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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers.

der Auswanderung ("Trekken") von der Kapkolonie nach herrenlosen Landstrichen
begriffen waren und sich nach verschiednen Gefechten mit den Eingebornen großer
Strecken des freigewordnen Gebietes bemächtigten, Sie nannten ihre Nieder¬
lassung die " Batavisch-Afrikanische Maatschappy" und stellten sie unter den
Schutz des Königs der Niederlande. Ihre Gründung begann eben zu gedeihen,
und man hatte bereits als Mittelpunkt derselben den Ort Pietermaritzburg au¬
gelegt, als 1840 England sich einmischte. Der Gouverneur der Kapkolonie
bestritt deu neuen Ansiedlern in "Natal" die Befugnis, neben jener ein
selbständiges Gemeinwesen zu errichten, und als die Boers sich an seinen Ein¬
spruch nicht kehrten, schritt er 1842 zu Gewaltmaßregeln, und sie mußten die
Oberhoheit Großbritanniens anerkennen. Sehr bald indes machte sich die
Mehrzahl dieser holländischen Ansiedler von neuem nach Norden auf den Weg
und drang unter Pretorins erobernd in die Flußgebiete des Oranje und des
Vaal vor, die bis dahin gleichfalls mir von Kaffern bewohnt gewesen waren.
Nach kurzer Zeit sahen sie sich auch hier von der Herrschsucht und Anmaßung
der Engländer am Kap bedroht, und nur ein Teil von ihnen war gewillt, sich
derselben zu füge". Die andern leisteten Widerstand, zuletzt mit den Waffen,
es kam 1843 zu einem Treffen bei Bovmplatz, und schließlich zogen etwa
zweitausend dieser holländischen Männer, die mit ihren Angehörigen un¬
gefähr viermal soviel Köpfe zählten, Pretorius an der Spitze, abermals weiter
und überschritten den Vaalfluß, um im Norden desselben ein Gebiet von der
Größe des jetzigen deutschen Reiches zu erobern, wo man kurz nachher einen
Staat unter dem Namen der "südafrikanischen Republik" gründete. Die
südlich vom Vaal verbliebenen Voers, etwa 10000 Köpfe stark, gerieten gleich
denen, die sich der Auswanderung aus Natal nicht angeschlossen, sondern es
vorgezogen hatten, den Versöhnnngsversuchen des Gouverneurs Smith Gehör
zu geben, für einige Jahre unter britische Herrschaft, indes fand man es eng-
lischerseits zuletzt für geraten, ihnen zu gestatten, sich als "Oranje-Freistaat"
unabhängig zu organisiren. Wie überall, wohin die Voers Vordrängen, ver¬
wandelten sie die von ihnen besiegten schwarzen Eingebornen auch hier und jen¬
seits des Vaal in Leibeigne. Der Staat, der hier errichtet worden, wurde im
Januar 1832 uach kurzen Verhandlungen zwischen Pretorius und einem eng¬
lischen Kommissar in der sogenannten Sandriver-Konvention ebenfalls als selb¬
ständig anerkannt. Dabei stellte man britischerseits die Bedingung, es sollten
in demselben keine Sklaven gehalten werden, wogegen die Engländer sich ver¬
pflichteten, mit den Kaffern jenseits des Vaal keine Vertrüge abzuschließen und
überhaupt keine Verbindungen mit ihnen einzugehen. Das letztere ist von Eng¬
land niemals gehalten worden; denn wiederholt geberdete es sich als Beschützer
der jenseits der Grenzen der Republik hausenden Kaffern, die ihm dienten, die
Boers zu schwächen, und die Bedingung in betreff der Sklaverei innerhalb
dieser Grenzen war keineswegs von Humanität und Freiheitsliebe, sondern von


England und die Boers.

der Auswanderung („Trekken") von der Kapkolonie nach herrenlosen Landstrichen
begriffen waren und sich nach verschiednen Gefechten mit den Eingebornen großer
Strecken des freigewordnen Gebietes bemächtigten, Sie nannten ihre Nieder¬
lassung die „ Batavisch-Afrikanische Maatschappy" und stellten sie unter den
Schutz des Königs der Niederlande. Ihre Gründung begann eben zu gedeihen,
und man hatte bereits als Mittelpunkt derselben den Ort Pietermaritzburg au¬
gelegt, als 1840 England sich einmischte. Der Gouverneur der Kapkolonie
bestritt deu neuen Ansiedlern in „Natal" die Befugnis, neben jener ein
selbständiges Gemeinwesen zu errichten, und als die Boers sich an seinen Ein¬
spruch nicht kehrten, schritt er 1842 zu Gewaltmaßregeln, und sie mußten die
Oberhoheit Großbritanniens anerkennen. Sehr bald indes machte sich die
Mehrzahl dieser holländischen Ansiedler von neuem nach Norden auf den Weg
und drang unter Pretorins erobernd in die Flußgebiete des Oranje und des
Vaal vor, die bis dahin gleichfalls mir von Kaffern bewohnt gewesen waren.
Nach kurzer Zeit sahen sie sich auch hier von der Herrschsucht und Anmaßung
der Engländer am Kap bedroht, und nur ein Teil von ihnen war gewillt, sich
derselben zu füge». Die andern leisteten Widerstand, zuletzt mit den Waffen,
es kam 1843 zu einem Treffen bei Bovmplatz, und schließlich zogen etwa
zweitausend dieser holländischen Männer, die mit ihren Angehörigen un¬
gefähr viermal soviel Köpfe zählten, Pretorius an der Spitze, abermals weiter
und überschritten den Vaalfluß, um im Norden desselben ein Gebiet von der
Größe des jetzigen deutschen Reiches zu erobern, wo man kurz nachher einen
Staat unter dem Namen der „südafrikanischen Republik" gründete. Die
südlich vom Vaal verbliebenen Voers, etwa 10000 Köpfe stark, gerieten gleich
denen, die sich der Auswanderung aus Natal nicht angeschlossen, sondern es
vorgezogen hatten, den Versöhnnngsversuchen des Gouverneurs Smith Gehör
zu geben, für einige Jahre unter britische Herrschaft, indes fand man es eng-
lischerseits zuletzt für geraten, ihnen zu gestatten, sich als „Oranje-Freistaat"
unabhängig zu organisiren. Wie überall, wohin die Voers Vordrängen, ver¬
wandelten sie die von ihnen besiegten schwarzen Eingebornen auch hier und jen¬
seits des Vaal in Leibeigne. Der Staat, der hier errichtet worden, wurde im
Januar 1832 uach kurzen Verhandlungen zwischen Pretorius und einem eng¬
lischen Kommissar in der sogenannten Sandriver-Konvention ebenfalls als selb¬
ständig anerkannt. Dabei stellte man britischerseits die Bedingung, es sollten
in demselben keine Sklaven gehalten werden, wogegen die Engländer sich ver¬
pflichteten, mit den Kaffern jenseits des Vaal keine Vertrüge abzuschließen und
überhaupt keine Verbindungen mit ihnen einzugehen. Das letztere ist von Eng¬
land niemals gehalten worden; denn wiederholt geberdete es sich als Beschützer
der jenseits der Grenzen der Republik hausenden Kaffern, die ihm dienten, die
Boers zu schwächen, und die Bedingung in betreff der Sklaverei innerhalb
dieser Grenzen war keineswegs von Humanität und Freiheitsliebe, sondern von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/16>, abgerufen am 22.07.2024.