Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Mode im alten Griechenland.

pitel der Schmucksachen, um uns schließlich der Haartracht zuzuwenden, bei
welcher wiederum in viel höherem Maße von wirklicher Mode die Rede ist.

Auffallenderweise sind es hier nicht, wie bei der Kleidung die Frauen, die
da in erster Linie in Betracht kommen, sondern die Männer. Zwar haben die
Frauen zu allen Zeiten einen großen Reichtum an Haararrangements gekannt,
und auch hierbei ist die Mode vou bedeutendem Einfluß gewesen; aber dieser
Einfluß der Mode fällt uns in den älteren Jahrhunderten der griechischen
Kultur bei der Haartracht der Müuner viel stärker auf als bei der der Frauen,
weil bei letzterer künstliche Haarmoden uns nicht verwunderlich erscheinen, wäh¬
rend sie uns bei jenen einigermaßen befremden.

Daß in der heroischen Zeit volles Lockenhaar den Schmuck des Mannes
ausmachte, darauf deuten neben dem so beliebten Epitheton der "hanptumlockten
Achäer" manche Stellen des Epos hin; verschiedene Andeutungen scheinen des
weiteren auch dafür zu sprechen, daß man dabei nicht die Locken fo fallen ließ,
wie die Natur es mit 'sich brachte, sondern sich künstlicher Vorrichtungen be¬
diente, welche den regelmäßigen Fall der Locken erleichtern und konserviren sollten.
Zwar wenn der "weibische Paris" mit seinem Horn prunkvoll genannt wird
und alte Erklärer dieses "Horn" als einen hornühnlich gedrehten Zopf oder
eine Flechte bezeichnen, so könnte man am Ende derartige Frisuren lediglich durch
Anwendung von Pomaden oder andern kosmetischen Mitteln sich hergestellt
denken; aber die Stelle (Ilias 17, 52), wo von den goldenen nud silbernen
Lockenhaltern des Troers Euphorbos die Rede ist, spricht deutlich genug von
künstlichen Haareiulageu. Daß diese Tracht des langen, regelmäßig gelockten
Haares zunächst längere Zeit im Gebrauch blieb, dafür sind die ältesten Skulptur-
denkmciler und Vasenbilder hinreichend Beleg, da wir bei diesen fast durch¬
weg langes, über den Nacken fallendes Haar sehen, welches meist (wie z. B. an
den sogenannten Apollostatuen von Thera, Orchomenos und Tenea) in ganz
regelmäßig steifen Flechten, die auch wohl horizontale Weitung aufweisen, herab¬
wallt, während kleine, ebenso peinlich genan arrangirte Löckchen die Stirn um¬
rahmen. Was nun die Hilfsmittel anlangt, mittels deren diese Haartracht
hervorgebracht wurde, so hat Helbig schon vor mehreren Jahren die Ansicht
aufgestellt und sie neuerdings in seinem obenerwähnten Buche (S. 166 ff.)
mit neuen Gründen unterstützt, daß die in alten Gräbern an verschiedenen
Punkten der alten Welt vorkommenden Spiralen aus Bronze-, Silber- oder
Golddraht dazu gedient hätten, die Locken daran zu befestigen. Obgleich in¬
dessen zur Unterstützung dieser Hypothese angeführt wird, daß in etruskischen
Gräbern diese Spiralen oft neben der Stelle, wo der Kopf der Leiche ruht
gefunden werden (und zwar gewöhnlich eine auf jeder Seite), so ist Helbigs
Vermutung doch keineswegs über allen Zweifel erhaben; und wenn von andrer
Seite (zuletzt von Hehdemanu) jene Spiralen als Ohrringe gedeutet worden
sind, so soll dies sogar ganz neuerdings (Journalnachrichten zufolge) durch


Die Mode im alten Griechenland.

pitel der Schmucksachen, um uns schließlich der Haartracht zuzuwenden, bei
welcher wiederum in viel höherem Maße von wirklicher Mode die Rede ist.

