Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.dies scheinbar Unbewußte wirkt so unwiderstehlich, Staatsmänner haben wir, Ein Ministerium, wie ich es mir denke und wie es in der Luft liegt, Kommt es aber dahin, und das muß ja geschehen, dann wird der glor¬ dies scheinbar Unbewußte wirkt so unwiderstehlich, Staatsmänner haben wir, Ein Ministerium, wie ich es mir denke und wie es in der Luft liegt, Kommt es aber dahin, und das muß ja geschehen, dann wird der glor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194731"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_108" prev="#ID_107"> dies scheinbar Unbewußte wirkt so unwiderstehlich, Staatsmänner haben wir,<lb/> wie Sie wissen, genug zum — doch ich will keinen unparlamentarischen Aus¬<lb/> druck gebrauche»; wahre Komiker sind selten und ein wahrer Segen in dieser<lb/> trüben Zeit. Deshalb wäre es ein großer Fehler, ihn seinem eigentlichen Vcrnfe<lb/> abwendig zu machen.'</p><lb/> <p xml:id="ID_109"> Ein Ministerium, wie ich es mir denke und wie es in der Luft liegt,<lb/> würde uicht fortwährend mehr Arbeitskräfte fordern mit der banalen Be¬<lb/> gründung, daß die vorhandenen der Geschäftslast erliegen. Mögen sie er¬<lb/> liegen oder mögen sie ihrer Wege gehen, die Kommis, denen die Arbeit<lb/> zuviel wird! Es kostet nur eine Anzeige an den Litfaßsäulen: „Offene Stellen,"<lb/> und man hat die Auswahl unter Bewerbern, die sogar Französisch sprechen.<lb/> Tritt wieder eine Geschüftsstockung ein, so werden die Überzähligen fortgeschickt.<lb/> Die besonders Fleißigen und Dienstwilligen könnten vielleicht durch Tantiemen<lb/> vom Reingewinn belohnt und angeeifert werden. Denn, meine Herren, nnr<lb/> keine falsche Scham! Geschüft ist Geschäft, Gewinn muß es abwerfe», sonst ist es<lb/> kein Geschäft, dann mögen es andre machen. Und wo Gewinn ist, können auch<lb/> Prozente abfallen. Dabei leidet der Staat keinen Schade», im Gegenteil spart<lb/> er an den Besoldungen. Z. B. ein Ministerialbeamtcr findet in seinem Stall<lb/> ein Paar neuer Pferde; wie soll er wissen, woher und von wem sie kommen?<lb/> Soll er sie auf die Straße hinausjagen? Das wäre doch abgeschmackt. Nachher<lb/> merkt er, daß sie ein Geschenk eines Lieferanten oder eines Mannes sind, der<lb/> gern einen Blick, nur einen einzige» Blick in ein gewisses Aktenstück werfen<lb/> möchte — soll er gegen einen so aufmerksame» Manu ungefällig sein? Ob dann<lb/> irgendwo die Soldaten verdorbenes Mehl bekommen oder ein diplomatisches<lb/> Geheimnis ausgebeutet wird, das sind kleine Unannehmlichkeiten, die im geschäft¬<lb/> lichen Leben mit hingenommen werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_110" next="#ID_111"> Kommt es aber dahin, und das muß ja geschehen, dann wird der glor¬<lb/> reiche 15. Dezember anstatt des 2. September zum nationalen Festtage bestimmt<lb/> werden müssen. Wie soll ich ihn nennen, diesen historischen Montag? Blau<lb/> war er nicht, eher schwarz-rot-golden, insofern die schwarze, die rote und die<lb/> goldne Internationale gemeinsam den großen Sieg erfochten. Allein ihnen<lb/> standen noch allerlei Hilfstruppen zur Seite, und deshalb heißt er am passendsten<lb/> der kunterbunte oder kakelbunte Montag. Unter diesem Namen mag der Tag<lb/> im Gedächtnis des Volkes fortlebe», und bei seiner Nennung wird, wie der<lb/> Spanier bei dem Vo8 Äo Ney'v an den Beginn des Unabhängigkeitskampfes,<lb/> der Franzose bei dem 4. Angust an die Erklärung der Menschenrechte, der<lb/> Engländer bei dem (-uzs ^avkss-ä^ an die Pnlververschwörung, so der Deutsche<lb/> an den heldenmütigen Sturm ans den Kanzler und die Rettung von 20000<lb/> Mark zurückdenken. Dabei werden seine Wangen sich röter — vor Stolz na¬<lb/> türlich. Geschlagen ist der Unbesiegte, vor den: die Staatsmänner der ganzen<lb/> Welt sich beugen, der über ganz Europa triumphirte, er ist zu Boden gestreckt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
dies scheinbar Unbewußte wirkt so unwiderstehlich, Staatsmänner haben wir,
wie Sie wissen, genug zum — doch ich will keinen unparlamentarischen Aus¬
druck gebrauche»; wahre Komiker sind selten und ein wahrer Segen in dieser
trüben Zeit. Deshalb wäre es ein großer Fehler, ihn seinem eigentlichen Vcrnfe
abwendig zu machen.'
