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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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selbst erzeugt. England scheint sich um landwirtschaftliche Interessen nur noch
wenig zu kümmern. Auf eine Bauernschaft, die längst vernichtet ist, braucht
es keine Rücksicht zu nehmen. Was seinen vorgeschrittenen Politikern vorschwebt,
ist das (^'nckor-Lrlk-um, d. h. ein englisches zvllgceinigtes Weltreich, in
welchem die Provinz Großbritannien die Waaren und die Kolonien mit Aus¬
schluß derjenige", die wie Canada und Australien bereits selbst Industriestaaten
geworden sind und sich mit Schutzzöllen umgeben, das Getreide und die Roh¬
stoffe liefern. Diesem Ziele strebt seine Politik augenscheinlich zu, und wahr¬
scheinlich um soviel energischer und bewußter, als aus anderen Wege kaum eine
lokale Umwälzung in den Verhältnissen des Grundbesitzes vermieden werden
kann, d. h. eine Revolution, welche die englische Aristokratie vernichten würde.

2. Die unmittelbare Beteiligung des Kapitals an der Gütererzeugung durch
Lieferung der Werkzeuge ist, wie bereits erwähnt, eine verhältnismäßig unbe¬
deutende, so groß auch im einzelnen die Summen erscheinen mögen, die in
Maschinen angelegt sind, und so häufig auch ein einzelner Fabrikant durch
Mangel an Kapital an der Verbesserung oder Ncubeschasfuug der nötigen
Maschinen sich behindert fühlen mag. Im große" und ganzen wird die Pro¬
duktion bezüglich ihrer Werkzeuge nur wenig von dem Kapitalreichtum des
Landes abhängig sein, es wird ihr vielmehr (immer im großen und ganzen)
gelingen, so viel selbst zu erübrigen, als zu einer solchen Vervollkommnung der
Werkzeuge nötig ist, wie sie die allgemeinen und besondern Verhältnisse be¬
dingen. George weist in dieser Beziehung treffend auf das Beispiel der Sioux-
Jndiciner hin, die kein andres Bedürfnis haben als Nahrung und etwas
Kleidung, und keine andre Beschäftigung als die Jagd, und doch alle mit Ge¬
wehren neuester und bester Konstruktion Versehen sind, obwohl ihnen kein Ka¬
pitalist dazu verholfen hat.

Wir glauben, daß die Produktion im allgemeinen bezüglich ihres Bedarfs
an Werkzeugen uur in geringem Grade von dem Kapitalreichtum des Landes
abhängig sei. Noch gewisser aber ist es, daß die Menge der vorhandenen Ka¬
pitalien die Produktion durch Lieferung von Werkzeugen nicht willkürlich steigern
kann. Denn der Bedarf an Werkzeugen, ihre Vollkommenheit und Leistungs¬
fähigkeit hängt von Verhältnissen ab, welche auf anderm Gebiete liegen. Eine
Steigerung der Arbeitskraft durch komplizirte Maschinen ist nur da erforderlich,
ja uur da möglich, wo die einfache Arbeitskraft und die gewöhnlichen Werkzeuge
nicht imstande sind, dem Bedürfnisse zu genügen. "Eine mit allen neuesten
Verbesserungen ausgestattete Fabrik ist das wirksamste Instrument, das bis jetzt
ersonnen worden ist, um Wolle oder Baumwolle in Tuch zu verwandeln, aber
nur da, wo große Mengen davon gemacht werden sollen. Das für ein kleines
Dorf nötige Tuch kann mit weit weniger Arbeit durch Spinnrad und Handstuhl
hergestellt werden. Eine Schnellpresse macht auf jeden dabei beschäftigten Manu
viele tausend Abdrücke, während auf einer gewöhnlichen Presse ein Maun mit


selbst erzeugt. England scheint sich um landwirtschaftliche Interessen nur noch
wenig zu kümmern. Auf eine Bauernschaft, die längst vernichtet ist, braucht
es keine Rücksicht zu nehmen. Was seinen vorgeschrittenen Politikern vorschwebt,
ist das (^'nckor-Lrlk-um, d. h. ein englisches zvllgceinigtes Weltreich, in
welchem die Provinz Großbritannien die Waaren und die Kolonien mit Aus¬
schluß derjenige», die wie Canada und Australien bereits selbst Industriestaaten
geworden sind und sich mit Schutzzöllen umgeben, das Getreide und die Roh¬
stoffe liefern. Diesem Ziele strebt seine Politik augenscheinlich zu, und wahr¬
scheinlich um soviel energischer und bewußter, als aus anderen Wege kaum eine
lokale Umwälzung in den Verhältnissen des Grundbesitzes vermieden werden
kann, d. h. eine Revolution, welche die englische Aristokratie vernichten würde.

2. Die unmittelbare Beteiligung des Kapitals an der Gütererzeugung durch
Lieferung der Werkzeuge ist, wie bereits erwähnt, eine verhältnismäßig unbe¬
deutende, so groß auch im einzelnen die Summen erscheinen mögen, die in
Maschinen angelegt sind, und so häufig auch ein einzelner Fabrikant durch
Mangel an Kapital an der Verbesserung oder Ncubeschasfuug der nötigen
Maschinen sich behindert fühlen mag. Im große» und ganzen wird die Pro¬
duktion bezüglich ihrer Werkzeuge nur wenig von dem Kapitalreichtum des
Landes abhängig sein, es wird ihr vielmehr (immer im großen und ganzen)
gelingen, so viel selbst zu erübrigen, als zu einer solchen Vervollkommnung der
Werkzeuge nötig ist, wie sie die allgemeinen und besondern Verhältnisse be¬
dingen. George weist in dieser Beziehung treffend auf das Beispiel der Sioux-
Jndiciner hin, die kein andres Bedürfnis haben als Nahrung und etwas
Kleidung, und keine andre Beschäftigung als die Jagd, und doch alle mit Ge¬
wehren neuester und bester Konstruktion Versehen sind, obwohl ihnen kein Ka¬
pitalist dazu verholfen hat.

Wir glauben, daß die Produktion im allgemeinen bezüglich ihres Bedarfs
an Werkzeugen uur in geringem Grade von dem Kapitalreichtum des Landes
abhängig sei. Noch gewisser aber ist es, daß die Menge der vorhandenen Ka¬
pitalien die Produktion durch Lieferung von Werkzeugen nicht willkürlich steigern
kann. Denn der Bedarf an Werkzeugen, ihre Vollkommenheit und Leistungs¬
fähigkeit hängt von Verhältnissen ab, welche auf anderm Gebiete liegen. Eine
Steigerung der Arbeitskraft durch komplizirte Maschinen ist nur da erforderlich,
ja uur da möglich, wo die einfache Arbeitskraft und die gewöhnlichen Werkzeuge
nicht imstande sind, dem Bedürfnisse zu genügen. „Eine mit allen neuesten
Verbesserungen ausgestattete Fabrik ist das wirksamste Instrument, das bis jetzt
ersonnen worden ist, um Wolle oder Baumwolle in Tuch zu verwandeln, aber
nur da, wo große Mengen davon gemacht werden sollen. Das für ein kleines
Dorf nötige Tuch kann mit weit weniger Arbeit durch Spinnrad und Handstuhl
hergestellt werden. Eine Schnellpresse macht auf jeden dabei beschäftigten Manu
viele tausend Abdrücke, während auf einer gewöhnlichen Presse ein Maun mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/456>, abgerufen am 22.07.2024.