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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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schmalkaldischen Kriege bezeichnet der Kaiser (S, 129) das als seinen festen
Entschluß: rohem', mort on vivMt, Eruporsur en. L.11"zur^us. Gewiß war dieser
Krieg in gewissem Sinne einer sür die "deutsche Libertät," so wie man dieses
Wort verstand, einer für die Fortdauer des Partikularismus und gegen die
Zentralgewalt; aber es heißt das Wesen der Dinge doch verkennen, wenn der
Kaiser der religiösen Beweggründe dabei garnicht gedenkt; es galt doch Raum
zu gewinnen oder zu erhalten für die neue deutsche Kirchenform; es galt die
Abwehr der "Weltkirche," die Bewahrung des nationalen religiösen Lebens.

Eben hier aber kommen wir ans den dritten, den entscheidendsten Puukt.

Der Kaiser wurde zu einer feindseligen Haltung gegen die lutherische Sache
gezwungen durch die Grundbedingungen seiner ganzen Existenz. Er war eben
nicht bloß König der Deutschen, der darnach ausschließlich fragen durfte, was
die Deutschen wünschten, was bei ihnen der überwiegenden Stimmung entsprach;
er nahm eine europäische Stellung ein. So gewiß er "lebendig oder tot Kaiser
in Deutschland bleiben" wollte, so gewiß wollte er Flandern, wollte er Spanien,
wollte er Neapel und Sizilien festhalten. Vor allein war Spanien die Grundlage
seiner Macht. Mit dem Golde Spaniens hatte er dem französischen Könige 1519
das Gegengewicht gehalten. In Spanien aber gab es, mindestens jetzt, mindestens
bei den leitenden Ständen, in religiöser Hinsicht kein Schwanken; mit offenem
Zischen hatten die spanischen Edelleute das Hinausgehen Luthers aus dem
Saale zu Worms begleitet, der Kampf gegen die Ketzer stand diesen Männern
durchaus auf derselben Linie mit dem gegen die Türken; als Karl 1529 nach
Italien sich aufmachte, um von da nach Deutschland zu gehen, boten ihm
1500 spanische Edelleute je tausend Dukaten für vier Jahre gegen die Ketzer an,
andre erklärten sich bereit, auf ihre Kosten ein Jahr lang eine Anzahl Soldaten
zu stellen. Wollte sich der Kaiser nicht zu diesen Leuten in unlösbaren Gegensatz
bringen, deren Hingabe er doch so dringend bedürfte, so konnte er nicht anders,
als stets im strengsten Wortsinne als "katholischer König" handeln. Er durfte
wohl dem Papste in weltlichen Fragen gegenübertreten, durfte ihn selbst be¬
kriegen, durfte sogar die Bistümer, wie er dies in Spanien und in Utrecht und
Lüttich that, zum königlichen Kcnmnergntc schlagen; aber eins durfte er nicht:
Pallirer mit der Ketzerei. In Italien aber war ihm der Papst als Inhaber
des Kirchenstaates unter Umständen ein lästiger Feind oder ein wertvoller Bundes¬
genosse. Er hat wohl 1527 nach dem 8g,Loo all Rora-i auch daran gedacht, den
Kirchenstaat einzuziehen; da dies denn doch nicht rätlich erschien, so empfahl es
sich mit dein Papste auszukommen.

Endlich aber weist Baumgarten mit Recht auch darauf hin, daß "dieser
mächtige Gebieter durch die innerste Natur seines Weltreiches unwiderstehlich
zur Wclttirche hingezogen wurde." Es war in der That nicht anders möglich,
als daß Karl der Fünfte, in dessen Reichen die Sonne nicht unterging, der
nach Aufrichtung einer kaiserlichen Hegemonie in Europa strebte, das vornehmste


schmalkaldischen Kriege bezeichnet der Kaiser (S, 129) das als seinen festen
Entschluß: rohem', mort on vivMt, Eruporsur en. L.11«zur^us. Gewiß war dieser
Krieg in gewissem Sinne einer sür die „deutsche Libertät," so wie man dieses
Wort verstand, einer für die Fortdauer des Partikularismus und gegen die
Zentralgewalt; aber es heißt das Wesen der Dinge doch verkennen, wenn der
Kaiser der religiösen Beweggründe dabei garnicht gedenkt; es galt doch Raum
zu gewinnen oder zu erhalten für die neue deutsche Kirchenform; es galt die
Abwehr der „Weltkirche," die Bewahrung des nationalen religiösen Lebens.

Eben hier aber kommen wir ans den dritten, den entscheidendsten Puukt.

