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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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SpezialVereine aller Hafenstädte der Nord- und Ostseeküste umfaßt und Rheder
und Seemannfchaften -- also Arbeitgeber und Arbeiter -- gleichmäßig in sich
vereinigt, als das berufenste Organ der Privatinteressen der deutschen See¬
schifffahrt gelten darf. Die Arbeitsunfähigkeit des Seemannes, wie solche durch
Unfall, Krankheit oder Tod herbeigeführt wird, ist von dieser Körperschaft als
Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Förderung der Interessen der Angehörigen
des Schisffahrtsbetriebes ins Auge gefaßt worden, indem nach früheren An¬
regungen des letzten Vorsitzenden des Deutschen nautischen Vereins (Gibsou in
Danzig) von seinem jetzigen Vorsitzenden, Konsul Sartori in Kiel, nach dem Vorbilde
der Gesetzgebung vom 6, Juli 1884 betreffend die Unfallversicherung der Gewerbe¬
arbeiter in Verbindung mit dem Gesetze über die Krankenversicherung der Ar¬
beiter vom 15, Juli 1883 die staatliche Organisation einer Unfall- und Kranken¬
versicherung für Seeleute angeregt worden ist. Unsers Erachtens kann die
nautische Arbeiterversicherung einen aussichtsvollen Schritt auf dem Wege zur
Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Seemannschaftcn bedeuten, weil
einerseits die Gefahren, welche der Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz des
Seemannes und seiner Familie infolge der Eigentümlichkeit seiner Arbeits¬
leistungen aus erlittenen Unfällen erwachsei,, schwerlich von einem andern Ge¬
werbe übertroffen werden, andrerseits auch kein andres Gewerbe eine so regel¬
mäßig und verhältnismäßig große Zahl von Arbeitsinvaliden als Opfer einer
unausgesetzt aufreibenden Lebensthätigkeit liefert, wie gerade die den verderb¬
lichsten Einflüssen eines häufigen Klimawechsels ausgesetzte Seeschifffahrt; sodann
auch, weil trotz alledem unsre Seeschifffahrt wohl die am wenigsten entwickelte
Wvhlthätigkeitsorganisation zum Besten ihrer notleidenden Angehörigen besitzt.

Bisher haben die Seemannsordnung und das Handelsgesetzbuch neben der
Thätigkeit der privaten Seemannskassen die Fürsorge in Fällen von Erkrankungen
und Verletzungen in der Seeschifffahrt geordnet. Beide Gesetzgebungen haben
keine Trennung dieser Materien gekannt, und in dem Entwürfe des nautischen
Vereins für die Kranken- und Unfallversicherung ist diese übereinstimmende Behand¬
lung auch als Grundlage für die staatliche Gesetzgebung einer nautischen Kraukeu-
und Unfallversicherung beibehalten worden. Wir möchten einstweilen dahingestellt
sein lassen, wie weit eine Vereinigung der Kranken- und Unfallversicherung für
Seeleute in dieser Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften des
Handelsgesetzbuches und der Seemannsordnuug zweckmäßig sein kann. Vom
nautischen Verein selbst wird die im In- und Auslande für eine längere Zeit¬
dauer vorzunehmende statistische Erhebung über die Erkrankungs- und Unglücks¬
fülle unter den Angehörigen der deutscheu Haudelsmariue als eine notwendige
Voraussetzung für jedes abschließende Urteil über die zweckmäßigste Organisation
der nautischen Arbeiterversichernng anerkannt, und es ist nicht abgeschlossen,
daß die Resultate dieser Statistik, wie über manchen andern so anch über diesen
Punkt der vom nautischen Verein erstrebten Organisation der Kranken- und


SpezialVereine aller Hafenstädte der Nord- und Ostseeküste umfaßt und Rheder
und Seemannfchaften — also Arbeitgeber und Arbeiter — gleichmäßig in sich
vereinigt, als das berufenste Organ der Privatinteressen der deutschen See¬
schifffahrt gelten darf. Die Arbeitsunfähigkeit des Seemannes, wie solche durch
Unfall, Krankheit oder Tod herbeigeführt wird, ist von dieser Körperschaft als
Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Förderung der Interessen der Angehörigen
des Schisffahrtsbetriebes ins Auge gefaßt worden, indem nach früheren An¬
regungen des letzten Vorsitzenden des Deutschen nautischen Vereins (Gibsou in
Danzig) von seinem jetzigen Vorsitzenden, Konsul Sartori in Kiel, nach dem Vorbilde
der Gesetzgebung vom 6, Juli 1884 betreffend die Unfallversicherung der Gewerbe¬
arbeiter in Verbindung mit dem Gesetze über die Krankenversicherung der Ar¬
beiter vom 15, Juli 1883 die staatliche Organisation einer Unfall- und Kranken¬
versicherung für Seeleute angeregt worden ist. Unsers Erachtens kann die
nautische Arbeiterversicherung einen aussichtsvollen Schritt auf dem Wege zur
Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Seemannschaftcn bedeuten, weil
einerseits die Gefahren, welche der Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz des
Seemannes und seiner Familie infolge der Eigentümlichkeit seiner Arbeits¬
leistungen aus erlittenen Unfällen erwachsei,, schwerlich von einem andern Ge¬
werbe übertroffen werden, andrerseits auch kein andres Gewerbe eine so regel¬
mäßig und verhältnismäßig große Zahl von Arbeitsinvaliden als Opfer einer
unausgesetzt aufreibenden Lebensthätigkeit liefert, wie gerade die den verderb¬
lichsten Einflüssen eines häufigen Klimawechsels ausgesetzte Seeschifffahrt; sodann
auch, weil trotz alledem unsre Seeschifffahrt wohl die am wenigsten entwickelte
Wvhlthätigkeitsorganisation zum Besten ihrer notleidenden Angehörigen besitzt.