Ein Ministerium, wie ich es mir denke und wie es in der Luft liegt,
würde uicht fortwährend mehr Arbeitskräfte fordern mit der banalen Be¬
gründung, daß die vorhandenen der Geschäftslast erliegen. Mögen sie er¬
liegen oder mögen sie ihrer Wege gehen, die Kommis, denen die Arbeit
zuviel wird! Es kostet nur eine Anzeige an den Litfaßsäulen: „Offene Stellen,"
und man hat die Auswahl unter Bewerbern, die sogar Französisch sprechen.
Tritt wieder eine Geschüftsstockung ein, so werden die Überzähligen fortgeschickt.
Die besonders Fleißigen und Dienstwilligen könnten vielleicht durch Tantiemen
vom Reingewinn belohnt und angeeifert werden. Denn, meine Herren, nnr
keine falsche Scham! Geschüft ist Geschäft, Gewinn muß es abwerfe», sonst ist es
kein Geschäft, dann mögen es andre machen. Und wo Gewinn ist, können auch
Prozente abfallen. Dabei leidet der Staat keinen Schade», im Gegenteil spart
er an den Besoldungen. Z. B. ein Ministerialbeamtcr findet in seinem Stall
ein Paar neuer Pferde; wie soll er wissen, woher und von wem sie kommen?
Soll er sie auf die Straße hinausjagen? Das wäre doch abgeschmackt. Nachher
merkt er, daß sie ein Geschenk eines Lieferanten oder eines Mannes sind, der
gern einen Blick, nur einen einzige» Blick in ein gewisses Aktenstück werfen
möchte — soll er gegen einen so aufmerksame» Manu ungefällig sein? Ob dann
irgendwo die Soldaten verdorbenes Mehl bekommen oder ein diplomatisches
Geheimnis ausgebeutet wird, das sind kleine Unannehmlichkeiten, die im geschäft¬
lichen Leben mit hingenommen werden müssen.
Kommt es aber dahin, und das muß ja geschehen, dann wird der glor¬
reiche 15. Dezember anstatt des 2. September zum nationalen Festtage bestimmt
werden müssen. Wie soll ich ihn nennen, diesen historischen Montag? Blau
war er nicht, eher schwarz-rot-golden, insofern die schwarze, die rote und die
goldne Internationale gemeinsam den großen Sieg erfochten. Allein ihnen
standen noch allerlei Hilfstruppen zur Seite, und deshalb heißt er am passendsten
der kunterbunte oder kakelbunte Montag. Unter diesem Namen mag der Tag
im Gedächtnis des Volkes fortlebe», und bei seiner Nennung wird, wie der
Spanier bei dem Vo8 Äo Ney'v an den Beginn des Unabhängigkeitskampfes,
der Franzose bei dem 4. Angust an die Erklärung der Menschenrechte, der
Engländer bei dem (-uzs ^avkss-ä^ an die Pnlververschwörung, so der Deutsche
an den heldenmütigen Sturm ans den Kanzler und die Rettung von 20000
Mark zurückdenken. Dabei werden seine Wangen sich röter — vor Stolz na¬
türlich. Geschlagen ist der Unbesiegte, vor den: die Staatsmänner der ganzen
Welt sich beugen, der über ganz Europa triumphirte, er ist zu Boden gestreckt
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