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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Verfahren den erforderlichen Gehorsam zu erzwingen, um die notwendigen
Polizeilicher Maßregeln durchsetzen zu können, können jm Londonj garnicht
vorkommen, dort wird es deshalb mich der Behörde viel leichter, Ordnuugs-
Pvlizei zu üben und äußere Ordnung aufrecht zu erhalten."")

Soll nun ernstlich Wandel geschaffen und auch bei uns ein erträgliches
Verhältnis hergestellt werden, so müssen vor allen Dingen die hier entwickelten
Mängel beseitigt werden. Man betrachte den Polizeibeamten vor Gericht in
erster Linie als einen glaubhaften Beamten, als äußersten Notbehelf gebe man
dem Richter die Möglichkeit, ihn in Zweifclsfüllen zu vereidigen. Man lege der
Staatsanwaltschaft die Verpflichtung ans, alle Ersuchen der Polizei auszuführen,
oder berechtige die Polizei im Falle der Weigerung der Staatsanwaltsckmft,
selbst zu handeln, auch als Nebenkläger aufzutreten, man beseitige die Berufung
gegen den Erlaß polizeilicher Strafverfnguugen an das Schöffengericht und lasse
diese Berufung an die vorgesetzte Verwaltnngsgcrichtsinstanz, also an den Kreis-
vder Bezirksausschuß, gehen, gestatte aber daneben die sofortige Vollstreckung
der Polizeistrafe, welche' jn im Falle des Unterliegens zurückgezahlt werden kann.
Soll aber die Berufung an das Schöffengericht aufrecht erhalten werden, dann
Rede mau der Polizei die Möglichkeit, ihre Sache selbst zu vertreten, stelle das
Verfahren nach Erlaß polizeilicher Strafvcrfügnngen dem auf Grund einer
staatsanwnltlichen Anklageschrift und eines richterlichen Strafbefehls gleich, be¬
schränke die Thätigkeit des Gerichts auf die (thatsächliche und rechtliche) Schuld-
fmge, und zwar dergestalt, daß der Angeschuldigte als Bcrufungskläger die
Unrichtigkeit der polizeilichen Verfügung darzuthun hat, während die polizei¬
liche Strafansmessung unanfechtbar ist, man erkläre diese Sachen als schleunig
zu behandelnde Eilsachen oder gestatte die Vollstreckung der erkannten Polizei¬
strafe noch vor der gerichtlichen Verhandlung, wiederum mit cventncller Aus¬
sicht auf Rückerstattung der eingezogenen Strafe. Endlich muß die Polizei
Mitteilung darüber erhalten, wie und weshalb auf Grund ihrer Strafverfügung
das Gericht später erkannt habe.

3. Zum Schlüsse noch einige Worte über den dritten Punkt unsrer Be¬
trachtungen, die richterliche Prüfung von Pvlizeivcrorduungcn.

In Preußen z. B. gestatten das Gesetz über die Polizeiverwaltung vom
U. März 1850 und die ihnen nachgebildeten Erlasse, sowie das Gesetz über
die allgemeine Laudesverwnltuug vom 30. Juli 1883, 8 136 ff., daß Polizei-
Verordnungen von den Ministern, den Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten,
Regierungen, Landräten, Amtmännern und Ortspolizeibehörden erlassen werden
dürfen, nachdem in den meisten Fällen das Selbstverwaltnngsorgan der be¬
treffenden Instanz seine Zustimmung gegeben hat.



*) Berliner Polizeibericht, S. 34.

Verfahren den erforderlichen Gehorsam zu erzwingen, um die notwendigen
Polizeilicher Maßregeln durchsetzen zu können, können jm Londonj garnicht
vorkommen, dort wird es deshalb mich der Behörde viel leichter, Ordnuugs-
Pvlizei zu üben und äußere Ordnung aufrecht zu erhalten."")

Soll nun ernstlich Wandel geschaffen und auch bei uns ein erträgliches
Verhältnis hergestellt werden, so müssen vor allen Dingen die hier entwickelten
Mängel beseitigt werden. Man betrachte den Polizeibeamten vor Gericht in
erster Linie als einen glaubhaften Beamten, als äußersten Notbehelf gebe man
dem Richter die Möglichkeit, ihn in Zweifclsfüllen zu vereidigen. Man lege der
Staatsanwaltschaft die Verpflichtung ans, alle Ersuchen der Polizei auszuführen,
oder berechtige die Polizei im Falle der Weigerung der Staatsanwaltsckmft,
selbst zu handeln, auch als Nebenkläger aufzutreten, man beseitige die Berufung
gegen den Erlaß polizeilicher Strafverfnguugen an das Schöffengericht und lasse
diese Berufung an die vorgesetzte Verwaltnngsgcrichtsinstanz, also an den Kreis-
vder Bezirksausschuß, gehen, gestatte aber daneben die sofortige Vollstreckung
der Polizeistrafe, welche' jn im Falle des Unterliegens zurückgezahlt werden kann.
Soll aber die Berufung an das Schöffengericht aufrecht erhalten werden, dann
Rede mau der Polizei die Möglichkeit, ihre Sache selbst zu vertreten, stelle das
Verfahren nach Erlaß polizeilicher Strafvcrfügnngen dem auf Grund einer
staatsanwnltlichen Anklageschrift und eines richterlichen Strafbefehls gleich, be¬
schränke die Thätigkeit des Gerichts auf die (thatsächliche und rechtliche) Schuld-
fmge, und zwar dergestalt, daß der Angeschuldigte als Bcrufungskläger die
Unrichtigkeit der polizeilichen Verfügung darzuthun hat, während die polizei¬
liche Strafansmessung unanfechtbar ist, man erkläre diese Sachen als schleunig
zu behandelnde Eilsachen oder gestatte die Vollstreckung der erkannten Polizei¬
strafe noch vor der gerichtlichen Verhandlung, wiederum mit cventncller Aus¬
sicht auf Rückerstattung der eingezogenen Strafe. Endlich muß die Polizei
Mitteilung darüber erhalten, wie und weshalb auf Grund ihrer Strafverfügung
das Gericht später erkannt habe.

