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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision manchestcrlicher Lehren.

Thätigkeit nennen wir den Menschen Unternehmer. Demnach entsteht ein Gut,
wenn ein Unternehmer Materie zu wirtschaftlichem Zwecke durch Arbeit her¬
richtet, und die Elemente der Produktion sind also: 1. zweckbestimmte Arbeit des
Unternehmers, und 2. Materie, Natur oder, wie die Engländer sagen, Land.*)

Wenn ich mit selbstgefertigten Werkzeuge im herrenlosen Walde Bäume
fälle, so habe ich ein Gut, nämlich Baumstämme, erzeugt, und in diesem Gute
finde ich den Lohn für meinen Gedanken und für meine Arbeit, indem ich die
Stämme entweder für mein eignes Bedürfnis verwende oder sie gegen andre
Güter, die ich nötig habe, austausche. Das Produkt meiner zweckbestimmten
Arbeit ist mein Lohn.

Eine Störung dieses einfachsten Verhältnisses tritt ein durch die Vertei¬
lung der Erdoberfläche samt ihrem Untergrunde an einzelne Eigentümer, d. h.
durch Errichtung jenes Monopols, welches wir Grundeigentum nennen. Fortan
werden die Stoffe, welche durch die Arbeit zu Gütern hergerichtet werden sollen,
nicht mehr von der Natur geliefert, sondern durch die Zwischenpersou des
Grundeigentümers, der sie nicht ohne Gegenleistung hergicbt. Er tritt an die
Stelle der Natur, und die Elemente der Produktion sind fortan: Grundeigen¬
tümer und zweckbestimmte Arbeit des Unternehmers. Ein weiteres Element ist
nicht erforderlich, insbesondre nicht das Kapital, wie es die herrschende Lehre
behauptet, weil aus diesem der Arbeitslohn bestritten werden müsse. Weni/ich
hundert Bäume im Walde fällen will, so muß ich dem Eigentümer des Waldes
zehn Stämme als Gegenleistung für seine Erlaubnis abgeben. Allein dies
ändert an der Thatsache nichts, daß das Produkt allein den Lohn für die bei
der Produktion mitwirkenden Personen liefert. Dieser Satz wird auch nicht
alterirt, wenn ich dem Waldeigentümer für seine Erlaubnis Korn oder Vieh
statt der Stämme gebe oder wenn ich gar jenes allgemeine Tauschmittel gebe,
für welches er sich jedes Gut anschaffen kann, nämlich Geld. Denn dies Korn,
dies Vieh, dies Geld sind nichts andres als Stämme, welche ich bei dritten in
Korn, Vieh oder Geld umgesetzt habe. Die Sache bleibt auch ganz dieselbe,
wenn der Waldeigentümer selbst der Unternehmer ist und den Arbeiter zum
Fällen mietet. Auch hier wird der Arbeiter mit Baumstämmen entlohnt, mag
er nun wirklich Stämme oder Korn, Vieh oder das allgemeine Tauschmittel,
Geld, erhalten. Denn der Waldeigentümer verschafft sich Korn, Vieh oder Geld
eben nur mittels der Stämme, welche der Arbeiter gefällt hat. Ein solches
Verhältnis finden wir vielfach ganz unverhüllt in manchen europäischen Län-
dern, wo in der Landwirtschaft das System der Halbpacht gilt, d. h. wo der



*) George bemerkt: "In einem Gesellschastszustande lebend, wo der Kopitalist gewöhn¬
lich Land pachtet und Arbeiter beschäftigt, somit der Unternehmer oder erste Urheber der
Produktion zu sein scheint, wurden die Hauptvertreter der Wissenschaft verleitet, das Kapital
als den ursprünglichen Faktor der Produktion, den Grund und Boden als dessen Instru¬
ment und die Arbeit als dessen Werkzeug oder Agenten zu betrachten."
Zur Revision manchestcrlicher Lehren.

Thätigkeit nennen wir den Menschen Unternehmer. Demnach entsteht ein Gut,
wenn ein Unternehmer Materie zu wirtschaftlichem Zwecke durch Arbeit her¬
richtet, und die Elemente der Produktion sind also: 1. zweckbestimmte Arbeit des
Unternehmers, und 2. Materie, Natur oder, wie die Engländer sagen, Land.*)

Wenn ich mit selbstgefertigten Werkzeuge im herrenlosen Walde Bäume
fälle, so habe ich ein Gut, nämlich Baumstämme, erzeugt, und in diesem Gute
finde ich den Lohn für meinen Gedanken und für meine Arbeit, indem ich die
Stämme entweder für mein eignes Bedürfnis verwende oder sie gegen andre
Güter, die ich nötig habe, austausche. Das Produkt meiner zweckbestimmten
Arbeit ist mein Lohn.

