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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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den Herausgeber, wobei gar oft auch die ursprüngliche Form der Predigten
breitgezogen wurde. Daß die Poachsche Sammlung wegen der zahlreichen
chronologischen Angaben, durch welche die Abfassungszeit der Predigten genau
bestimmt wird, auch für die Chronologie von Luthers Leben von Wichtigkeit ist,
wurde schon angedeutet.

Einige Notizen über den Mann, der diese das ganze Leben Luthers um¬
fassende Predigtsammlung zusammengebracht hat, werden dem Leser nicht unwill¬
kommen sein. Zugleich mit Justus Jonas war Andreas Poach 1541 von
Wittenberg nach Halle übergesiedelt, wohin ersterer vou der Bürgerschaft ein¬
geladen worden war, um hier das evangelische Kirchen- und Schulwesen zu
organisiren, nachdem der Erzbischof Albrecht bei dem wachsenden Verlange" der
Bevölkerung nach evangelischer Predigt das Feld geräumt und sich nach Mainz
zurückgezogen hatte. Später, nachdem Poach inzwischen auch in Nordhausen
gewesen war, wo ihm 1649 sein Sohn Petrus geboren wurde, finden wir ihn
in Erfurt als "Pfarhern zun Augustinern," wie er sich selbst auf dem Berichte
über das Ende des Luther durch Verwandtschaft und innige Freundschaft nahe¬
stehenden Arztes Natzcbergers, der 1559 in Erfurt starb und dessen Beichtvater
er war, bezeichnet. Er war zugleich Senior des Erfurter inwistorii, mußte
aber diese hervorragende Stellung infolge eines unangenehmen Streites 1572
an Aurifaber abtrete". Als nämlich der Erfurter Pfarrer M. Johann Gnllus
1569 zum Rektor der Universität Erfurt gewählt worden war und das Amt
angenommen hatte, mißbilligte dies Poach als sein Vorgesetzter, weil ein öffent¬
licher Umgang eines lutherischen Geistlichen mit katholischen Geistlichen bei dem
gemeinen Manne ärgerlich sei; Aurifaber dagegen, der seit 1566 Pfarrer an
der Prcdigerkirche war, nahm die Partei des Gallus. Nach der Sitte ihrer
Zeit brachten beide Parteien die Sache auf die Kanzel. Als nun trotz der Ver¬
mittlung des Rates Poach den Streit 1572 aufs neue aufrührte, zog ihn der
Rat zur Verantwortung und gab ihm in der Charwoche seine Entlassung. Wie
sehr diese Amtsentsetzung bei seinen Amtsbrüdern Anstoß erregte, läßt sich daraus
erkennen, daß die Ruhe nur dadurch wiederherstellt werden konnte, daß der Rat
auch vier andre Prediger, die auf feiten Poachs standen, absetzte.

Neben der Verwaltung seines Pfarramtes fand nun Poach noch Zeit, mit
Wärmstein Eifer sich der Sammlung Lutherschcr Predigten zu widmen. So
erschien im Jahre 1559 als Frucht seines Sammelfleißes die Hauspostille Luthers,
ein Werk, welches Poach die größte Anerkennung bei seinen Zeitgenossen ein¬
brachte, und zwar nicht bei solchen, die mit ihm persönlich oder durch brieflichen
Verkehr bekannt waren.

Aber die in der Hauspostille "aus N. Georgen Rörers seligen geschrie¬
benen Büchern" von Poach herausgegebene Auswahl von Predigten Luthers
und was von ihm in den beiden Ergänzungsbänden zu der zehnbändigen Jenaer
Gesamtausgabe der Schriften Luthers (1555--68), die Aurifaber 1564 und


Zur Lntherliteratur.

den Herausgeber, wobei gar oft auch die ursprüngliche Form der Predigten
breitgezogen wurde. Daß die Poachsche Sammlung wegen der zahlreichen
chronologischen Angaben, durch welche die Abfassungszeit der Predigten genau
bestimmt wird, auch für die Chronologie von Luthers Leben von Wichtigkeit ist,
wurde schon angedeutet.

Einige Notizen über den Mann, der diese das ganze Leben Luthers um¬
fassende Predigtsammlung zusammengebracht hat, werden dem Leser nicht unwill¬
kommen sein. Zugleich mit Justus Jonas war Andreas Poach 1541 von
Wittenberg nach Halle übergesiedelt, wohin ersterer vou der Bürgerschaft ein¬
geladen worden war, um hier das evangelische Kirchen- und Schulwesen zu
organisiren, nachdem der Erzbischof Albrecht bei dem wachsenden Verlange» der
Bevölkerung nach evangelischer Predigt das Feld geräumt und sich nach Mainz
zurückgezogen hatte. Später, nachdem Poach inzwischen auch in Nordhausen
gewesen war, wo ihm 1649 sein Sohn Petrus geboren wurde, finden wir ihn
in Erfurt als „Pfarhern zun Augustinern," wie er sich selbst auf dem Berichte
über das Ende des Luther durch Verwandtschaft und innige Freundschaft nahe¬
stehenden Arztes Natzcbergers, der 1559 in Erfurt starb und dessen Beichtvater
er war, bezeichnet. Er war zugleich Senior des Erfurter inwistorii, mußte
aber diese hervorragende Stellung infolge eines unangenehmen Streites 1572
an Aurifaber abtrete». Als nämlich der Erfurter Pfarrer M. Johann Gnllus
1569 zum Rektor der Universität Erfurt gewählt worden war und das Amt
angenommen hatte, mißbilligte dies Poach als sein Vorgesetzter, weil ein öffent¬
licher Umgang eines lutherischen Geistlichen mit katholischen Geistlichen bei dem
gemeinen Manne ärgerlich sei; Aurifaber dagegen, der seit 1566 Pfarrer an
der Prcdigerkirche war, nahm die Partei des Gallus. Nach der Sitte ihrer
Zeit brachten beide Parteien die Sache auf die Kanzel. Als nun trotz der Ver¬
mittlung des Rates Poach den Streit 1572 aufs neue aufrührte, zog ihn der
Rat zur Verantwortung und gab ihm in der Charwoche seine Entlassung. Wie
sehr diese Amtsentsetzung bei seinen Amtsbrüdern Anstoß erregte, läßt sich daraus
erkennen, daß die Ruhe nur dadurch wiederherstellt werden konnte, daß der Rat
auch vier andre Prediger, die auf feiten Poachs standen, absetzte.

