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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Mode im alten Griechenland.

sich mit dein andern kreuzt und dann wiederum nach vorn geführt über der
Mitte der Stirn mit dem andern zusammengeknotet ist. Im einzelnen ergeben
sich dann noch manche weiteren Unterschiede: entweder legt sich der Zopf bez.
Doppelzopf über das vom Scheitel nach der Stirn herabgestrichcue Haar wie
eine Taille und hält dasselbe fest; oder das Scheitel- und Stirnhaar ist über
die vorn zusammengebundenen Zopf-Enden darübergelcgt. Dazu treten dann
uicht selten noch andre Zöpfe, welche hinter den Ohren vorkommend in regel¬
mäßiger Anordnung vorn über die Schultern fallen und oft noch bis zur
Brust reichen. Das Stirnhaar ist meist nicht minder sorgfältig behandelt;
auch bei dieser Haartracht sind die ganz regelmäßig gelegten Stirnlöckchen, in
einer oder in mehreren Reihen angeordnet, sehr gewöhnlich.

Das sind die wesentlichsten archaischen Haartrachten, soweit wir sie auf
den Denkmälern finden; doch ist damit noch keineswegs die Menge der Varie¬
täten, welche sich beobachten lassen, erschöpft. Gegenüber dieser reichen Mannich-
faltigkeit berichten uns die Schriftsteller namentlich von einer altertüm¬
lichen Haartracht. In jener schon oben angeführten Stelle des Thukhdides,
welche uns von den laugen Chitonen berichtet, welche früher die Athener trugen,
wird zugleich erzählt, man habe gleichzeitig mit jener altväterischen Kleidung
auch die altertümliche Haaranorduung verlassen, bei welcher man das Haar in
den sogenannten "Krobylos" aufband und goldene "Cikaden" hineinsteckte.
Über diesen, auch von andern Schriftstellern erwähnten "Krobylvs," der identisch
zu sein scheint mit der anderwärts sich findenden Bezeichnung "Korymbos," sowie
über die goldenen Cikaden sind nun die verschiedenartigsten Ansichten aufgestellt
worden. Bald hielt man den im Nacken oder Scheitel kunstlos zusammenge¬
faßten und aufgebundenen Hnarkuoten, der anch später noch bei Frauen und
Kindern, sowie in Apollofiguren sehr häufig ist, für den Krobylos; bald meinte
man, wie Conze, in jener oben beschriebenen Art, den bandartig gefügten Haar-
schopf in eigentümlicher Weise am Hinterkopfe aufzubinden, den attischen Krobylos
zu erkennen, wobei dann eine dafür zur Verwendung kommende Nadel die Be¬
zeichnung Cikade geführt habe; bald glaubte man luden Cikaden einfache Fibeln zur
Befestigung der Haare zu erkennen. Helbig a. a. O. ist der Ansicht, daß jene
von ihm als Lockenhalter erklärten Spiralen auch später noch zur Verwendung
gekommen und wegen einer gewissen (aber doch gar fernliegenden) Ähnlichkeit
mit dem eingesunkenen Leibe der Cikaden benannt worden seien; Schreiber endlich
hält den oben besprochenen, wesentlich auf attischen Denkmälern vorkommenden
Dvppelzopf, welcher von den Ohren ausgehend vorn durch eine Cikaden-Nadel
befestigt worden sei, für den Krobylvs oder Korhmbos. Von allen diesen Hypo¬
thesen über die Cikaden zeichnet sich keine einzige vor den andern dnrch
größere Wahrscheinlichkeit aus. Denn wir finden eben ganz verschiedenartige
Haartrachten in alter Zeit offenbar gleichzeitig nebeneinander im Gebrauch,
sodaß ein Anhaltepunkt dafür, daß die eine oder die andre gerade der Krobylos


Die Mode im alten Griechenland.

sich mit dein andern kreuzt und dann wiederum nach vorn geführt über der
Mitte der Stirn mit dem andern zusammengeknotet ist. Im einzelnen ergeben
sich dann noch manche weiteren Unterschiede: entweder legt sich der Zopf bez.
Doppelzopf über das vom Scheitel nach der Stirn herabgestrichcue Haar wie
eine Taille und hält dasselbe fest; oder das Scheitel- und Stirnhaar ist über
die vorn zusammengebundenen Zopf-Enden darübergelcgt. Dazu treten dann
uicht selten noch andre Zöpfe, welche hinter den Ohren vorkommend in regel¬
mäßiger Anordnung vorn über die Schultern fallen und oft noch bis zur
Brust reichen. Das Stirnhaar ist meist nicht minder sorgfältig behandelt;
auch bei dieser Haartracht sind die ganz regelmäßig gelegten Stirnlöckchen, in
einer oder in mehreren Reihen angeordnet, sehr gewöhnlich.

