gute Wege
miteinander verbunden und bilden gleichsam ein Ganzes. Die ganze Gegend
ist hügelig und fällt nach der Ostsee zu steil ab; auf dem Rande des Abhanges
läuft die in ihrer Art einzige Promenade von Neukuhren, während Rauschen
in einer freundlichen Thalenge liegt, von welcher aus mau erst über eine kleine
Hochebene hinüber das Meer erreicht,, und Waruicken in Wald gebettet ist, aus
dem man in hvchromantischer Schlucht oder auf einer gewaltigen, landschaftlich
überaus wirksamen Treppe zum Meere hinabsteigt. Dieser Schluchten giebt es
aber in der Nähe der drei Badeorte noch einige, und obwohl man im Schwarz¬
walde nicht viel Wesens von ihnen machen würde, so ist doch hier, im Flach¬
land?, ihr Effekt ein sehr bedeutender. Rechnet man dazu schönen, selbst üppigen
Wald und die Gelegenheit zu Ausflügen bis zur Spitze der samländischen
Halbinsel bei Brüsterort, so hat man die Reize des "Strandes." Sie sind
gewiß nicht zu verachten; aber wir wüßten in Ostpreußen doch Besseres zu
finden.

Wenn vom "Strand" die Rede ist, so muß man auch die stillen, freund¬
lichen Städtchen Fischhcmseu und Pillau, sowie den zwischen beiden auf der
Ostseeseite neu entstandenen kleinen Badeort Neuhäuser erwähnen. Der Vorteil


Vstpreußische Skizzen.

betrifft, so vermißt diese der geborne Ostpreuße nicht sonderlich, und der dorthin
versetzte Beamte, nun, der fährt eben spazieren oder sucht sich den angenehmsten
unter den nächsten Gutshöfen aus.

Für ihre schönsten Landschaften halten die Ostpreußen selbst den „Strand,"
d. h. die Nordküste des Samlandes mit den Seebädern Kranz, Ncukuhren, Rauschen
und Warnicken. Als Seebad steht Kranz weit obenan und ist uuter den ge¬
nannten Bädern das einzige, welches auch außerhalb der Provinz einen Namen
hat; bekanntlich wird es schon im Laufe des nächsten Jahres durch eine Se-
knndärbahn mit Königsberg verbunden werden und dann ohne Zweifel noch
mehr den Charakter eines Welt- und Modebadcs annehmen. Als solches sind
seine Verhältnisse, Einrichtungen und Preise bis heute allerdings noch ziemlich
bescheiden, aber als ein komfortables Bad ist es doch immerhin schon anzuer¬
kennen > und seine Eigenschaft als See-, insbesondre Wellenbad ist jedenfalls
eine sehr achtbare. Die „Plantage" bietet schöne und ausgedehnte Spazier¬
gänge; eigentliche Landschaft aber hat Kranz nur wenig, und der Weg nach der
kurischen Nehrung, deren Besuch doch gewiß von den meisten Fremden als eine
Hauptsache betrachtet wird, ist so schlecht, daß dieselbe kaum als zugänglich
gelten kann. Von Kranz in westlicher Richtung, also den Strand entlang,
führt nun allerdings ein Weg nach Neukuhren, vorüber an dem dem General
der Befreiungskriege Bülow von Dennewitz als Dotation verliehenen und jetzt
noch von seinen Nachkommen besessenen schönen Gute Grünhof; aber dieser
Weg ist derartig, daß gewiß schon mancher sich gedacht hat, es wäre nötiger,
zur Verbindung der Strand-Badeorte eine Chaussee als nach Kranz eine Eisen¬
bahn zu bauen. Neukuhren, Rauschen und Warnicken sind durch gute Wege
miteinander verbunden und bilden gleichsam ein Ganzes. Die ganze Gegend
ist hügelig und fällt nach der Ostsee zu steil ab; auf dem Rande des Abhanges
läuft die in ihrer Art einzige Promenade von Neukuhren, während Rauschen
in einer freundlichen Thalenge liegt, von welcher aus mau erst über eine kleine
Hochebene hinüber das Meer erreicht,, und Waruicken in Wald gebettet ist, aus
dem man in hvchromantischer Schlucht oder auf einer gewaltigen, landschaftlich
überaus wirksamen Treppe zum Meere hinabsteigt. Dieser Schluchten giebt es
aber in der Nähe der drei Badeorte noch einige, und obwohl man im Schwarz¬
walde nicht viel Wesens von ihnen machen würde, so ist doch hier, im Flach¬
land?, ihr Effekt ein sehr bedeutender. Rechnet man dazu schönen, selbst üppigen
Wald und die Gelegenheit zu Ausflügen bis zur Spitze der samländischen
Halbinsel bei Brüsterort, so hat man die Reize des „Strandes." Sie sind
gewiß nicht zu verachten; aber wir wüßten in Ostpreußen doch Besseres zu
finden.