3. Zum Schlüsse noch einige Worte über den dritten Punkt unsrer Be¬
trachtungen, die richterliche Prüfung von Pvlizeivcrorduungcn.

In Preußen z. B. gestatten das Gesetz über die Polizeiverwaltung vom
U. März 1850 und die ihnen nachgebildeten Erlasse, sowie das Gesetz über
die allgemeine Laudesverwnltuug vom 30. Juli 1883, 8 136 ff., daß Polizei-
Verordnungen von den Ministern, den Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten,
Regierungen, Landräten, Amtmännern und Ortspolizeibehörden erlassen werden
dürfen, nachdem in den meisten Fällen das Selbstverwaltnngsorgan der be¬
treffenden Instanz seine Zustimmung gegeben hat.



*) Berliner Polizeibericht, S. 34.
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[0409] Verfahren den erforderlichen Gehorsam zu erzwingen, um die notwendigen Polizeilicher Maßregeln durchsetzen zu können, können jm Londonj garnicht vorkommen, dort wird es deshalb mich der Behörde viel leichter, Ordnuugs- Pvlizei zu üben und äußere Ordnung aufrecht zu erhalten."") Soll nun ernstlich Wandel geschaffen und auch bei uns ein erträgliches Verhältnis hergestellt werden, so müssen vor allen Dingen die hier entwickelten Mängel beseitigt werden. Man betrachte den Polizeibeamten vor Gericht in erster Linie als einen glaubhaften Beamten, als äußersten Notbehelf gebe man dem Richter die Möglichkeit, ihn in Zweifclsfüllen zu vereidigen. Man lege der Staatsanwaltschaft die Verpflichtung ans, alle Ersuchen der Polizei auszuführen, oder berechtige die Polizei im Falle der Weigerung der Staatsanwaltsckmft, selbst zu handeln, auch als Nebenkläger aufzutreten, man beseitige die Berufung gegen den Erlaß polizeilicher Strafverfnguugen an das Schöffengericht und lasse diese Berufung an die vorgesetzte Verwaltnngsgcrichtsinstanz, also an den Kreis- vder Bezirksausschuß, gehen, gestatte aber daneben die sofortige Vollstreckung der Polizeistrafe, welche' jn im Falle des Unterliegens zurückgezahlt werden kann. Soll aber die Berufung an das Schöffengericht aufrecht erhalten werden, dann Rede mau der Polizei die Möglichkeit, ihre Sache selbst zu vertreten, stelle das Verfahren nach Erlaß polizeilicher Strafvcrfügnngen dem auf Grund einer staatsanwnltlichen Anklageschrift und eines richterlichen Strafbefehls gleich, be¬ schränke die Thätigkeit des Gerichts auf die (thatsächliche und rechtliche) Schuld- fmge, und zwar dergestalt, daß der Angeschuldigte als Bcrufungskläger die Unrichtigkeit der polizeilichen Verfügung darzuthun hat, während die polizei¬ liche Strafansmessung unanfechtbar ist, man erkläre diese Sachen als schleunig zu behandelnde Eilsachen oder gestatte die Vollstreckung der erkannten Polizei¬ strafe noch vor der gerichtlichen Verhandlung, wiederum mit cventncller Aus¬ sicht auf Rückerstattung der eingezogenen Strafe. Endlich muß die Polizei Mitteilung darüber erhalten, wie und weshalb auf Grund ihrer Strafverfügung das Gericht später erkannt habe. 3. Zum Schlüsse noch einige Worte über den dritten Punkt unsrer Be¬ trachtungen, die richterliche Prüfung von Pvlizeivcrorduungcn. In Preußen z. B. gestatten das Gesetz über die Polizeiverwaltung vom U. März 1850 und die ihnen nachgebildeten Erlasse, sowie das Gesetz über die allgemeine Laudesverwnltuug vom 30. Juli 1883, 8 136 ff., daß Polizei- Verordnungen von den Ministern, den Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Regierungen, Landräten, Amtmännern und Ortspolizeibehörden erlassen werden dürfen, nachdem in den meisten Fällen das Selbstverwaltnngsorgan der be¬ treffenden Instanz seine Zustimmung gegeben hat. *) Berliner Polizeibericht, S. 34.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/409>, abgerufen am 22.07.2024.