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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Mode im alten Griechenland.

weder so, daß das Tuch dabei den ganzen Rücken bedeckt und hinten noch weiter
herabfällt, oder so, daß es, ähnlich einem Shawl oder einer sogenannten Echarpe,
mehrfach zusammengelegt, bloß um einen Teil des Rückens gelegt wird und
demnach auch in mehrfachen Lagen über die Arme nach vorn fällt. Zweitens
ist sehr gewöhnlich die später allgemeine Art des Anlegens, wobei das Himation
vom Rücken her mit dem einen Ende über die linke Schulter gelegt und mit dem
an den Körper gepreßten linken Arme festgehalten wird; darauf wird das Tuch
in ganzer Breite über den Rücken hinweggezogen und auf der rechten Seite
wieder nach vorn geführt: entweder über die rechte Schulter und den rechten
Arm hinweg oder unter der rechten Achsel hindurch, sodciß der rechte Arm und
die Schulter frei bleiben. Schließlich wird dann das so nach vorn geführte Ende
quer über den Leib geschlagen und wieder über die linke Schulter nach hinten
geworfen, sodaß der zuerst über diese Schulter geworfene Zipfel nunmehr durch
die Last des letzten, darüber gelegten Endes (in der Regel wird das Gewicht
dieser Zipfel noch durch eingenähte kleine Thon- oder Bleikugeln erhöht) voll¬
ständig festgehalten wird. Eine dritte Art, das Himation umzulegen, ist die,
daß es von der rechten Schulter quer über die Brust zur linken Hüfte herab¬
geht, wobei die linke Brust frei bleibt und die Zipfel an der rechten Seite des
Körpers herabhängen. Bostan nimmt an, daß hierbei häufig das Himation
auf der Schulter durch Nadeln festgehalten oder auch zusammengenäht gewesen sei.
Es ist dies jedenfalls auch in gewissen Fällen zuzugeben, dagegen möchte ich
seine weitere Behauptung, daß das Himation ursprünglich überhaupt kein zum
bloßen Umwerfen, sondern ein zum Festnadeln bestimmtes Gewand gewesen sei,
doch bezweifeln.

Die oben beschriebene Tracht des Chitons, welcher durch Gürtnng und
Nadelung Bausch und Überschlag bildet, nebst dem darüber geworfenen Himation,
bleibt auch in der Folgezeit bestehen und scheint sich in der griechischen Tracht
sehr lange erhalten zu haben. Selbstverständlich ist sie aber niemals die alleinige
gewesen. Teils behielt man zwar ihre Form bei, machte sich aber die Kleidung
selbst etwas bequemer, indem man den Überschlag wiederum, wie wir es schon
früher gefunden haben, als besondres, für sich anzulegendes Kleidungsstück ar¬
beitete; teils wählte man überhaupt auch wieder Kleidungsstücke von anderm
Schnitt oder veränderte die Art, sie zu tragen, wofür die späteren Vasenbilder,
namentlich auch unteritalischer Fundorte, zahlreiche Belege liefern. Auch in der
Folgezeit kommt es nicht selten vor, daß der Überschlag so lang gezogen wird,
daß er unterhalb des Gürtels liegt, und daß der Bausch entweder ganz fehlt
oder, wenn er angebracht wird, oberhalb des Überschlag-Endes zu liegen kommt,
statt wie bei der klassischen attischen Tracht, unterhalb desselben. Die Gürtung
fehlt mitunter ganz, in andern Fällen liegt sie nicht, wie die Natur es mit sich
bringt, unmittelbar über den Hüften, sondern (ähnlich wie zur Zeit des Em¬
pire) dicht unter der Brust. Auch das mit genähten Ärmeln versehene Gewand


Die Mode im alten Griechenland.

weder so, daß das Tuch dabei den ganzen Rücken bedeckt und hinten noch weiter
herabfällt, oder so, daß es, ähnlich einem Shawl oder einer sogenannten Echarpe,
mehrfach zusammengelegt, bloß um einen Teil des Rückens gelegt wird und
demnach auch in mehrfachen Lagen über die Arme nach vorn fällt. Zweitens
ist sehr gewöhnlich die später allgemeine Art des Anlegens, wobei das Himation
vom Rücken her mit dem einen Ende über die linke Schulter gelegt und mit dem
an den Körper gepreßten linken Arme festgehalten wird; darauf wird das Tuch
in ganzer Breite über den Rücken hinweggezogen und auf der rechten Seite
wieder nach vorn geführt: entweder über die rechte Schulter und den rechten
Arm hinweg oder unter der rechten Achsel hindurch, sodciß der rechte Arm und
die Schulter frei bleiben. Schließlich wird dann das so nach vorn geführte Ende
quer über den Leib geschlagen und wieder über die linke Schulter nach hinten
geworfen, sodaß der zuerst über diese Schulter geworfene Zipfel nunmehr durch
die Last des letzten, darüber gelegten Endes (in der Regel wird das Gewicht
dieser Zipfel noch durch eingenähte kleine Thon- oder Bleikugeln erhöht) voll¬
ständig festgehalten wird. Eine dritte Art, das Himation umzulegen, ist die,
daß es von der rechten Schulter quer über die Brust zur linken Hüfte herab¬
geht, wobei die linke Brust frei bleibt und die Zipfel an der rechten Seite des
Körpers herabhängen. Bostan nimmt an, daß hierbei häufig das Himation
auf der Schulter durch Nadeln festgehalten oder auch zusammengenäht gewesen sei.
Es ist dies jedenfalls auch in gewissen Fällen zuzugeben, dagegen möchte ich
seine weitere Behauptung, daß das Himation ursprünglich überhaupt kein zum
bloßen Umwerfen, sondern ein zum Festnadeln bestimmtes Gewand gewesen sei,
doch bezweifeln.

