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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers,

ob ihr Volksraad noch zu Recht bestünde, und betrachteten die Verfügungen der
englischen Beamten als unverbindlich, soweit deren Befolgung nicht erzwungen
werden konnte.

Am 10. Dezember 1879 gingen die Patrioten des Transvaal einen großen
Schritt weiter. An diesem Tage fand wieder eine der Volksversammlungen statt,
die dort alle Vierteljahre zu gemeinsamem Genuß des heiligen Abendmahls ab¬
gehalten werden, und bei denen man nach der Feier politische Angelegenheiten zu
erledigen pflegt. Dieselbe war von etwa sechstausend Boers' besucht, die den
frühern Vizepräsidenten Paul Krüger zu ihrem Vorsitzenden und neben demselben
ein Komitee (Bureau) wählten und alsdann eine geharnischte Erklärung be¬
schlossen, welche unverweilt dem britischen General übersandt wurde. In dieser
einstimmig angenommenen Resolution sagten sie:

"Indem sich erwiesen hat, daß die Kommissare Ihrer Majestät von Recht
und Gerechtigkeit nichts wissen wollen, und indem es auf der Hand liegt, daß
wir die uns hinterlistig entrissene Unabhängigkeit auf dem Wege der Bitte nicht
zurückbekommen werden, fordern wir mit Nachdruck und Entschlossenheit: 1. Daß
der Vizepräsident als Präsident des Staates auftrete und sein Amt als solcher
übernehme, und 2. daß derselbe ohne Verzug den Vvlksraad uach Maßgabe des
Groudwet s^der Verfassuugj zusammcubcrufe. 3. Erklären wir hiermit, daß wir
uns der britischen Regierung nimmermehr unterwerfen werden, und verwahren
uns entschieden gegen alle Proklamationen derselben. 4. Verlangen wir nichts
als unsre Unabhängigkeit und erklären feierlich, daß wir bereit sind, Gut und
Blut für sie dahinzugeben. 5. Fordern wir, daß unsre Regierung unverweilt
wieder aufgerichtet werde, wie es die Verfassung der südafrikanischen Republik
vorschreibt, und wünschen daher dringend, daß unser Nationalkomitce so rasch
als möglich die Schritte thue, die zur Wiederherstellung unsrer Selbständigkeit
erforderlich sind. 6. Sollte das Komitee ein besseres Verfahren wissen, so
wünschen wir, daß es dasselbe dem Volke sofort vorlege."

Dem letzten Begehren wurde noch vor Schluß der Versammlung entsprochen,
und so ließ man dieser Unabhängigkeitsertlärung noch einige Zusätze folgen, in
welchen es hieß, das Volk der südafrikanischen Republik sei geneigt, mit den
englischen Kolonien Südafrikas einen Bund zu bilden, es sei ferner willens,
sich mit der britischen Negierung über die Rechte der Eingebornen zu ver¬
ständigen, es wolle der letzteren die Auslagen, die sie für die Republik gemacht,
zurückerstatten, und es werde die Bewohner des Transvaallandes, welche sich
den Engländern angeschlossen und gegen die Selbständigkeit des Volkes agilirt
hätten, mit Ausnahme derjenigen, welche es in der Eigenschaft von Bankiers
an seinem Eigentume geschädigt, in ihren Rechten ungekränkt lassen. Das zuletzt
erwähnte Versprechen bezog sich darauf, daß im November vorher einige hundert
Einwohner der Stadt Pretoria, der Mehrzahl nach eingewanderte Engländer,
in einer von Wolscley direkt oder indirekt veranlaßten Versammlung eine Ne-


England und die Boers,

ob ihr Volksraad noch zu Recht bestünde, und betrachteten die Verfügungen der
englischen Beamten als unverbindlich, soweit deren Befolgung nicht erzwungen
werden konnte.

Am 10. Dezember 1879 gingen die Patrioten des Transvaal einen großen
Schritt weiter. An diesem Tage fand wieder eine der Volksversammlungen statt,
die dort alle Vierteljahre zu gemeinsamem Genuß des heiligen Abendmahls ab¬
gehalten werden, und bei denen man nach der Feier politische Angelegenheiten zu
erledigen pflegt. Dieselbe war von etwa sechstausend Boers' besucht, die den
frühern Vizepräsidenten Paul Krüger zu ihrem Vorsitzenden und neben demselben
ein Komitee (Bureau) wählten und alsdann eine geharnischte Erklärung be¬
schlossen, welche unverweilt dem britischen General übersandt wurde. In dieser
einstimmig angenommenen Resolution sagten sie:

„Indem sich erwiesen hat, daß die Kommissare Ihrer Majestät von Recht
und Gerechtigkeit nichts wissen wollen, und indem es auf der Hand liegt, daß
wir die uns hinterlistig entrissene Unabhängigkeit auf dem Wege der Bitte nicht
zurückbekommen werden, fordern wir mit Nachdruck und Entschlossenheit: 1. Daß
der Vizepräsident als Präsident des Staates auftrete und sein Amt als solcher
übernehme, und 2. daß derselbe ohne Verzug den Vvlksraad uach Maßgabe des
Groudwet s^der Verfassuugj zusammcubcrufe. 3. Erklären wir hiermit, daß wir
uns der britischen Regierung nimmermehr unterwerfen werden, und verwahren
uns entschieden gegen alle Proklamationen derselben. 4. Verlangen wir nichts
als unsre Unabhängigkeit und erklären feierlich, daß wir bereit sind, Gut und
Blut für sie dahinzugeben. 5. Fordern wir, daß unsre Regierung unverweilt
wieder aufgerichtet werde, wie es die Verfassung der südafrikanischen Republik
vorschreibt, und wünschen daher dringend, daß unser Nationalkomitce so rasch
als möglich die Schritte thue, die zur Wiederherstellung unsrer Selbständigkeit
erforderlich sind. 6. Sollte das Komitee ein besseres Verfahren wissen, so
wünschen wir, daß es dasselbe dem Volke sofort vorlege."

Dem letzten Begehren wurde noch vor Schluß der Versammlung entsprochen,
und so ließ man dieser Unabhängigkeitsertlärung noch einige Zusätze folgen, in
welchen es hieß, das Volk der südafrikanischen Republik sei geneigt, mit den
englischen Kolonien Südafrikas einen Bund zu bilden, es sei ferner willens,
sich mit der britischen Negierung über die Rechte der Eingebornen zu ver¬
ständigen, es wolle der letzteren die Auslagen, die sie für die Republik gemacht,
zurückerstatten, und es werde die Bewohner des Transvaallandes, welche sich
den Engländern angeschlossen und gegen die Selbständigkeit des Volkes agilirt
hätten, mit Ausnahme derjenigen, welche es in der Eigenschaft von Bankiers
an seinem Eigentume geschädigt, in ihren Rechten ungekränkt lassen. Das zuletzt
erwähnte Versprechen bezog sich darauf, daß im November vorher einige hundert
Einwohner der Stadt Pretoria, der Mehrzahl nach eingewanderte Engländer,
in einer von Wolscley direkt oder indirekt veranlaßten Versammlung eine Ne-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/20>, abgerufen am 22.07.2024.