Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ihren Verdienst anlegen? Bringen sie denselben in die Sparkasse ihres zeit¬
weiligen Arbeitsortes, so können sie ihn nicht etwa bei ihrer Rückkehr in die
Heimat von der dortigen Sparkasse erheben, vielmehr bedarf es dann einer
Reihe von Transaktionen, die vielleicht nur für einen geübten Geschäftsmann
ohne Schwierigkeiten sind.

Wie die Lichtseiten der Kvmmnnalsparkassen, so sind auch ihre Schatten¬
seiten -- soweit sie die kleinen Leute betreffen -- hier nur mit grellen Strichen
gezeichnet worden. Nach beiden Richtungen könnte das Bild in seinen Details
noch unser ausgeführt werden. Hervorhebung verdient vielleicht noch eine
sozialpolitische Seite. Wie kommt der Arbeiter dazu, daß aus dem Gewinn
seiner Spareinlage irgendeine kommunale Einrichtung geschaffen wird? Er,
der vielleicht nur vorübergehend in dieser Kommune sich aufhält und an deren
Verwaltung gar keinen Teil hat. Es ist dies gleichsam eine Steuer, welche
auf das Sparen gelegt wird, also den geringern Konsumenten am härtesten
trifft. Auch noch eine andre Scheu hält namentlich in den kleinen Städten den
weniger Bemittelten ab, sein Geld in die Sparkasse zu tragen. Wenn er dies
thut, handelt er offen vor aller Augen; ihn sieht vielleicht der Herr Landrat
oder der Steuereinnehmer, und dann tritt, wie er fürchtet, gewiß eine Steuer¬
erhöhung für das nächste Jahr ein; man sieht ja, daß er noch Geld hat, um
es auf die Sparkasse zu thun.

An Versuchen zur Abhilfe dieser Übel stände hat es nicht gefehlt; sie schei¬
terten an dem Widerstande der bestehenden Sparkassen, die bei ihrer Prospe¬
rität in der That keinen Anlaß hatten, sich größere Mühe und größere Kosten
aufzuerlegen. Die Indolenz der besitzenden Klassen gegen das Anwachsen der
sozialen Mißstände erstreckt sich auch auf diese Institute. Schon im Jahre 1873
erbot sich die rührige und für die Vertehrsbedürfnisfe so erfindungsreiche Reichs¬
postverwaltung, den Kommunalsparkassen in den Postanstalten Ein- und Ans-
zahlstellen für die Sparer zu schaffen. Nachdem im Rheinland? und in Westfalen,
sowie im Jahre 1876 von dein Berliner Magistrate diese Beihilfe abgelehnt
worden war, gab die Neichspost ihre Versuche auf. Es machte sich ferner unter
den Sparkassen selbst eine Bewegung geltend, um durch einen engern Verband
untereinander eine leichtere Übertragbarkeit der Spareinlagen von einer Kasse
an die andre im Interesse der fluktnirenden Bevölkerung zu ermöglichen. Allein
die überwiegende Mehrheit der Sparkassen nahm eine ablehnende Haltung ein,
und nur in einem sehr geringen Teile Deutschlands haben etwa 230 Kassen den
Ubertragungsverkehr unter sich eingeführt.

Indessen zeigte die Sparbeweguug im Volke, wie sehr ein Bedürfnis auf
Vermehrung der Spargelegenheiten vorhanden war. Fabrik-, Schulsparkassen,
Sammlung von Sparmarken und ähnliche Einrichtungen beweisen, wie sehr
von allen Seiten der Wunsch auf Befriedigung dieses Bedürfnisses genährt
wurde. Endlich machten die Vorgänge im Auslande klar, welche segensreichen


ihren Verdienst anlegen? Bringen sie denselben in die Sparkasse ihres zeit¬
weiligen Arbeitsortes, so können sie ihn nicht etwa bei ihrer Rückkehr in die
Heimat von der dortigen Sparkasse erheben, vielmehr bedarf es dann einer
Reihe von Transaktionen, die vielleicht nur für einen geübten Geschäftsmann
ohne Schwierigkeiten sind.

Wie die Lichtseiten der Kvmmnnalsparkassen, so sind auch ihre Schatten¬
seiten — soweit sie die kleinen Leute betreffen — hier nur mit grellen Strichen
gezeichnet worden. Nach beiden Richtungen könnte das Bild in seinen Details
noch unser ausgeführt werden. Hervorhebung verdient vielleicht noch eine
sozialpolitische Seite. Wie kommt der Arbeiter dazu, daß aus dem Gewinn
seiner Spareinlage irgendeine kommunale Einrichtung geschaffen wird? Er,
der vielleicht nur vorübergehend in dieser Kommune sich aufhält und an deren
Verwaltung gar keinen Teil hat. Es ist dies gleichsam eine Steuer, welche
auf das Sparen gelegt wird, also den geringern Konsumenten am härtesten
trifft. Auch noch eine andre Scheu hält namentlich in den kleinen Städten den
weniger Bemittelten ab, sein Geld in die Sparkasse zu tragen. Wenn er dies
thut, handelt er offen vor aller Augen; ihn sieht vielleicht der Herr Landrat
oder der Steuereinnehmer, und dann tritt, wie er fürchtet, gewiß eine Steuer¬
erhöhung für das nächste Jahr ein; man sieht ja, daß er noch Geld hat, um
es auf die Sparkasse zu thun.

