Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.Sonne geschützt zu sein, obgleich er, wie gesagt, das Zelt über sich hatte. Ein Priester, Von Zeit zu Zeit sprach der Zar sehr gnädig zu seinem Gefolge, indem er Während seiner Abwesenheit kamen der Großkanzler Doloffkinj und der Fürst Sobald der Zar zurückkam, fand er die Tafel gedeckt. Den Lehnstuhl am *) Georg Friedrich von Spörken war Oberhauvtmnmi in Hnrburg und wohnte auf
dem dortigen Schlosse. Sonne geschützt zu sein, obgleich er, wie gesagt, das Zelt über sich hatte. Ein Priester, Von Zeit zu Zeit sprach der Zar sehr gnädig zu seinem Gefolge, indem er Während seiner Abwesenheit kamen der Großkanzler Doloffkinj und der Fürst Sobald der Zar zurückkam, fand er die Tafel gedeckt. Den Lehnstuhl am *) Georg Friedrich von Spörken war Oberhauvtmnmi in Hnrburg und wohnte auf
dem dortigen Schlosse. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194948"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_978" prev="#ID_977"> Sonne geschützt zu sein, obgleich er, wie gesagt, das Zelt über sich hatte. Ein Priester,<lb/> ein Kammerherr, sein Adjutant, sein Arzt, ein Zwerg so hoch wie ein Kohlkopf (elwu),<lb/> etwa zwanzig Jahre alt, einige Lakaien und zwölf Grenadiere machten sein Gefolge<lb/> aus. Als er ans Land gestiegen war, warf er sich in die Karosse des Oberhauptmanns,*)<lb/> wir andern folgten zu Fuß, Er kam zuerst auf dem Schlosse an, Frau von<lb/> Spörken empfing ihn. Aber da er Eile hatte, seine Hosen herunterzulassen, lief<lb/> er durch alle Zimmer und begab sich direkt in die Schloßkapelle, indem er glaubte<lb/> dort den „Cacador" zu finden. Wer war in Verlegenheit? Das war Frau von<lb/> Spörken, Allein mit einem Manne, dessen Qualen sie erraten mußte, bezeichnete<lb/> sie ihm endlich halb durch Zeichen, halb durch Worte deu Ort. Das war das erste<lb/> Geschäft, welches Se. Majestät bei ihrer Ankunft auf dem Gebiete des Königs ^von<lb/> England und Kurfürstens von Hannovers verrichtete. Mittlerweile kamen nur an<lb/> und fanden Se. Majestät in Wahrheit einer großen Last entledigt, aber sehr in<lb/> Unrnhe, da sie sich nicht entschließen konnte, ob sie weiter reisen oder bleiben sollte.<lb/> Endlich entschied sie sich so: „Da wir hier gut aufgehoben sind, so laßt uns bleiben."<lb/> Sie forderte ein Glas Bier, der Oberhauptmann reichte ihr dieses, demnächst forderte<lb/> sie Wein, er gab ihr Burgunder, welchen sie so vortrefflich fand, daß sie erklärte,<lb/> davon mitnehmen zu wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_979"> Von Zeit zu Zeit sprach der Zar sehr gnädig zu seinem Gefolge, indem er<lb/> ihnen die Hand auf die Schulter legte oder sie beim Arme erfaßte. Mein Vater<lb/> fragte den Zar, ob Se. Majestät ihm die Ehre erweisen wolle, die Parole auszu¬<lb/> geben. Er verbeugte sich und antwortete, daß er hier garnichts zu befehlen habe.<lb/> Er beauftragte den Oberhauptmaun, an den or. Ebel zu schreiben, er solle nach<lb/> Pyrmont nachkommen, versprach Herrn von Spörkeu sein Porträt, indem, er hinzu¬<lb/> fügte, sie hätten nur nötig, ihm den Maler zuzuschicken. Als endlich Se. Majestät<lb/> sich langweilte, sagte sie, sie wollte den Ort sehen, wo das Wachs gebleicht würde.<lb/> Die Karosse wurde bespannt und in der Erwartung derselben verzehrte der Zar<lb/> schnell eine Orange; die Karosse fuhr vor, siehe da! holterdipolter saß der Zar<lb/> darin mit seinem Hofkavalier. Aus Respekt wollte der Oberhauptmann sich dein<lb/> Zar nicht gegenüber setzen, aber dieser faßte ihn beim Arme und nötigte ihn, dort<lb/> Platz zu nehmen. Dies gelang nicht, ohne daß der Oberhauptmaun ihm ans den<lb/> Fuß trat, was verursachte, daß er auf Moskowitisch einen Schrei ausstieß, der<lb/> mehr aus Konsonanten als aus Vokalen zusammengesetzt war. Die Karosse fuhr<lb/> ab, und der Zar sah, was er sehen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_980"> Während seiner Abwesenheit kamen der Großkanzler Doloffkinj und der Fürst<lb/> Kurakin, welche Sr. Majestät ein wenig mehr Glanz verliehen; der erstere ist ein<lb/> großer Mann, welcher nur mittelst eines Dolmetschers spricht und dessen Kopf<lb/> ein gesundes Urteil in sich zu schließen scheint; das Gefolge sagte uns, er sei bei<lb/> seinem Herrn allmächtig; den zweiten Herrn werden Sie kennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_981" next="#ID_982"> Sobald der Zar zurückkam, fand er die Tafel gedeckt. Den Lehnstuhl