Bisher haben die Seemannsordnung und das Handelsgesetzbuch neben der
Thätigkeit der privaten Seemannskassen die Fürsorge in Fällen von Erkrankungen
und Verletzungen in der Seeschifffahrt geordnet. Beide Gesetzgebungen haben
keine Trennung dieser Materien gekannt, und in dem Entwürfe des nautischen
Vereins für die Kranken- und Unfallversicherung ist diese übereinstimmende Behand¬
lung auch als Grundlage für die staatliche Gesetzgebung einer nautischen Kraukeu-
und Unfallversicherung beibehalten worden. Wir möchten einstweilen dahingestellt
sein lassen, wie weit eine Vereinigung der Kranken- und Unfallversicherung für
Seeleute in dieser Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften des
Handelsgesetzbuches und der Seemannsordnuug zweckmäßig sein kann. Vom
nautischen Verein selbst wird die im In- und Auslande für eine längere Zeit¬
dauer vorzunehmende statistische Erhebung über die Erkrankungs- und Unglücks¬
fülle unter den Angehörigen der deutscheu Haudelsmariue als eine notwendige
Voraussetzung für jedes abschließende Urteil über die zweckmäßigste Organisation
der nautischen Arbeiterversichernng anerkannt, und es ist nicht abgeschlossen,
daß die Resultate dieser Statistik, wie über manchen andern so anch über diesen
Punkt der vom nautischen Verein erstrebten Organisation der Kranken- und


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[0625] SpezialVereine aller Hafenstädte der Nord- und Ostseeküste umfaßt und Rheder und Seemannfchaften — also Arbeitgeber und Arbeiter — gleichmäßig in sich vereinigt, als das berufenste Organ der Privatinteressen der deutschen See¬ schifffahrt gelten darf. Die Arbeitsunfähigkeit des Seemannes, wie solche durch Unfall, Krankheit oder Tod herbeigeführt wird, ist von dieser Körperschaft als Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Förderung der Interessen der Angehörigen des Schisffahrtsbetriebes ins Auge gefaßt worden, indem nach früheren An¬ regungen des letzten Vorsitzenden des Deutschen nautischen Vereins (Gibsou in Danzig) von seinem jetzigen Vorsitzenden, Konsul Sartori in Kiel, nach dem Vorbilde der Gesetzgebung vom 6, Juli 1884 betreffend die Unfallversicherung der Gewerbe¬ arbeiter in Verbindung mit dem Gesetze über die Krankenversicherung der Ar¬ beiter vom 15, Juli 1883 die staatliche Organisation einer Unfall- und Kranken¬ versicherung für Seeleute angeregt worden ist. Unsers Erachtens kann die nautische Arbeiterversicherung einen aussichtsvollen Schritt auf dem Wege zur Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Seemannschaftcn bedeuten, weil einerseits die Gefahren, welche der Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz des Seemannes und seiner Familie infolge der Eigentümlichkeit seiner Arbeits¬ leistungen aus erlittenen Unfällen erwachsei,, schwerlich von einem andern Ge¬ werbe übertroffen werden, andrerseits auch kein andres Gewerbe eine so regel¬ mäßig und verhältnismäßig große Zahl von Arbeitsinvaliden als Opfer einer unausgesetzt aufreibenden Lebensthätigkeit liefert, wie gerade die den verderb¬ lichsten Einflüssen eines häufigen Klimawechsels ausgesetzte Seeschifffahrt; sodann auch, weil trotz alledem unsre Seeschifffahrt wohl die am wenigsten entwickelte Wvhlthätigkeitsorganisation zum Besten ihrer notleidenden Angehörigen besitzt. Bisher haben die Seemannsordnung und das Handelsgesetzbuch neben der Thätigkeit der privaten Seemannskassen die Fürsorge in Fällen von Erkrankungen und Verletzungen in der Seeschifffahrt geordnet. Beide Gesetzgebungen haben keine Trennung dieser Materien gekannt, und in dem Entwürfe des nautischen Vereins für die Kranken- und Unfallversicherung ist diese übereinstimmende Behand¬ lung auch als Grundlage für die staatliche Gesetzgebung einer nautischen Kraukeu- und Unfallversicherung beibehalten worden. Wir möchten einstweilen dahingestellt sein lassen, wie weit eine Vereinigung der Kranken- und Unfallversicherung für Seeleute in dieser Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches und der Seemannsordnuug zweckmäßig sein kann. Vom nautischen Verein selbst wird die im In- und Auslande für eine längere Zeit¬ dauer vorzunehmende statistische Erhebung über die Erkrankungs- und Unglücks¬ fülle unter den Angehörigen der deutscheu Haudelsmariue als eine notwendige Voraussetzung für jedes abschließende Urteil über die zweckmäßigste Organisation der nautischen Arbeiterversichernng anerkannt, und es ist nicht abgeschlossen, daß die Resultate dieser Statistik, wie über manchen andern so anch über diesen Punkt der vom nautischen Verein erstrebten Organisation der Kranken- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/625>, abgerufen am 22.07.2024.