Wenn vom „Strand" die Rede ist, so muß man auch die stillen, freund¬
lichen Städtchen Fischhcmseu und Pillau, sowie den zwischen beiden auf der
Ostseeseite neu entstandenen kleinen Badeort Neuhäuser erwähnen. Der Vorteil


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195529"/>
          <fw type="header" place="top"> Vstpreußische Skizzen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_475" prev="#ID_474"> betrifft, so vermißt diese der geborne Ostpreuße nicht sonderlich, und der dorthin<lb/>
versetzte Beamte, nun, der fährt eben spazieren oder sucht sich den angenehmsten<lb/>
unter den nächsten Gutshöfen aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_476"> Für ihre schönsten Landschaften halten die Ostpreußen selbst den &#x201E;Strand,"<lb/>
d. h. die Nordküste des Samlandes mit den Seebädern Kranz, Ncukuhren, Rauschen<lb/>
und Warnicken. Als Seebad steht Kranz weit obenan und ist uuter den ge¬<lb/>
nannten Bädern das einzige, welches auch außerhalb der Provinz einen Namen<lb/>
hat; bekanntlich wird es schon im Laufe des nächsten Jahres durch eine Se-<lb/>
knndärbahn mit Königsberg verbunden werden und dann ohne Zweifel noch<lb/>
mehr den Charakter eines Welt- und Modebadcs annehmen. Als solches sind<lb/>
seine Verhältnisse, Einrichtungen und Preise bis heute allerdings noch ziemlich<lb/>
bescheiden, aber als ein komfortables Bad ist es doch immerhin schon anzuer¬<lb/>
kennen &gt; und seine Eigenschaft als See-, insbesondre Wellenbad ist jedenfalls<lb/>
eine sehr achtbare. Die &#x201E;Plantage" bietet schöne und ausgedehnte Spazier¬<lb/>
gänge; eigentliche Landschaft aber hat Kranz nur wenig, und der Weg nach der<lb/>
kurischen Nehrung, deren Besuch doch gewiß von den meisten Fremden als eine<lb/>
Hauptsache betrachtet wird, ist so schlecht, daß dieselbe kaum als zugänglich<lb/>
gelten kann. Von Kranz in westlicher Richtung, also den Strand entlang,<lb/>
führt nun allerdings ein Weg nach Neukuhren, vorüber an dem dem General<lb/>
der Befreiungskriege Bülow von Dennewitz als Dotation verliehenen und jetzt<lb/>
noch von seinen Nachkommen besessenen schönen Gute Grünhof; aber dieser<lb/>
Weg ist derartig, daß gewiß schon mancher sich gedacht hat, es wäre nötiger,<lb/>
zur Verbindung der Strand-Badeorte eine Chaussee als nach Kranz eine Eisen¬<lb/>
bahn zu bauen. Neukuhren, Rauschen und Warnicken sind durch gute Wege<lb/>
miteinander verbunden und bilden gleichsam ein Ganzes. Die ganze Gegend<lb/>
ist hügelig und fällt nach der Ostsee zu steil ab; auf dem Rande des Abhanges<lb/>
läuft die in ihrer Art einzige Promenade von Neukuhren, während Rauschen<lb/>
in einer freundlichen Thalenge liegt, von welcher aus mau erst über eine kleine<lb/>
Hochebene hinüber das Meer erreicht,, und Waruicken in Wald gebettet ist, aus<lb/>
dem man in hvchromantischer Schlucht oder auf einer gewaltigen, landschaftlich<lb/>
überaus wirksamen Treppe zum Meere hinabsteigt. Dieser Schluchten giebt es<lb/>
aber in der Nähe der drei Badeorte noch einige, und obwohl man im Schwarz¬<lb/>
walde nicht viel Wesens von ihnen machen würde, so ist doch hier, im Flach¬<lb/>
land?, ihr Effekt ein sehr bedeutender. Rechnet man dazu schönen, selbst üppigen<lb/>
Wald und die Gelegenheit zu Ausflügen bis zur Spitze der samländischen<lb/>
Halbinsel bei Brüsterort, so hat man die Reize des &#x201E;Strandes." Sie sind<lb/>
gewiß nicht zu verachten; aber wir wüßten in Ostpreußen doch Besseres zu<lb/>
finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_477" next="#ID_478"> Wenn vom &#x201E;Strand" die Rede ist, so muß man auch die stillen, freund¬<lb/>
lichen Städtchen Fischhcmseu und Pillau, sowie den zwischen beiden auf der<lb/>
Ostseeseite neu entstandenen kleinen Badeort Neuhäuser erwähnen. Der Vorteil</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0140] Vstpreußische Skizzen. betrifft, so vermißt diese der geborne Ostpreuße nicht sonderlich, und der dorthin versetzte Beamte, nun, der fährt eben spazieren oder sucht sich den angenehmsten unter den nächsten Gutshöfen aus. Für ihre schönsten Landschaften halten die Ostpreußen selbst den „Strand," d. h. die Nordküste des Samlandes mit den Seebädern Kranz, Ncukuhren, Rauschen und Warnicken. Als Seebad steht Kranz weit obenan und ist uuter den ge¬ nannten Bädern das einzige, welches auch außerhalb der Provinz einen Namen hat; bekanntlich wird es schon im Laufe des nächsten Jahres durch eine Se- knndärbahn mit Königsberg verbunden werden und dann ohne Zweifel noch mehr den Charakter eines Welt- und Modebadcs annehmen. Als solches sind seine Verhältnisse, Einrichtungen und Preise bis heute allerdings noch ziemlich bescheiden, aber als ein komfortables Bad ist es doch immerhin schon anzuer¬ kennen > und seine Eigenschaft als See-, insbesondre Wellenbad ist jedenfalls eine sehr achtbare. Die „Plantage" bietet schöne und ausgedehnte Spazier¬ gänge; eigentliche Landschaft aber hat Kranz nur wenig, und der Weg nach der kurischen Nehrung, deren Besuch doch gewiß von den meisten Fremden als eine Hauptsache betrachtet wird, ist so schlecht, daß dieselbe kaum als zugänglich gelten kann. Von Kranz in westlicher Richtung, also den Strand entlang, führt nun allerdings ein Weg nach Neukuhren, vorüber an dem dem General der Befreiungskriege Bülow von Dennewitz als Dotation verliehenen und jetzt noch von seinen Nachkommen besessenen schönen Gute Grünhof; aber dieser Weg ist derartig, daß gewiß schon mancher sich gedacht hat, es wäre nötiger, zur Verbindung der Strand-Badeorte eine Chaussee als nach Kranz eine Eisen¬ bahn zu bauen. Neukuhren, Rauschen und Warnicken sind durch gute Wege miteinander verbunden und bilden gleichsam ein Ganzes. Die ganze Gegend ist hügelig und fällt nach der Ostsee zu steil ab; auf dem Rande des Abhanges läuft die in ihrer Art einzige Promenade von Neukuhren, während Rauschen in einer freundlichen Thalenge liegt, von welcher aus mau erst über eine kleine Hochebene hinüber das Meer erreicht,, und Waruicken in Wald gebettet ist, aus dem man in hvchromantischer Schlucht oder auf einer gewaltigen, landschaftlich überaus wirksamen Treppe zum Meere hinabsteigt. Dieser Schluchten giebt es aber in der Nähe der drei Badeorte noch einige, und obwohl man im Schwarz¬ walde nicht viel Wesens von ihnen machen würde, so ist doch hier, im Flach¬ land?, ihr Effekt ein sehr bedeutender. Rechnet man dazu schönen, selbst üppigen Wald und die Gelegenheit zu Ausflügen bis zur Spitze der samländischen Halbinsel bei Brüsterort, so hat man die Reize des „Strandes." Sie sind gewiß nicht zu verachten; aber wir wüßten in Ostpreußen doch Besseres zu finden. Wenn vom „Strand" die Rede ist, so muß man auch die stillen, freund¬ lichen Städtchen Fischhcmseu und Pillau, sowie den zwischen beiden auf der Ostseeseite neu entstandenen kleinen Badeort Neuhäuser erwähnen. Der Vorteil

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/140
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/140>, abgerufen am 22.07.2024.