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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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schwören. Er gehörte zu den wenigen Professoren der juristischen Fakultät,
welche die im Juni 1883 gegen den Rektor Maaßen wegen seiner Haltung im
Landtage gerichtete Adresse nicht unterschrieb, wie er denn überhaupt nicht zu den
politisch prononcirten Persönlichkeiten der Hochschule zählt. Er ist zugleich
beständiger Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften, ein Amt, das ihm
ebenfalls Gelegenheit giebt, bei bedeutenden Anlässen aufs würdigste zu reprä-
sentiren.

Es kann uns hier natürlich nicht einfallen, Urteile über die Thätigkeit der
einzelnen Professoren abzugeben, wir können höchstens über ihre Lehrthätigkeit
und ihr Ansehen flüchtig berichten. Als anregender, verständiger Lehrer muß
namentlich Exner genannt werden -- unter den Studenten eine äußerst populäre
Persönlichkeit. Dantscher von Kollersberg, Lehrer des Staatsrechts, weiß bei
streng konservativer, ja reaktionärer Gesinnung, die er sogar im Salon gern
zur Schau trägt, durch Persönlichkeit und Vortrag einen wenn auch bescheidnen
Kreis von Zuhörern zu fesseln. Juana-Sternegg, der sich dnrch seine Arbeiten
auf dem Gebiete der älteren Wirtschaftsgeschichte einen Namen gemacht hat,
gehört erst seit wenigen Jahren unsrer Hochschule an und ist unter den Stu¬
denten verhältnismäßig wenig bekannt. Demelius dagegen, gleichfalls vor kurzem
an unsre Universität berufen, erfreut sich großer Beliebtheit und hat schon
öfters Gelegenheit gehabt, sich vermittelnd und mäßigend zu bethätigen. Über
den engen Kreis der Fakultät hinaus wird noch Wahlbergs, des Strafrechtslehrers,
Name mit Anerkennung genannt. Auch einen praktischen Politiker giebt es unter
den juristischen Professoren: Wenzel Lustkandl, den der Verfassungspartei un¬
gehörigen Reichsratsabgeordneten. Die Ausführungen, die wir ihn auf der
Rednerbühne des Parlaments haben machen hören, sind ziemlich sachlich ge¬
halten und entbehren der unfruchtbaren Deklamationen gegen das Ministerium,
in denen sich die Linke sonst so gern ergeht. Freilich geht Lustkandl die Gabe
der Rede vollständig ab, und er verfehlt daher niemals, sein Auditorium, so¬
wohl auf der Universität wie im Reichsrat, bis zur Verzweiflung zu lang¬
weilen, wie gehaltvoll auch das bisweilen sein mag, was er vorbringt.

Auch die medizinische Fakultät ist ganz zur Fachschule geworden, und die
Lernfreiheit ist in ihr ebensosehr beschränkt wie in der juristischen. Die Kory¬
phäen des Faches halten sich von den akademischen Ämtern fern, sowohl Bam-
berger wie Billroth sollen vor zwei Jahren die Wahl zum Rektor abgelehnt
haben. Dies war allerdings nicht immer so, Oppolzer hat es seinerzeit nicht
verschmäht, den Titel "Magnificenz" zu tragen. Die Hörer der Medizin re-
krutiren sich vorzüglich aus den Ländern der ungarischen Krone und sind nur
selten katholischer Religion. Das Elend, das mitunter gerade unter diesen
Studenten herrscht, hat Professor Billroth vor ungefähr acht Jahren zu einer
Broschüre veranlaßt, in der er sich gegen den Zudrang Mittelloser zu den
Studien, namentlich den medizinischen, aussprach und vor der Gefahr warnte,


Grenzboten I. 183S. 37

schwören. Er gehörte zu den wenigen Professoren der juristischen Fakultät,
welche die im Juni 1883 gegen den Rektor Maaßen wegen seiner Haltung im
Landtage gerichtete Adresse nicht unterschrieb, wie er denn überhaupt nicht zu den
politisch prononcirten Persönlichkeiten der Hochschule zählt. Er ist zugleich
beständiger Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften, ein Amt, das ihm
ebenfalls Gelegenheit giebt, bei bedeutenden Anlässen aufs würdigste zu reprä-
sentiren.

Es kann uns hier natürlich nicht einfallen, Urteile über die Thätigkeit der
einzelnen Professoren abzugeben, wir können höchstens über ihre Lehrthätigkeit
und ihr Ansehen flüchtig berichten. Als anregender, verständiger Lehrer muß
namentlich Exner genannt werden — unter den Studenten eine äußerst populäre
Persönlichkeit. Dantscher von Kollersberg, Lehrer des Staatsrechts, weiß bei
streng konservativer, ja reaktionärer Gesinnung, die er sogar im Salon gern
zur Schau trägt, durch Persönlichkeit und Vortrag einen wenn auch bescheidnen
Kreis von Zuhörern zu fesseln. Juana-Sternegg, der sich dnrch seine Arbeiten
auf dem Gebiete der älteren Wirtschaftsgeschichte einen Namen gemacht hat,
gehört erst seit wenigen Jahren unsrer Hochschule an und ist unter den Stu¬
denten verhältnismäßig wenig bekannt. Demelius dagegen, gleichfalls vor kurzem
an unsre Universität berufen, erfreut sich großer Beliebtheit und hat schon
öfters Gelegenheit gehabt, sich vermittelnd und mäßigend zu bethätigen. Über
den engen Kreis der Fakultät hinaus wird noch Wahlbergs, des Strafrechtslehrers,
Name mit Anerkennung genannt. Auch einen praktischen Politiker giebt es unter
den juristischen Professoren: Wenzel Lustkandl, den der Verfassungspartei un¬
gehörigen Reichsratsabgeordneten. Die Ausführungen, die wir ihn auf der
Rednerbühne des Parlaments haben machen hören, sind ziemlich sachlich ge¬
halten und entbehren der unfruchtbaren Deklamationen gegen das Ministerium,
in denen sich die Linke sonst so gern ergeht. Freilich geht Lustkandl die Gabe
der Rede vollständig ab, und er verfehlt daher niemals, sein Auditorium, so¬
wohl auf der Universität wie im Reichsrat, bis zur Verzweiflung zu lang¬
weilen, wie gehaltvoll auch das bisweilen sein mag, was er vorbringt.

Auch die medizinische Fakultät ist ganz zur Fachschule geworden, und die
Lernfreiheit ist in ihr ebensosehr beschränkt wie in der juristischen. Die Kory¬
phäen des Faches halten sich von den akademischen Ämtern fern, sowohl Bam-
berger wie Billroth sollen vor zwei Jahren die Wahl zum Rektor abgelehnt
haben. Dies war allerdings nicht immer so, Oppolzer hat es seinerzeit nicht
verschmäht, den Titel „Magnificenz" zu tragen. Die Hörer der Medizin re-
krutiren sich vorzüglich aus den Ländern der ungarischen Krone und sind nur
selten katholischer Religion. Das Elend, das mitunter gerade unter diesen
Studenten herrscht, hat Professor Billroth vor ungefähr acht Jahren zu einer
Broschüre veranlaßt, in der er sich gegen den Zudrang Mittelloser zu den
Studien, namentlich den medizinischen, aussprach und vor der Gefahr warnte,


Grenzboten I. 183S. 37
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[0301] schwören. Er gehörte zu den wenigen Professoren der juristischen Fakultät, welche die im Juni 1883 gegen den Rektor Maaßen wegen seiner Haltung im Landtage gerichtete Adresse nicht unterschrieb, wie er denn überhaupt nicht zu den politisch prononcirten Persönlichkeiten der Hochschule zählt. Er ist zugleich beständiger Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften, ein Amt, das ihm ebenfalls Gelegenheit giebt, bei bedeutenden Anlässen aufs würdigste zu reprä- sentiren. Es kann uns hier natürlich nicht einfallen, Urteile über die Thätigkeit der einzelnen Professoren abzugeben, wir können höchstens über ihre Lehrthätigkeit und ihr Ansehen flüchtig berichten. Als anregender, verständiger Lehrer muß namentlich Exner genannt werden — unter den Studenten eine äußerst populäre Persönlichkeit. Dantscher von Kollersberg, Lehrer des Staatsrechts, weiß bei streng konservativer, ja reaktionärer Gesinnung, die er sogar im Salon gern zur Schau trägt, durch Persönlichkeit und Vortrag einen wenn auch bescheidnen Kreis von Zuhörern zu fesseln. Juana-Sternegg, der sich dnrch seine Arbeiten auf dem Gebiete der älteren Wirtschaftsgeschichte einen Namen gemacht hat, gehört erst seit wenigen Jahren unsrer Hochschule an und ist unter den Stu¬ denten verhältnismäßig wenig bekannt. Demelius dagegen, gleichfalls vor kurzem an unsre Universität berufen, erfreut sich großer Beliebtheit und hat schon öfters Gelegenheit gehabt, sich vermittelnd und mäßigend zu bethätigen. Über den engen Kreis der Fakultät hinaus wird noch Wahlbergs, des Strafrechtslehrers, Name mit Anerkennung genannt. Auch einen praktischen Politiker giebt es unter den juristischen Professoren: Wenzel Lustkandl, den der Verfassungspartei un¬ gehörigen Reichsratsabgeordneten. Die Ausführungen, die wir ihn auf der Rednerbühne des Parlaments haben machen hören, sind ziemlich sachlich ge¬ halten und entbehren der unfruchtbaren Deklamationen gegen das Ministerium, in denen sich die Linke sonst so gern ergeht. Freilich geht Lustkandl die Gabe der Rede vollständig ab, und er verfehlt daher niemals, sein Auditorium, so¬ wohl auf der Universität wie im Reichsrat, bis zur Verzweiflung zu lang¬ weilen, wie gehaltvoll auch das bisweilen sein mag, was er vorbringt. Auch die medizinische Fakultät ist ganz zur Fachschule geworden, und die Lernfreiheit ist in ihr ebensosehr beschränkt wie in der juristischen. Die Kory¬ phäen des Faches halten sich von den akademischen Ämtern fern, sowohl Bam- berger wie Billroth sollen vor zwei Jahren die Wahl zum Rektor abgelehnt haben. Dies war allerdings nicht immer so, Oppolzer hat es seinerzeit nicht verschmäht, den Titel „Magnificenz" zu tragen. Die Hörer der Medizin re- krutiren sich vorzüglich aus den Ländern der ungarischen Krone und sind nur selten katholischer Religion. Das Elend, das mitunter gerade unter diesen Studenten herrscht, hat Professor Billroth vor ungefähr acht Jahren zu einer Broschüre veranlaßt, in der er sich gegen den Zudrang Mittelloser zu den Studien, namentlich den medizinischen, aussprach und vor der Gefahr warnte, Grenzboten I. 183S. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/301>, abgerufen am 23.07.2024.