Auffallenderweise sind es hier nicht, wie bei der Kleidung die Frauen, die
da in erster Linie in Betracht kommen, sondern die Männer. Zwar haben die
Frauen zu allen Zeiten einen großen Reichtum an Haararrangements gekannt,
und auch hierbei ist die Mode vou bedeutendem Einfluß gewesen; aber dieser
Einfluß der Mode fällt uns in den älteren Jahrhunderten der griechischen
Kultur bei der Haartracht der Müuner viel stärker auf als bei der der Frauen,
weil bei letzterer künstliche Haarmoden uns nicht verwunderlich erscheinen, wäh¬
rend sie uns bei jenen einigermaßen befremden.

Daß in der heroischen Zeit volles Lockenhaar den Schmuck des Mannes
ausmachte, darauf deuten neben dem so beliebten Epitheton der „hanptumlockten
Achäer" manche Stellen des Epos hin; verschiedene Andeutungen scheinen des
weiteren auch dafür zu sprechen, daß man dabei nicht die Locken fo fallen ließ,
wie die Natur es mit 'sich brachte, sondern sich künstlicher Vorrichtungen be¬
diente, welche den regelmäßigen Fall der Locken erleichtern und konserviren sollten.
Zwar wenn der „weibische Paris" mit seinem Horn prunkvoll genannt wird
und alte Erklärer dieses „Horn" als einen hornühnlich gedrehten Zopf oder
eine Flechte bezeichnen, so könnte man am Ende derartige Frisuren lediglich durch
Anwendung von Pomaden oder andern kosmetischen Mitteln sich hergestellt
denken; aber die Stelle (Ilias 17, 52), wo von den goldenen nud silbernen
Lockenhaltern des Troers Euphorbos die Rede ist, spricht deutlich genug von
künstlichen Haareiulageu. Daß diese Tracht des langen, regelmäßig gelockten
Haares zunächst längere Zeit im Gebrauch blieb, dafür sind die ältesten Skulptur-
denkmciler und Vasenbilder hinreichend Beleg, da wir bei diesen fast durch¬
weg langes, über den Nacken fallendes Haar sehen, welches meist (wie z. B. an
den sogenannten Apollostatuen von Thera, Orchomenos und Tenea) in ganz
regelmäßig steifen Flechten, die auch wohl horizontale Weitung aufweisen, herab¬
wallt, während kleine, ebenso peinlich genan arrangirte Löckchen die Stirn um¬
rahmen. Was nun die Hilfsmittel anlangt, mittels deren diese Haartracht
hervorgebracht wurde, so hat Helbig schon vor mehreren Jahren die Ansicht
aufgestellt und sie neuerdings in seinem obenerwähnten Buche (S. 166 ff.)
mit neuen Gründen unterstützt, daß die in alten Gräbern an verschiedenen
Punkten der alten Welt vorkommenden Spiralen aus Bronze-, Silber- oder
Golddraht dazu gedient hätten, die Locken daran zu befestigen. Obgleich in¬
dessen zur Unterstützung dieser Hypothese angeführt wird, daß in etruskischen
Gräbern diese Spiralen oft neben der Stelle, wo der Kopf der Leiche ruht
gefunden werden (und zwar gewöhnlich eine auf jeder Seite), so ist Helbigs
Vermutung doch keineswegs über allen Zweifel erhaben; und wenn von andrer
Seite (zuletzt von Hehdemanu) jene Spiralen als Ohrringe gedeutet worden
sind, so soll dies sogar ganz neuerdings (Journalnachrichten zufolge) durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195152"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Mode im alten Griechenland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1729" prev="#ID_1728"> pitel der Schmucksachen, um uns schließlich der Haartracht zuzuwenden, bei<lb/>
welcher wiederum in viel höherem Maße von wirklicher Mode die Rede ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1730"> Auffallenderweise sind es hier nicht, wie bei der Kleidung die Frauen, die<lb/>
da in erster Linie in Betracht kommen, sondern die Männer. Zwar haben die<lb/>
Frauen zu allen Zeiten einen großen Reichtum an Haararrangements gekannt,<lb/>
und auch hierbei ist die Mode vou bedeutendem Einfluß gewesen; aber dieser<lb/>
Einfluß der Mode fällt uns in den älteren Jahrhunderten der griechischen<lb/>
Kultur bei der Haartracht der Müuner viel stärker auf als bei der der Frauen,<lb/>
weil bei letzterer künstliche Haarmoden uns nicht verwunderlich erscheinen, wäh¬<lb/>
rend sie uns bei jenen einigermaßen befremden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1731" next="#ID_1732"> Daß in der heroischen Zeit volles Lockenhaar den Schmuck des Mannes<lb/>
ausmachte, darauf deuten neben dem so beliebten Epitheton der &#x201E;hanptumlockten<lb/>
Achäer" manche Stellen des Epos hin; verschiedene Andeutungen scheinen des<lb/>
weiteren auch dafür zu sprechen, daß man dabei nicht die Locken fo fallen ließ,<lb/>
wie die Natur es mit 'sich brachte, sondern sich künstlicher Vorrichtungen be¬<lb/>
diente, welche den regelmäßigen Fall der Locken erleichtern und konserviren sollten.<lb/>
Zwar wenn der &#x201E;weibische Paris" mit seinem Horn prunkvoll genannt wird<lb/>
und alte Erklärer dieses &#x201E;Horn" als einen hornühnlich gedrehten Zopf oder<lb/>
eine Flechte bezeichnen, so könnte man am Ende derartige Frisuren lediglich durch<lb/>
Anwendung von Pomaden oder andern kosmetischen Mitteln sich hergestellt<lb/>
denken; aber die Stelle (Ilias 17, 52), wo von den goldenen nud silbernen<lb/>
Lockenhaltern des Troers Euphorbos die Rede ist, spricht deutlich genug von<lb/>
künstlichen Haareiulageu. Daß diese Tracht des langen, regelmäßig gelockten<lb/>
Haares zunächst längere Zeit im Gebrauch blieb, dafür sind die ältesten Skulptur-<lb/>
denkmciler und Vasenbilder hinreichend Beleg, da wir bei diesen fast durch¬<lb/>
weg langes, über den Nacken fallendes Haar sehen, welches meist (wie z. B. an<lb/>
den sogenannten Apollostatuen von Thera, Orchomenos und Tenea) in ganz<lb/>
regelmäßig steifen Flechten, die auch wohl horizontale Weitung aufweisen, herab¬<lb/>
wallt, während kleine, ebenso peinlich genan arrangirte Löckchen die Stirn um¬<lb/>
rahmen. Was nun die Hilfsmittel anlangt, mittels deren diese Haartracht<lb/>
hervorgebracht wurde, so hat Helbig schon vor mehreren Jahren die Ansicht<lb/>
aufgestellt und sie neuerdings in seinem obenerwähnten Buche (S. 166 ff.)<lb/>
mit neuen Gründen unterstützt, daß die in alten Gräbern an verschiedenen<lb/>
Punkten der alten Welt vorkommenden Spiralen aus Bronze-, Silber- oder<lb/>
Golddraht dazu gedient hätten, die Locken daran zu befestigen. Obgleich in¬<lb/>
dessen zur Unterstützung dieser Hypothese angeführt wird, daß in etruskischen<lb/>
Gräbern diese Spiralen oft neben der Stelle, wo der Kopf der Leiche ruht<lb/>
gefunden werden (und zwar gewöhnlich eine auf jeder Seite), so ist Helbigs<lb/>
Vermutung doch keineswegs über allen Zweifel erhaben; und wenn von andrer<lb/>
Seite (zuletzt von Hehdemanu) jene Spiralen als Ohrringe gedeutet worden<lb/>