am<lb/> Ehrenplatz beachtete er uicht, er setzte sich gegenüber, und mit seiner Erlaubnis<lb/> nahmen die Damen Platz; an der Tafel saßen zwölf Personen. Eine zweite Tafel<lb/> war für das Gefolge da, und anderswo eine dritte für die Dienstboten und<lb/> Matrosen, denen man auf Befehl des Zaren nur Wein zu trinken gab. Der Zar<lb/> aß sehr wenig und Frau von Spörken, welche zu seiner Linken saß, erduldete drei<lb/> oder vier souxiis u. la. Ilolla-ncioiso, auf die sie nicht vorbereitet war, sonst würde</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> *) Georg Friedrich von Spörken war Oberhauvtmnmi in Hnrburg und wohnte auf<lb/> dem dortigen Schlosse.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Sonne geschützt zu sein, obgleich er, wie gesagt, das Zelt über sich hatte. Ein Priester,
ein Kammerherr, sein Adjutant, sein Arzt, ein Zwerg so hoch wie ein Kohlkopf (elwu),
etwa zwanzig Jahre alt, einige Lakaien und zwölf Grenadiere machten sein Gefolge
aus. Als er ans Land gestiegen war, warf er sich in die Karosse des Oberhauptmanns,*)
wir andern folgten zu Fuß, Er kam zuerst auf dem Schlosse an, Frau von
Spörken empfing ihn. Aber da er Eile hatte, seine Hosen herunterzulassen, lief
er durch alle Zimmer und begab sich direkt in die Schloßkapelle, indem er glaubte
dort den „Cacador" zu finden. Wer war in Verlegenheit? Das war Frau von
Spörken, Allein mit einem Manne, dessen Qualen sie erraten mußte, bezeichnete
sie ihm endlich halb durch Zeichen, halb durch Worte deu Ort. Das war das erste
Geschäft, welches Se. Majestät bei ihrer Ankunft auf dem Gebiete des Königs ^von
England und Kurfürstens von Hannovers verrichtete. Mittlerweile kamen nur an
und fanden Se. Majestät in Wahrheit einer großen Last entledigt, aber sehr in
Unrnhe, da sie sich nicht entschließen konnte, ob sie weiter reisen oder bleiben sollte.
Endlich entschied sie sich so: „Da wir hier gut aufgehoben sind, so laßt uns bleiben."
Sie forderte ein Glas Bier, der Oberhauptmann reichte ihr dieses, demnächst forderte
sie Wein, er gab ihr Burgunder, welchen sie so vortrefflich fand, daß sie erklärte,
davon mitnehmen zu wollen.
Von Zeit zu Zeit sprach der Zar sehr gnädig zu seinem Gefolge, indem er
ihnen die Hand auf die Schulter legte oder sie beim Arme erfaßte. Mein Vater
fragte den Zar, ob Se. Majestät ihm die Ehre erweisen wolle, die Parole auszu¬
geben. Er verbeugte sich und antwortete, daß er hier garnichts zu befehlen habe.
Er beauftragte den Oberhauptmaun, an den or. Ebel zu schreiben, er solle nach
Pyrmont nachkommen, versprach Herrn von Spörkeu sein Porträt, indem, er hinzu¬
fügte, sie hätten nur nötig, ihm den Maler zuzuschicken. Als endlich Se. Majestät
sich langweilte, sagte sie, sie wollte den Ort sehen, wo das Wachs gebleicht würde.
Die Karosse wurde bespannt und in der Erwartung derselben verzehrte der Zar
schnell eine Orange; die Karosse fuhr vor, siehe da! holterdipolter saß der Zar
darin mit seinem Hofkavalier. Aus Respekt wollte der Oberhauptmann sich dein
Zar nicht gegenüber setzen, aber dieser faßte ihn beim Arme und nötigte ihn, dort
Platz zu nehmen. Dies gelang nicht, ohne daß der Oberhauptmaun ihm ans den
Fuß trat, was verursachte, daß er auf Moskowitisch einen Schrei ausstieß, der
mehr aus Konsonanten als aus Vokalen zusammengesetzt war. Die Karosse fuhr
ab, und der Zar sah, was er sehen wollte.
Während seiner Abwesenheit kamen der Großkanzler Doloffkinj und der Fürst
Kurakin, welche Sr. Majestät ein wenig mehr Glanz verliehen; der erstere ist ein
großer Mann, welcher nur mittelst eines Dolmetschers spricht und dessen Kopf
ein gesundes Urteil in sich zu schließen scheint; das Gefolge sagte uns, er sei bei
seinem Herrn allmächtig; den zweiten Herrn werden Sie kennen.
Sobald der Zar zurückkam, fand er die Tafel gedeckt. Den Lehnstuhl am
Ehrenplatz beachtete er uicht, er setzte sich gegenüber, und mit seiner Erlaubnis
nahmen die Damen Platz; an der Tafel saßen zwölf Personen. Eine zweite Tafel
war für das Gefolge da, und anderswo eine dritte für die Dienstboten und
Matrosen, denen man auf Befehl des Zaren nur Wein zu trinken gab. Der Zar
aß sehr wenig und Frau von Spörken, welche zu seiner Linken saß, erduldete drei
oder vier souxiis u. la. Ilolla-ncioiso, auf die sie nicht vorbereitet war, sonst würde
*) Georg Friedrich von Spörken war Oberhauvtmnmi in Hnrburg und wohnte auf
dem dortigen Schlosse.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |