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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

geheim halten -- natürlich wäre das Geheimnis bei mir wie unter siehe"
Siegeln verwahrt. Ihr schüttelt den Kopf?

Weil Ihr Reden verführt wie ein siebenjähriges Kind.

Ihr dürft niemand davon sagen?

Eine kuriose Frage, Antonio Maria! Geht schlafen. Der Wirt hat Euch
Tmumsaamen in den Wein geschüttet.

Ich glaube, Ihr habt Recht. Der Lakai erhob sich. Vitaliauo legte deu
Finger auf den Mund und bedeckte sich dann wieder mit seiner Perrücke und
der Scemannsmütze.

Habt Ihr denn niemals von Mitteln gehört, die auf sogenannter Sym¬
pathie beruhen? sagte er dann und holte zum Öffnen der auf die Straße füh¬
renden Thür der Osteria den Schlüssel ans der Tasche.

Gewiß, Signor Snpenore! Wie sollte ich nicht!

Nun, da müßt Ihr auch wissen, daß solche Mittel ohne Wirkung sind,
wenn sie beliebig ausgeplaudert werden. Das ist eins. Das andre, weshalb
über die Sache kein Wort verlauten darf, ist der Herzog.

Ich verstehe.

Nein, Ihr versteht heute nnr, was man Euch Wort für Wort ins Ohr
löffelt. Gebt also Acht. Wie heißen die beiden Schutzpatrone dieser guten
Stadt? Ich meine den einen, der es ist, und den andern, den wir aus Höf¬
lichkeit für unsern gnädigen Herrn schon als Heiligen und als Schutzpatron
tituliren, obschon er noch nicht kanonisirt ist. .

Weiter, weiter! Ihr haltet mich für betrunken. Das bin ich nicht. Schließt
auf, Signor Vitaliano, daß wir aus dem Kncipcudnnst hier hinauskommen!

Gut deun. Meint Ihr, unser gnädiger Herr wolle die Gunst des heiligen
Aloysius verscherze", wie er, so fürchte ich, unserm richtigen Schutzpatron Sant
Auselmo mit jenem Adjunkten Aloysius Gonzaga die Freude an seiner eignen
Patronschaft schon ziemlich versalzen hat? Das möchte ich selbst nicht, geschweige
denn daß es für unsern gnädigen Herrn schicklich wäre. Genug! Gehen wir
ins Freie.

Er trank aus, stand auf, und einige Augenblicke später befanden sich beide
ans der Straße.

Es war sternenklar. Bei den Teatineru wurde zur Hora geläutet. Der
Lakai und der Sbirreuchef entblößten ihre Häupter und sagten das Nacht¬
gebet her.

Dann verneigte sich der erstere und wollte sich verabschieden.

Ich bin ein großer Sünder vor dem Herrn, sagte Vitaliano, ehe er ihn
entließ; meine Überbürdung mit Geschäften zwingt mich, die heilige Messe fast
jeden zweiten Tag zu versäumen. Aber der heilige Auselmo wenigstens weiß, wie
es mit mir steht. Soviel Zeit, um wenigstens ihm täglich die schuldige Ehre zu
erweisen, soviel Zeit habe ich noch immer erübrigt. Daß unser gnädiger Herr


Grenzboten II. 1885.
Um eine perle.

geheim halten — natürlich wäre das Geheimnis bei mir wie unter siehe»
Siegeln verwahrt. Ihr schüttelt den Kopf?

Weil Ihr Reden verführt wie ein siebenjähriges Kind.

Ihr dürft niemand davon sagen?

Eine kuriose Frage, Antonio Maria! Geht schlafen. Der Wirt hat Euch
Tmumsaamen in den Wein geschüttet.

Ich glaube, Ihr habt Recht. Der Lakai erhob sich. Vitaliauo legte deu
Finger auf den Mund und bedeckte sich dann wieder mit seiner Perrücke und
der Scemannsmütze.

Habt Ihr denn niemals von Mitteln gehört, die auf sogenannter Sym¬
pathie beruhen? sagte er dann und holte zum Öffnen der auf die Straße füh¬
renden Thür der Osteria den Schlüssel ans der Tasche.

Gewiß, Signor Snpenore! Wie sollte ich nicht!

Nun, da müßt Ihr auch wissen, daß solche Mittel ohne Wirkung sind,
wenn sie beliebig ausgeplaudert werden. Das ist eins. Das andre, weshalb
über die Sache kein Wort verlauten darf, ist der Herzog.

Ich verstehe.

Nein, Ihr versteht heute nnr, was man Euch Wort für Wort ins Ohr
löffelt. Gebt also Acht. Wie heißen die beiden Schutzpatrone dieser guten
Stadt? Ich meine den einen, der es ist, und den andern, den wir aus Höf¬
lichkeit für unsern gnädigen Herrn schon als Heiligen und als Schutzpatron
tituliren, obschon er noch nicht kanonisirt ist. .