Die oben beschriebene Tracht des Chitons, welcher durch Gürtnng und
Nadelung Bausch und Überschlag bildet, nebst dem darüber geworfenen Himation,
bleibt auch in der Folgezeit bestehen und scheint sich in der griechischen Tracht
sehr lange erhalten zu haben. Selbstverständlich ist sie aber niemals die alleinige
gewesen. Teils behielt man zwar ihre Form bei, machte sich aber die Kleidung
selbst etwas bequemer, indem man den Überschlag wiederum, wie wir es schon
früher gefunden haben, als besondres, für sich anzulegendes Kleidungsstück ar¬
beitete; teils wählte man überhaupt auch wieder Kleidungsstücke von anderm
Schnitt oder veränderte die Art, sie zu tragen, wofür die späteren Vasenbilder,
namentlich auch unteritalischer Fundorte, zahlreiche Belege liefern. Auch in der
Folgezeit kommt es nicht selten vor, daß der Überschlag so lang gezogen wird,
daß er unterhalb des Gürtels liegt, und daß der Bausch entweder ganz fehlt
oder, wenn er angebracht wird, oberhalb des Überschlag-Endes zu liegen kommt,
statt wie bei der klassischen attischen Tracht, unterhalb desselben. Die Gürtung
fehlt mitunter ganz, in andern Fällen liegt sie nicht, wie die Natur es mit sich
bringt, unmittelbar über den Hüften, sondern (ähnlich wie zur Zeit des Em¬
pire) dicht unter der Brust. Auch das mit genähten Ärmeln versehene Gewand


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[0470] Die Mode im alten Griechenland. weder so, daß das Tuch dabei den ganzen Rücken bedeckt und hinten noch weiter herabfällt, oder so, daß es, ähnlich einem Shawl oder einer sogenannten Echarpe, mehrfach zusammengelegt, bloß um einen Teil des Rückens gelegt wird und demnach auch in mehrfachen Lagen über die Arme nach vorn fällt. Zweitens ist sehr gewöhnlich die später allgemeine Art des Anlegens, wobei das Himation vom Rücken her mit dem einen Ende über die linke Schulter gelegt und mit dem an den Körper gepreßten linken Arme festgehalten wird; darauf wird das Tuch in ganzer Breite über den Rücken hinweggezogen und auf der rechten Seite wieder nach vorn geführt: entweder über die rechte Schulter und den rechten Arm hinweg oder unter der rechten Achsel hindurch, sodciß der rechte Arm und die Schulter frei bleiben. Schließlich wird dann das so nach vorn geführte Ende quer über den Leib geschlagen und wieder über die linke Schulter nach hinten geworfen, sodaß der zuerst über diese Schulter geworfene Zipfel nunmehr durch die Last des letzten, darüber gelegten Endes (in der Regel wird das Gewicht dieser Zipfel noch durch eingenähte kleine Thon- oder Bleikugeln erhöht) voll¬ ständig festgehalten wird. Eine dritte Art, das Himation umzulegen, ist die, daß es von der rechten Schulter quer über die Brust zur linken Hüfte herab¬ geht, wobei die linke Brust frei bleibt und die Zipfel an der rechten Seite des Körpers herabhängen. Bostan nimmt an, daß hierbei häufig das Himation auf der Schulter durch Nadeln festgehalten oder auch zusammengenäht gewesen sei. Es ist dies jedenfalls auch in gewissen Fällen zuzugeben, dagegen möchte ich seine weitere Behauptung, daß das Himation ursprünglich überhaupt kein zum bloßen Umwerfen, sondern ein zum Festnadeln bestimmtes Gewand gewesen sei, doch bezweifeln. Die oben beschriebene Tracht des Chitons, welcher durch Gürtnng und Nadelung Bausch und Überschlag bildet, nebst dem darüber geworfenen Himation, bleibt auch in der Folgezeit bestehen und scheint sich in der griechischen Tracht sehr lange erhalten zu haben. Selbstverständlich ist sie aber niemals die alleinige gewesen. Teils behielt man zwar ihre Form bei, machte sich aber die Kleidung selbst etwas bequemer, indem man den Überschlag wiederum, wie wir es schon früher gefunden haben, als besondres, für sich anzulegendes Kleidungsstück ar¬ beitete; teils wählte man überhaupt auch wieder Kleidungsstücke von anderm Schnitt oder veränderte die Art, sie zu tragen, wofür die späteren Vasenbilder, namentlich auch unteritalischer Fundorte, zahlreiche Belege liefern. Auch in der Folgezeit kommt es nicht selten vor, daß der Überschlag so lang gezogen wird, daß er unterhalb des Gürtels liegt, und daß der Bausch entweder ganz fehlt oder, wenn er angebracht wird, oberhalb des Überschlag-Endes zu liegen kommt, statt wie bei der klassischen attischen Tracht, unterhalb desselben. Die Gürtung fehlt mitunter ganz, in andern Fällen liegt sie nicht, wie die Natur es mit sich bringt, unmittelbar über den Hüften, sondern (ähnlich wie zur Zeit des Em¬ pire) dicht unter der Brust. Auch das mit genähten Ärmeln versehene Gewand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/470>, abgerufen am 22.07.2024.