Der Kaiser wurde zu einer feindseligen Haltung gegen die lutherische Sache
gezwungen durch die Grundbedingungen seiner ganzen Existenz. Er war eben
nicht bloß König der Deutschen, der darnach ausschließlich fragen durfte, was
die Deutschen wünschten, was bei ihnen der überwiegenden Stimmung entsprach;
er nahm eine europäische Stellung ein. So gewiß er „lebendig oder tot Kaiser
in Deutschland bleiben" wollte, so gewiß wollte er Flandern, wollte er Spanien,
wollte er Neapel und Sizilien festhalten. Vor allein war Spanien die Grundlage
seiner Macht. Mit dem Golde Spaniens hatte er dem französischen Könige 1519
das Gegengewicht gehalten. In Spanien aber gab es, mindestens jetzt, mindestens
bei den leitenden Ständen, in religiöser Hinsicht kein Schwanken; mit offenem
Zischen hatten die spanischen Edelleute das Hinausgehen Luthers aus dem
Saale zu Worms begleitet, der Kampf gegen die Ketzer stand diesen Männern
durchaus auf derselben Linie mit dem gegen die Türken; als Karl 1529 nach
Italien sich aufmachte, um von da nach Deutschland zu gehen, boten ihm
1500 spanische Edelleute je tausend Dukaten für vier Jahre gegen die Ketzer an,
andre erklärten sich bereit, auf ihre Kosten ein Jahr lang eine Anzahl Soldaten
zu stellen. Wollte sich der Kaiser nicht zu diesen Leuten in unlösbaren Gegensatz
bringen, deren Hingabe er doch so dringend bedürfte, so konnte er nicht anders,
als stets im strengsten Wortsinne als „katholischer König" handeln. Er durfte
wohl dem Papste in weltlichen Fragen gegenübertreten, durfte ihn selbst be¬
kriegen, durfte sogar die Bistümer, wie er dies in Spanien und in Utrecht und
Lüttich that, zum königlichen Kcnmnergntc schlagen; aber eins durfte er nicht:
Pallirer mit der Ketzerei. In Italien aber war ihm der Papst als Inhaber
des Kirchenstaates unter Umständen ein lästiger Feind oder ein wertvoller Bundes¬
genosse. Er hat wohl 1527 nach dem 8g,Loo all Rora-i auch daran gedacht, den
Kirchenstaat einzuziehen; da dies denn doch nicht rätlich erschien, so empfahl es
sich mit dein Papste auszukommen.

Endlich aber weist Baumgarten mit Recht auch darauf hin, daß „dieser
mächtige Gebieter durch die innerste Natur seines Weltreiches unwiderstehlich
zur Wclttirche hingezogen wurde." Es war in der That nicht anders möglich,
als daß Karl der Fünfte, in dessen Reichen die Sonne nicht unterging, der
nach Aufrichtung einer kaiserlichen Hegemonie in Europa strebte, das vornehmste


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[0673] schmalkaldischen Kriege bezeichnet der Kaiser (S, 129) das als seinen festen Entschluß: rohem', mort on vivMt, Eruporsur en. L.11«zur^us. Gewiß war dieser Krieg in gewissem Sinne einer sür die „deutsche Libertät," so wie man dieses Wort verstand, einer für die Fortdauer des Partikularismus und gegen die Zentralgewalt; aber es heißt das Wesen der Dinge doch verkennen, wenn der Kaiser der religiösen Beweggründe dabei garnicht gedenkt; es galt doch Raum zu gewinnen oder zu erhalten für die neue deutsche Kirchenform; es galt die Abwehr der „Weltkirche," die Bewahrung des nationalen religiösen Lebens. Eben hier aber kommen wir ans den dritten, den entscheidendsten Puukt. Der Kaiser wurde zu einer feindseligen Haltung gegen die lutherische Sache gezwungen durch die Grundbedingungen seiner ganzen Existenz. Er war eben nicht bloß König der Deutschen, der darnach ausschließlich fragen durfte, was die Deutschen wünschten, was bei ihnen der überwiegenden Stimmung entsprach; er nahm eine europäische Stellung ein. So gewiß er „lebendig oder tot Kaiser in Deutschland bleiben" wollte, so gewiß wollte er Flandern, wollte er Spanien, wollte er Neapel und Sizilien festhalten. Vor allein war Spanien die Grundlage seiner Macht. Mit dem Golde Spaniens hatte er dem französischen Könige 1519 das Gegengewicht gehalten. In Spanien aber gab es, mindestens jetzt, mindestens bei den leitenden Ständen, in religiöser Hinsicht kein Schwanken; mit offenem Zischen hatten die spanischen Edelleute das Hinausgehen Luthers aus dem Saale zu Worms begleitet, der Kampf gegen die Ketzer stand diesen Männern durchaus auf derselben Linie mit dem gegen die Türken; als Karl 1529 nach Italien sich aufmachte, um von da nach Deutschland zu gehen, boten ihm 1500 spanische Edelleute je tausend Dukaten für vier Jahre gegen die Ketzer an, andre erklärten sich bereit, auf ihre Kosten ein Jahr lang eine Anzahl Soldaten zu stellen. Wollte sich der Kaiser nicht zu diesen Leuten in unlösbaren Gegensatz bringen, deren Hingabe er doch so dringend bedürfte, so konnte er nicht anders, als stets im strengsten Wortsinne als „katholischer König" handeln. Er durfte wohl dem Papste in weltlichen Fragen gegenübertreten, durfte ihn selbst be¬ kriegen, durfte sogar die Bistümer, wie er dies in Spanien und in Utrecht und Lüttich that, zum königlichen Kcnmnergntc schlagen; aber eins durfte er nicht: Pallirer mit der Ketzerei. In Italien aber war ihm der Papst als Inhaber des Kirchenstaates unter Umständen ein lästiger Feind oder ein wertvoller Bundes¬ genosse. Er hat wohl 1527 nach dem 8g,Loo all Rora-i auch daran gedacht, den Kirchenstaat einzuziehen; da dies denn doch nicht rätlich erschien, so empfahl es sich mit dein Papste auszukommen. Endlich aber weist Baumgarten mit Recht auch darauf hin, daß „dieser mächtige Gebieter durch die innerste Natur seines Weltreiches unwiderstehlich zur Wclttirche hingezogen wurde." Es war in der That nicht anders möglich, als daß Karl der Fünfte, in dessen Reichen die Sonne nicht unterging, der nach Aufrichtung einer kaiserlichen Hegemonie in Europa strebte, das vornehmste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/673>, abgerufen am 22.07.2024.