Das sind die wesentlichsten archaischen Haartrachten, soweit wir sie auf
den Denkmälern finden; doch ist damit noch keineswegs die Menge der Varie¬
täten, welche sich beobachten lassen, erschöpft. Gegenüber dieser reichen Mannich-
faltigkeit berichten uns die Schriftsteller namentlich von einer altertüm¬
lichen Haartracht. In jener schon oben angeführten Stelle des Thukhdides,
welche uns von den laugen Chitonen berichtet, welche früher die Athener trugen,
wird zugleich erzählt, man habe gleichzeitig mit jener altväterischen Kleidung
auch die altertümliche Haaranorduung verlassen, bei welcher man das Haar in
den sogenannten „Krobylos" aufband und goldene „Cikaden" hineinsteckte.
Über diesen, auch von andern Schriftstellern erwähnten „Krobylvs," der identisch
zu sein scheint mit der anderwärts sich findenden Bezeichnung „Korymbos," sowie
über die goldenen Cikaden sind nun die verschiedenartigsten Ansichten aufgestellt
worden. Bald hielt man den im Nacken oder Scheitel kunstlos zusammenge¬
faßten und aufgebundenen Hnarkuoten, der anch später noch bei Frauen und
Kindern, sowie in Apollofiguren sehr häufig ist, für den Krobylos; bald meinte
man, wie Conze, in jener oben beschriebenen Art, den bandartig gefügten Haar-
schopf in eigentümlicher Weise am Hinterkopfe aufzubinden, den attischen Krobylos
zu erkennen, wobei dann eine dafür zur Verwendung kommende Nadel die Be¬
zeichnung Cikade geführt habe; bald glaubte man luden Cikaden einfache Fibeln zur
Befestigung der Haare zu erkennen. Helbig a. a. O. ist der Ansicht, daß jene
von ihm als Lockenhalter erklärten Spiralen auch später noch zur Verwendung
gekommen und wegen einer gewissen (aber doch gar fernliegenden) Ähnlichkeit
mit dem eingesunkenen Leibe der Cikaden benannt worden seien; Schreiber endlich
hält den oben besprochenen, wesentlich auf attischen Denkmälern vorkommenden
Dvppelzopf, welcher von den Ohren ausgehend vorn durch eine Cikaden-Nadel
befestigt worden sei, für den Krobylvs oder Korhmbos. Von allen diesen Hypo¬
thesen über die Cikaden zeichnet sich keine einzige vor den andern dnrch
größere Wahrscheinlichkeit aus. Denn wir finden eben ganz verschiedenartige
Haartrachten in alter Zeit offenbar gleichzeitig nebeneinander im Gebrauch,
sodaß ein Anhaltepunkt dafür, daß die eine oder die andre gerade der Krobylos


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[0478] Die Mode im alten Griechenland. sich mit dein andern kreuzt und dann wiederum nach vorn geführt über der Mitte der Stirn mit dem andern zusammengeknotet ist. Im einzelnen ergeben sich dann noch manche weiteren Unterschiede: entweder legt sich der Zopf bez. Doppelzopf über das vom Scheitel nach der Stirn herabgestrichcue Haar wie eine Taille und hält dasselbe fest; oder das Scheitel- und Stirnhaar ist über die vorn zusammengebundenen Zopf-Enden darübergelcgt. Dazu treten dann uicht selten noch andre Zöpfe, welche hinter den Ohren vorkommend in regel¬ mäßiger Anordnung vorn über die Schultern fallen und oft noch bis zur Brust reichen. Das Stirnhaar ist meist nicht minder sorgfältig behandelt; auch bei dieser Haartracht sind die ganz regelmäßig gelegten Stirnlöckchen, in einer oder in mehreren Reihen angeordnet, sehr gewöhnlich. Das sind die wesentlichsten archaischen Haartrachten, soweit wir sie auf den Denkmälern finden; doch ist damit noch keineswegs die Menge der Varie¬ täten, welche sich beobachten lassen, erschöpft. Gegenüber dieser reichen Mannich- faltigkeit berichten uns die Schriftsteller namentlich von einer altertüm¬ lichen Haartracht. In jener schon oben angeführten Stelle des Thukhdides, welche uns von den laugen Chitonen berichtet, welche früher die Athener trugen, wird zugleich erzählt, man habe gleichzeitig mit jener altväterischen Kleidung auch die altertümliche Haaranorduung verlassen, bei welcher man das Haar in den sogenannten „Krobylos" aufband und goldene „Cikaden" hineinsteckte. Über diesen, auch von andern Schriftstellern erwähnten „Krobylvs," der identisch zu sein scheint mit der anderwärts sich findenden Bezeichnung „Korymbos," sowie über die goldenen Cikaden sind nun die verschiedenartigsten Ansichten aufgestellt worden. Bald hielt man den im Nacken oder Scheitel kunstlos zusammenge¬ faßten und aufgebundenen Hnarkuoten, der anch später noch bei Frauen und Kindern, sowie in Apollofiguren sehr häufig ist, für den Krobylos; bald meinte man, wie Conze, in jener oben beschriebenen Art, den bandartig gefügten Haar- schopf in eigentümlicher Weise am Hinterkopfe aufzubinden, den attischen Krobylos zu erkennen, wobei dann eine dafür zur Verwendung kommende Nadel die Be¬ zeichnung Cikade geführt habe; bald glaubte man luden Cikaden einfache Fibeln zur Befestigung der Haare zu erkennen. Helbig a. a. O. ist der Ansicht, daß jene von ihm als Lockenhalter erklärten Spiralen auch später noch zur Verwendung gekommen und wegen einer gewissen (aber doch gar fernliegenden) Ähnlichkeit mit dem eingesunkenen Leibe der Cikaden benannt worden seien; Schreiber endlich hält den oben besprochenen, wesentlich auf attischen Denkmälern vorkommenden Dvppelzopf, welcher von den Ohren ausgehend vorn durch eine Cikaden-Nadel befestigt worden sei, für den Krobylvs oder Korhmbos. Von allen diesen Hypo¬ thesen über die Cikaden zeichnet sich keine einzige vor den andern dnrch größere Wahrscheinlichkeit aus. Denn wir finden eben ganz verschiedenartige Haartrachten in alter Zeit offenbar gleichzeitig nebeneinander im Gebrauch, sodaß ein Anhaltepunkt dafür, daß die eine oder die andre gerade der Krobylos

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/478>, abgerufen am 23.07.2024.