Weiter, weiter! Ihr haltet mich für betrunken. Das bin ich nicht. Schließt
auf, Signor Vitaliano, daß wir aus dem Kncipcudnnst hier hinauskommen!

Gut deun. Meint Ihr, unser gnädiger Herr wolle die Gunst des heiligen
Aloysius verscherze», wie er, so fürchte ich, unserm richtigen Schutzpatron Sant
Auselmo mit jenem Adjunkten Aloysius Gonzaga die Freude an seiner eignen
Patronschaft schon ziemlich versalzen hat? Das möchte ich selbst nicht, geschweige
denn daß es für unsern gnädigen Herrn schicklich wäre. Genug! Gehen wir
ins Freie.

Er trank aus, stand auf, und einige Augenblicke später befanden sich beide
ans der Straße.

Es war sternenklar. Bei den Teatineru wurde zur Hora geläutet. Der
Lakai und der Sbirreuchef entblößten ihre Häupter und sagten das Nacht¬
gebet her.

Dann verneigte sich der erstere und wollte sich verabschieden.

Ich bin ein großer Sünder vor dem Herrn, sagte Vitaliano, ehe er ihn
entließ; meine Überbürdung mit Geschäften zwingt mich, die heilige Messe fast
jeden zweiten Tag zu versäumen. Aber der heilige Auselmo wenigstens weiß, wie
es mit mir steht. Soviel Zeit, um wenigstens ihm täglich die schuldige Ehre zu
erweisen, soviel Zeit habe ich noch immer erübrigt. Daß unser gnädiger Herr


Grenzboten II. 1885.
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[0102] Um eine perle. geheim halten — natürlich wäre das Geheimnis bei mir wie unter siehe» Siegeln verwahrt. Ihr schüttelt den Kopf? Weil Ihr Reden verführt wie ein siebenjähriges Kind. Ihr dürft niemand davon sagen? Eine kuriose Frage, Antonio Maria! Geht schlafen. Der Wirt hat Euch Tmumsaamen in den Wein geschüttet. Ich glaube, Ihr habt Recht. Der Lakai erhob sich. Vitaliauo legte deu Finger auf den Mund und bedeckte sich dann wieder mit seiner Perrücke und der Scemannsmütze. Habt Ihr denn niemals von Mitteln gehört, die auf sogenannter Sym¬ pathie beruhen? sagte er dann und holte zum Öffnen der auf die Straße füh¬ renden Thür der Osteria den Schlüssel ans der Tasche. Gewiß, Signor Snpenore! Wie sollte ich nicht! Nun, da müßt Ihr auch wissen, daß solche Mittel ohne Wirkung sind, wenn sie beliebig ausgeplaudert werden. Das ist eins. Das andre, weshalb über die Sache kein Wort verlauten darf, ist der Herzog. Ich verstehe. Nein, Ihr versteht heute nnr, was man Euch Wort für Wort ins Ohr löffelt. Gebt also Acht. Wie heißen die beiden Schutzpatrone dieser guten Stadt? Ich meine den einen, der es ist, und den andern, den wir aus Höf¬ lichkeit für unsern gnädigen Herrn schon als Heiligen und als Schutzpatron tituliren, obschon er noch nicht kanonisirt ist. . Weiter, weiter! Ihr haltet mich für betrunken. Das bin ich nicht. Schließt auf, Signor Vitaliano, daß wir aus dem Kncipcudnnst hier hinauskommen! Gut deun. Meint Ihr, unser gnädiger Herr wolle die Gunst des heiligen Aloysius verscherze», wie er, so fürchte ich, unserm richtigen Schutzpatron Sant Auselmo mit jenem Adjunkten Aloysius Gonzaga die Freude an seiner eignen Patronschaft schon ziemlich versalzen hat? Das möchte ich selbst nicht, geschweige denn daß es für unsern gnädigen Herrn schicklich wäre. Genug! Gehen wir ins Freie. Er trank aus, stand auf, und einige Augenblicke später befanden sich beide ans der Straße. Es war sternenklar. Bei den Teatineru wurde zur Hora geläutet. Der Lakai und der Sbirreuchef entblößten ihre Häupter und sagten das Nacht¬ gebet her. Dann verneigte sich der erstere und wollte sich verabschieden. Ich bin ein großer Sünder vor dem Herrn, sagte Vitaliano, ehe er ihn entließ; meine Überbürdung mit Geschäften zwingt mich, die heilige Messe fast jeden zweiten Tag zu versäumen. Aber der heilige Auselmo wenigstens weiß, wie es mit mir steht. Soviel Zeit, um wenigstens ihm täglich die schuldige Ehre zu erweisen, soviel Zeit habe ich noch immer erübrigt. Daß unser gnädiger Herr Grenzboten II. 1885.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/102>, abgerufen am 22.07.2024.