Neben der Verwaltung seines Pfarramtes fand nun Poach noch Zeit, mit
Wärmstein Eifer sich der Sammlung Lutherschcr Predigten zu widmen. So
erschien im Jahre 1559 als Frucht seines Sammelfleißes die Hauspostille Luthers,
ein Werk, welches Poach die größte Anerkennung bei seinen Zeitgenossen ein¬
brachte, und zwar nicht bei solchen, die mit ihm persönlich oder durch brieflichen
Verkehr bekannt waren.

Aber die in der Hauspostille „aus N. Georgen Rörers seligen geschrie¬
benen Büchern" von Poach herausgegebene Auswahl von Predigten Luthers
und was von ihm in den beiden Ergänzungsbänden zu der zehnbändigen Jenaer
Gesamtausgabe der Schriften Luthers (1555—68), die Aurifaber 1564 und


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[0319] Zur Lntherliteratur. den Herausgeber, wobei gar oft auch die ursprüngliche Form der Predigten breitgezogen wurde. Daß die Poachsche Sammlung wegen der zahlreichen chronologischen Angaben, durch welche die Abfassungszeit der Predigten genau bestimmt wird, auch für die Chronologie von Luthers Leben von Wichtigkeit ist, wurde schon angedeutet. Einige Notizen über den Mann, der diese das ganze Leben Luthers um¬ fassende Predigtsammlung zusammengebracht hat, werden dem Leser nicht unwill¬ kommen sein. Zugleich mit Justus Jonas war Andreas Poach 1541 von Wittenberg nach Halle übergesiedelt, wohin ersterer vou der Bürgerschaft ein¬ geladen worden war, um hier das evangelische Kirchen- und Schulwesen zu organisiren, nachdem der Erzbischof Albrecht bei dem wachsenden Verlange» der Bevölkerung nach evangelischer Predigt das Feld geräumt und sich nach Mainz zurückgezogen hatte. Später, nachdem Poach inzwischen auch in Nordhausen gewesen war, wo ihm 1649 sein Sohn Petrus geboren wurde, finden wir ihn in Erfurt als „Pfarhern zun Augustinern," wie er sich selbst auf dem Berichte über das Ende des Luther durch Verwandtschaft und innige Freundschaft nahe¬ stehenden Arztes Natzcbergers, der 1559 in Erfurt starb und dessen Beichtvater er war, bezeichnet. Er war zugleich Senior des Erfurter inwistorii, mußte aber diese hervorragende Stellung infolge eines unangenehmen Streites 1572 an Aurifaber abtrete». Als nämlich der Erfurter Pfarrer M. Johann Gnllus 1569 zum Rektor der Universität Erfurt gewählt worden war und das Amt angenommen hatte, mißbilligte dies Poach als sein Vorgesetzter, weil ein öffent¬ licher Umgang eines lutherischen Geistlichen mit katholischen Geistlichen bei dem gemeinen Manne ärgerlich sei; Aurifaber dagegen, der seit 1566 Pfarrer an der Prcdigerkirche war, nahm die Partei des Gallus. Nach der Sitte ihrer Zeit brachten beide Parteien die Sache auf die Kanzel. Als nun trotz der Ver¬ mittlung des Rates Poach den Streit 1572 aufs neue aufrührte, zog ihn der Rat zur Verantwortung und gab ihm in der Charwoche seine Entlassung. Wie sehr diese Amtsentsetzung bei seinen Amtsbrüdern Anstoß erregte, läßt sich daraus erkennen, daß die Ruhe nur dadurch wiederherstellt werden konnte, daß der Rat auch vier andre Prediger, die auf feiten Poachs standen, absetzte. Neben der Verwaltung seines Pfarramtes fand nun Poach noch Zeit, mit Wärmstein Eifer sich der Sammlung Lutherschcr Predigten zu widmen. So erschien im Jahre 1559 als Frucht seines Sammelfleißes die Hauspostille Luthers, ein Werk, welches Poach die größte Anerkennung bei seinen Zeitgenossen ein¬ brachte, und zwar nicht bei solchen, die mit ihm persönlich oder durch brieflichen Verkehr bekannt waren. Aber die in der Hauspostille „aus N. Georgen Rörers seligen geschrie¬ benen Büchern" von Poach herausgegebene Auswahl von Predigten Luthers und was von ihm in den beiden Ergänzungsbänden zu der zehnbändigen Jenaer Gesamtausgabe der Schriften Luthers (1555—68), die Aurifaber 1564 und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/319>, abgerufen am 22.07.2024.