sind, so soll dies sogar ganz neuerdings (Journalnachrichten zufolge) durch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] Die Mode im alten Griechenland. pitel der Schmucksachen, um uns schließlich der Haartracht zuzuwenden, bei welcher wiederum in viel höherem Maße von wirklicher Mode die Rede ist. Auffallenderweise sind es hier nicht, wie bei der Kleidung die Frauen, die da in erster Linie in Betracht kommen, sondern die Männer. Zwar haben die Frauen zu allen Zeiten einen großen Reichtum an Haararrangements gekannt, und auch hierbei ist die Mode vou bedeutendem Einfluß gewesen; aber dieser Einfluß der Mode fällt uns in den älteren Jahrhunderten der griechischen Kultur bei der Haartracht der Müuner viel stärker auf als bei der der Frauen, weil bei letzterer künstliche Haarmoden uns nicht verwunderlich erscheinen, wäh¬ rend sie uns bei jenen einigermaßen befremden. Daß in der heroischen Zeit volles Lockenhaar den Schmuck des Mannes ausmachte, darauf deuten neben dem so beliebten Epitheton der „hanptumlockten Achäer" manche Stellen des Epos hin; verschiedene Andeutungen scheinen des weiteren auch dafür zu sprechen, daß man dabei nicht die Locken fo fallen ließ, wie die Natur es mit 'sich brachte, sondern sich künstlicher Vorrichtungen be¬ diente, welche den regelmäßigen Fall der Locken erleichtern und konserviren sollten. Zwar wenn der „weibische Paris" mit seinem Horn prunkvoll genannt wird und alte Erklärer dieses „Horn" als einen hornühnlich gedrehten Zopf oder eine Flechte bezeichnen, so könnte man am Ende derartige Frisuren lediglich durch Anwendung von Pomaden oder andern kosmetischen Mitteln sich hergestellt denken; aber die Stelle (Ilias 17, 52), wo von den goldenen nud silbernen Lockenhaltern des Troers Euphorbos die Rede ist, spricht deutlich genug von künstlichen Haareiulageu. Daß diese Tracht des langen, regelmäßig gelockten Haares zunächst längere Zeit im Gebrauch blieb, dafür sind die ältesten Skulptur- denkmciler und Vasenbilder hinreichend Beleg, da wir bei diesen fast durch¬ weg langes, über den Nacken fallendes Haar sehen, welches meist (wie z. B. an den sogenannten Apollostatuen von Thera, Orchomenos und Tenea) in ganz regelmäßig steifen Flechten, die auch wohl horizontale Weitung aufweisen, herab¬ wallt, während kleine, ebenso peinlich genan arrangirte Löckchen die Stirn um¬ rahmen. Was nun die Hilfsmittel anlangt, mittels deren diese Haartracht hervorgebracht wurde, so hat Helbig schon vor mehreren Jahren die Ansicht aufgestellt und sie neuerdings in seinem obenerwähnten Buche (S. 166 ff.) mit neuen Gründen unterstützt, daß die in alten Gräbern an verschiedenen Punkten der alten Welt vorkommenden Spiralen aus Bronze-, Silber- oder Golddraht dazu gedient hätten, die Locken daran zu befestigen. Obgleich in¬ dessen zur Unterstützung dieser Hypothese angeführt wird, daß in etruskischen Gräbern diese Spiralen oft neben der Stelle, wo der Kopf der Leiche ruht gefunden werden (und zwar gewöhnlich eine auf jeder Seite), so ist Helbigs Vermutung doch keineswegs über allen Zweifel erhaben; und wenn von andrer Seite (zuletzt von Hehdemanu) jene Spiralen als Ohrringe gedeutet worden sind, so soll dies sogar ganz neuerdings (Journalnachrichten zufolge) durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/476>, abgerufen am 25.08.2024.