Eine Störung dieses einfachsten Verhältnisses tritt ein durch die Vertei¬
lung der Erdoberfläche samt ihrem Untergrunde an einzelne Eigentümer, d. h.
durch Errichtung jenes Monopols, welches wir Grundeigentum nennen. Fortan
werden die Stoffe, welche durch die Arbeit zu Gütern hergerichtet werden sollen,
nicht mehr von der Natur geliefert, sondern durch die Zwischenpersou des
Grundeigentümers, der sie nicht ohne Gegenleistung hergicbt. Er tritt an die
Stelle der Natur, und die Elemente der Produktion sind fortan: Grundeigen¬
tümer und zweckbestimmte Arbeit des Unternehmers. Ein weiteres Element ist
nicht erforderlich, insbesondre nicht das Kapital, wie es die herrschende Lehre
behauptet, weil aus diesem der Arbeitslohn bestritten werden müsse. Weni/ich
hundert Bäume im Walde fällen will, so muß ich dem Eigentümer des Waldes
zehn Stämme als Gegenleistung für seine Erlaubnis abgeben. Allein dies
ändert an der Thatsache nichts, daß das Produkt allein den Lohn für die bei
der Produktion mitwirkenden Personen liefert. Dieser Satz wird auch nicht
alterirt, wenn ich dem Waldeigentümer für seine Erlaubnis Korn oder Vieh
statt der Stämme gebe oder wenn ich gar jenes allgemeine Tauschmittel gebe,
für welches er sich jedes Gut anschaffen kann, nämlich Geld. Denn dies Korn,
dies Vieh, dies Geld sind nichts andres als Stämme, welche ich bei dritten in
Korn, Vieh oder Geld umgesetzt habe. Die Sache bleibt auch ganz dieselbe,
wenn der Waldeigentümer selbst der Unternehmer ist und den Arbeiter zum
Fällen mietet. Auch hier wird der Arbeiter mit Baumstämmen entlohnt, mag
er nun wirklich Stämme oder Korn, Vieh oder das allgemeine Tauschmittel,
Geld, erhalten. Denn der Waldeigentümer verschafft sich Korn, Vieh oder Geld
eben nur mittels der Stämme, welche der Arbeiter gefällt hat. Ein solches
Verhältnis finden wir vielfach ganz unverhüllt in manchen europäischen Län-
dern, wo in der Landwirtschaft das System der Halbpacht gilt, d. h. wo der



*) George bemerkt: „In einem Gesellschastszustande lebend, wo der Kopitalist gewöhn¬
lich Land pachtet und Arbeiter beschäftigt, somit der Unternehmer oder erste Urheber der
Produktion zu sein scheint, wurden die Hauptvertreter der Wissenschaft verleitet, das Kapital
als den ursprünglichen Faktor der Produktion, den Grund und Boden als dessen Instru¬
ment und die Arbeit als dessen Werkzeug oder Agenten zu betrachten."
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[0394] Zur Revision manchestcrlicher Lehren. Thätigkeit nennen wir den Menschen Unternehmer. Demnach entsteht ein Gut, wenn ein Unternehmer Materie zu wirtschaftlichem Zwecke durch Arbeit her¬ richtet, und die Elemente der Produktion sind also: 1. zweckbestimmte Arbeit des Unternehmers, und 2. Materie, Natur oder, wie die Engländer sagen, Land.*) Wenn ich mit selbstgefertigten Werkzeuge im herrenlosen Walde Bäume fälle, so habe ich ein Gut, nämlich Baumstämme, erzeugt, und in diesem Gute finde ich den Lohn für meinen Gedanken und für meine Arbeit, indem ich die Stämme entweder für mein eignes Bedürfnis verwende oder sie gegen andre Güter, die ich nötig habe, austausche. Das Produkt meiner zweckbestimmten Arbeit ist mein Lohn. Eine Störung dieses einfachsten Verhältnisses tritt ein durch die Vertei¬ lung der Erdoberfläche samt ihrem Untergrunde an einzelne Eigentümer, d. h. durch Errichtung jenes Monopols, welches wir Grundeigentum nennen. Fortan werden die Stoffe, welche durch die Arbeit zu Gütern hergerichtet werden sollen, nicht mehr von der Natur geliefert, sondern durch die Zwischenpersou des Grundeigentümers, der sie nicht ohne Gegenleistung hergicbt. Er tritt an die Stelle der Natur, und die Elemente der Produktion sind fortan: Grundeigen¬ tümer und zweckbestimmte Arbeit des Unternehmers. Ein weiteres Element ist nicht erforderlich, insbesondre nicht das Kapital, wie es die herrschende Lehre behauptet, weil aus diesem der Arbeitslohn bestritten werden müsse. Weni/ich hundert Bäume im Walde fällen will, so muß ich dem Eigentümer des Waldes zehn Stämme als Gegenleistung für seine Erlaubnis abgeben. Allein dies ändert an der Thatsache nichts, daß das Produkt allein den Lohn für die bei der Produktion mitwirkenden Personen liefert. Dieser Satz wird auch nicht alterirt, wenn ich dem Waldeigentümer für seine Erlaubnis Korn oder Vieh statt der Stämme gebe oder wenn ich gar jenes allgemeine Tauschmittel gebe, für welches er sich jedes Gut anschaffen kann, nämlich Geld. Denn dies Korn, dies Vieh, dies Geld sind nichts andres als Stämme, welche ich bei dritten in Korn, Vieh oder Geld umgesetzt habe. Die Sache bleibt auch ganz dieselbe, wenn der Waldeigentümer selbst der Unternehmer ist und den Arbeiter zum Fällen mietet. Auch hier wird der Arbeiter mit Baumstämmen entlohnt, mag er nun wirklich Stämme oder Korn, Vieh oder das allgemeine Tauschmittel, Geld, erhalten. Denn der Waldeigentümer verschafft sich Korn, Vieh oder Geld eben nur mittels der Stämme, welche der Arbeiter gefällt hat. Ein solches Verhältnis finden wir vielfach ganz unverhüllt in manchen europäischen Län- dern, wo in der Landwirtschaft das System der Halbpacht gilt, d. h. wo der *) George bemerkt: „In einem Gesellschastszustande lebend, wo der Kopitalist gewöhn¬ lich Land pachtet und Arbeiter beschäftigt, somit der Unternehmer oder erste Urheber der Produktion zu sein scheint, wurden die Hauptvertreter der Wissenschaft verleitet, das Kapital als den ursprünglichen Faktor der Produktion, den Grund und Boden als dessen Instru¬ ment und die Arbeit als dessen Werkzeug oder Agenten zu betrachten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/394>, abgerufen am 23.07.2024.