An Versuchen zur Abhilfe dieser Übel stände hat es nicht gefehlt; sie schei¬
terten an dem Widerstande der bestehenden Sparkassen, die bei ihrer Prospe¬
rität in der That keinen Anlaß hatten, sich größere Mühe und größere Kosten
aufzuerlegen. Die Indolenz der besitzenden Klassen gegen das Anwachsen der
sozialen Mißstände erstreckt sich auch auf diese Institute. Schon im Jahre 1873
erbot sich die rührige und für die Vertehrsbedürfnisfe so erfindungsreiche Reichs¬
postverwaltung, den Kommunalsparkassen in den Postanstalten Ein- und Ans-
zahlstellen für die Sparer zu schaffen. Nachdem im Rheinland? und in Westfalen,
sowie im Jahre 1876 von dein Berliner Magistrate diese Beihilfe abgelehnt
worden war, gab die Neichspost ihre Versuche auf. Es machte sich ferner unter
den Sparkassen selbst eine Bewegung geltend, um durch einen engern Verband
untereinander eine leichtere Übertragbarkeit der Spareinlagen von einer Kasse
an die andre im Interesse der fluktnirenden Bevölkerung zu ermöglichen. Allein
die überwiegende Mehrheit der Sparkassen nahm eine ablehnende Haltung ein,
und nur in einem sehr geringen Teile Deutschlands haben etwa 230 Kassen den
Ubertragungsverkehr unter sich eingeführt.

Indessen zeigte die Sparbeweguug im Volke, wie sehr ein Bedürfnis auf
Vermehrung der Spargelegenheiten vorhanden war. Fabrik-, Schulsparkassen,
Sammlung von Sparmarken und ähnliche Einrichtungen beweisen, wie sehr
von allen Seiten der Wunsch auf Befriedigung dieses Bedürfnisses genährt
wurde. Endlich machten die Vorgänge im Auslande klar, welche segensreichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195181"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1864" prev="#ID_1863"> ihren Verdienst anlegen? Bringen sie denselben in die Sparkasse ihres zeit¬<lb/>
weiligen Arbeitsortes, so können sie ihn nicht etwa bei ihrer Rückkehr in die<lb/>
Heimat von der dortigen Sparkasse erheben, vielmehr bedarf es dann einer<lb/>
Reihe von Transaktionen, die vielleicht nur für einen geübten Geschäftsmann<lb/>
ohne Schwierigkeiten sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1865"> Wie die Lichtseiten der Kvmmnnalsparkassen, so sind auch ihre Schatten¬<lb/>
seiten &#x2014; soweit sie die kleinen Leute betreffen &#x2014; hier nur mit grellen Strichen<lb/>
gezeichnet worden. Nach beiden Richtungen könnte das Bild in seinen Details<lb/>
noch unser ausgeführt werden. Hervorhebung verdient vielleicht noch eine<lb/>
sozialpolitische Seite. Wie kommt der Arbeiter dazu, daß aus dem Gewinn<lb/>
seiner Spareinlage irgendeine kommunale Einrichtung geschaffen wird? Er,<lb/>
der vielleicht nur vorübergehend in dieser Kommune sich aufhält und an deren<lb/>
Verwaltung gar keinen Teil hat. Es ist dies gleichsam eine Steuer, welche<lb/>
auf das Sparen gelegt wird, also den geringern Konsumenten am härtesten<lb/>
trifft. Auch noch eine andre Scheu hält namentlich in den kleinen Städten den<lb/>
weniger Bemittelten ab, sein Geld in die Sparkasse zu tragen. Wenn er dies<lb/>
thut, handelt er offen vor aller Augen; ihn sieht vielleicht der Herr Landrat<lb/>
oder der Steuereinnehmer, und dann tritt, wie er fürchtet, gewiß eine Steuer¬<lb/>
erhöhung für das nächste Jahr ein; man sieht ja, daß er noch Geld hat, um<lb/>
es auf die Sparkasse zu thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1866"> An Versuchen zur Abhilfe dieser Übel stände hat es nicht gefehlt; sie schei¬<lb/>
terten an dem Widerstande der bestehenden Sparkassen, die bei ihrer Prospe¬<lb/>
rität in der That keinen Anlaß hatten, sich größere Mühe und größere Kosten<lb/>
aufzuerlegen. Die Indolenz der besitzenden Klassen gegen das Anwachsen der<lb/>
sozialen Mißstände erstreckt sich auch auf diese Institute. Schon im Jahre 1873<lb/>
erbot sich die rührige und für die Vertehrsbedürfnisfe so erfindungsreiche Reichs¬<lb/>
postverwaltung, den Kommunalsparkassen in den Postanstalten Ein- und Ans-<lb/>
zahlstellen für die Sparer zu schaffen. Nachdem im Rheinland? und in Westfalen,<lb/>
sowie im Jahre 1876 von dein Berliner Magistrate diese Beihilfe abgelehnt<lb/>
worden war, gab die Neichspost ihre Versuche auf. Es machte sich ferner unter<lb/>
den Sparkassen selbst eine Bewegung geltend, um durch einen engern Verband<lb/>
untereinander eine leichtere Übertragbarkeit der Spareinlagen von einer Kasse<lb/>
an die andre im Interesse der fluktnirenden Bevölkerung zu ermöglichen. Allein<lb/>
die überwiegende Mehrheit der Sparkassen nahm eine ablehnende Haltung ein,<lb/>
und nur in einem sehr geringen Teile Deutschlands haben etwa 230 Kassen den<lb/>
Ubertragungsverkehr unter sich eingeführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1867" next="#ID_1868"> Indessen zeigte die Sparbeweguug im Volke, wie sehr ein Bedürfnis auf<lb/>
Vermehrung der Spargelegenheiten vorhanden war. Fabrik-, Schulsparkassen,<lb/>
Sammlung von Sparmarken und ähnliche Einrichtungen beweisen, wie sehr<lb/>
von allen Seiten der Wunsch auf Befriedigung dieses Bedürfnisses genährt<lb/>
wurde. Endlich machten die Vorgänge im Auslande klar, welche segensreichen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0505] ihren Verdienst anlegen? Bringen sie denselben in die Sparkasse ihres zeit¬ weiligen Arbeitsortes, so können sie ihn nicht etwa bei ihrer Rückkehr in die Heimat von der dortigen Sparkasse erheben, vielmehr bedarf es dann einer Reihe von Transaktionen, die vielleicht nur für einen geübten Geschäftsmann ohne Schwierigkeiten sind. Wie die Lichtseiten der Kvmmnnalsparkassen, so sind auch ihre Schatten¬ seiten — soweit sie die kleinen Leute betreffen — hier nur mit grellen Strichen gezeichnet worden. Nach beiden Richtungen könnte das Bild in seinen Details noch unser ausgeführt werden. Hervorhebung verdient vielleicht noch eine sozialpolitische Seite. Wie kommt der Arbeiter dazu, daß aus dem Gewinn seiner Spareinlage irgendeine kommunale Einrichtung geschaffen wird? Er, der vielleicht nur vorübergehend in dieser Kommune sich aufhält und an deren Verwaltung gar keinen Teil hat. Es ist dies gleichsam eine Steuer, welche auf das Sparen gelegt wird, also den geringern Konsumenten am härtesten trifft. Auch noch eine andre Scheu hält namentlich in den kleinen Städten den weniger Bemittelten ab, sein Geld in die Sparkasse zu tragen. Wenn er dies thut, handelt er offen vor aller Augen; ihn sieht vielleicht der Herr Landrat oder der Steuereinnehmer, und dann tritt, wie er fürchtet, gewiß eine Steuer¬ erhöhung für das nächste Jahr ein; man sieht ja, daß er noch Geld hat, um es auf die Sparkasse zu thun. An Versuchen zur Abhilfe dieser Übel stände hat es nicht gefehlt; sie schei¬ terten an dem Widerstande der bestehenden Sparkassen, die bei ihrer Prospe¬ rität in der That keinen Anlaß hatten, sich größere Mühe und größere Kosten aufzuerlegen. Die Indolenz der besitzenden Klassen gegen das Anwachsen der sozialen Mißstände erstreckt sich auch auf diese Institute. Schon im Jahre 1873 erbot sich die rührige und für die Vertehrsbedürfnisfe so erfindungsreiche Reichs¬ postverwaltung, den Kommunalsparkassen in den Postanstalten Ein- und Ans- zahlstellen für die Sparer zu schaffen. Nachdem im Rheinland? und in Westfalen, sowie im Jahre 1876 von dein Berliner Magistrate diese Beihilfe abgelehnt worden war, gab die Neichspost ihre Versuche auf. Es machte sich ferner unter den Sparkassen selbst eine Bewegung geltend, um durch einen engern Verband untereinander eine leichtere Übertragbarkeit der Spareinlagen von einer Kasse an die andre im Interesse der fluktnirenden Bevölkerung zu ermöglichen. Allein die überwiegende Mehrheit der Sparkassen nahm eine ablehnende Haltung ein, und nur in einem sehr geringen Teile Deutschlands haben etwa 230 Kassen den Ubertragungsverkehr unter sich eingeführt. Indessen zeigte die Sparbeweguug im Volke, wie sehr ein Bedürfnis auf Vermehrung der Spargelegenheiten vorhanden war. Fabrik-, Schulsparkassen, Sammlung von Sparmarken und ähnliche Einrichtungen beweisen, wie sehr von allen Seiten der Wunsch auf Befriedigung dieses Bedürfnisses genährt wurde. Endlich machten die Vorgänge im Auslande klar, welche segensreichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/505
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/505>, abgerufen am 23.07.2024.