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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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ihre Vertreter angefangen, sich ""abhängig zu machen. Natürlich setzt die Rechte
alle Mittel in Bewegung, um eine förmliche Sezession zu verhüte", während
die Blätter der Linie" de" Schwankenden predige", es sei ihre verfluchte Pflicht
und Schuldigkeit, sich ihre" Stnmmesgeiwssen anzuschließen. Daß aber die
Linke und deren Blätter jenes Häuflein in die Reihe" des Feindes getrieben
haben und daß die Bildung einer das gesamte deutsche Element umfassen¬
den Partei ein Ding der Unmöglichkeit ist, solange Deutschtum, politischer
und kirchlicher Liberalismus als identisch gelten, das scheinen die Herren
noch immer nicht zu begreifen. Und doch ist das Zustandekommen einer solchen
Partei die einzige Aussicht des Deutschtums, Früher konnte man an eine Ver¬
ständigung der Liberalen verschiedener Nationalität glauben; davon ist heute
keine Rede "lehr. Die Dissidenten unter den Tschechen werden immer wieder
unter das Joch der Alttschecheu, Feudalen und Klerikalen gezwungen, und
-- was wichtiger ist -- sie sind in de" nationalen Fragen womöglich noch ver¬
rannter und halsstarriger als ihre konservativen Landsleute; und was polnischer
Liberalismus bedeutet, das brauchten uns nicht erst die Herren Smvlka, Czar-
torhski und Konsorten zu lehren.

Ob die Verfassungstreuen endlich von ihren Feinden lernen werden, die
Dinge zu sehen und zu nehmen, wie sie sind? Wir haben wenig Vertraue"
daz". Die Herren haben seinerzeit den Namen Herbstzeitlose sehr übel genommen,
zeigen aber immer aufs neue, wie passend derselbe ist. Als nach 1868 eine
kleine Partei mit der Forderung auftrat, dem Königreich Galizien eine Sonder¬
stellung einzuräumen, erklärte sich die Mehrheit entschieden dagegen. Jetzt, da
die Polen beinahe alles, was ihnen Rechbaucr damals gewähren wollte, erreicht
haben und wahrscheinlich noch vielmehr erreichen werden, taucht jener Gedanke
wieder auf. Selbstverständlich wollen die Polen jetzt nichts mehr davon wissen.
Sie sind ja ohnehin die Herren in dem Lande, welches jetzt auf Kosten der
übrigen Kronlündcr existirt, und sie geben den Deutschen Gesetze, legen ihnen
Steuern auf, strecken die Hände nach Schlesien aus, bekommen ihre eigne Eiscn-
bahuverwaltung und, wenn das Glück ferner gut ist, ihr eignes Heer -- was
können sie besseres wünschen?-Ebenso wurde der Plan, in den Ländern mit
gemischter Bevölkerung die Rechte der Nationalitäten gesetzlich zu wahren, vor
zwanzig Jahren und später, so lange die Verfassungspartei am Ruder war,
abgewiesen; jetzt sucht man ihn hervor, da die Majorität ihn entweder ver¬
werfen oder zum Schaden der Deutschen ausführen wird. Was soll aber dann
geschehen? Dann Abstinenz! Noch haben die Besonnenen die Oberhand, welche
dieses äußerste Mittel für den äußersten Fall aufgespart wissen Wollen. Die
Heißsporne der Rechten kündigen an, nicht eher ruhen zu wollen, bis die ver¬
haßten Deutschen auf weniger als ein Drittel im Reichsrate herabgebrncht seien,
und dann werde man an die Verfassungsrevision gehen. Damit würden freilich
die Deutschen vor die Erwägung gestellt werden, ob sie überhaupt noch am


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ihre Vertreter angefangen, sich »»abhängig zu machen. Natürlich setzt die Rechte
alle Mittel in Bewegung, um eine förmliche Sezession zu verhüte», während
die Blätter der Linie» de» Schwankenden predige», es sei ihre verfluchte Pflicht
und Schuldigkeit, sich ihre» Stnmmesgeiwssen anzuschließen. Daß aber die
Linke und deren Blätter jenes Häuflein in die Reihe» des Feindes getrieben
haben und daß die Bildung einer das gesamte deutsche Element umfassen¬
den Partei ein Ding der Unmöglichkeit ist, solange Deutschtum, politischer
und kirchlicher Liberalismus als identisch gelten, das scheinen die Herren
noch immer nicht zu begreifen. Und doch ist das Zustandekommen einer solchen
Partei die einzige Aussicht des Deutschtums, Früher konnte man an eine Ver¬
ständigung der Liberalen verschiedener Nationalität glauben; davon ist heute
keine Rede »lehr. Die Dissidenten unter den Tschechen werden immer wieder
unter das Joch der Alttschecheu, Feudalen und Klerikalen gezwungen, und
— was wichtiger ist — sie sind in de» nationalen Fragen womöglich noch ver¬
rannter und halsstarriger als ihre konservativen Landsleute; und was polnischer
Liberalismus bedeutet, das brauchten uns nicht erst die Herren Smvlka, Czar-
torhski und Konsorten zu lehren.

Ob die Verfassungstreuen endlich von ihren Feinden lernen werden, die
Dinge zu sehen und zu nehmen, wie sie sind? Wir haben wenig Vertraue»
daz». Die Herren haben seinerzeit den Namen Herbstzeitlose sehr übel genommen,
zeigen aber immer aufs neue, wie passend derselbe ist. Als nach 1868 eine
kleine Partei mit der Forderung auftrat, dem Königreich Galizien eine Sonder¬
stellung einzuräumen, erklärte sich die Mehrheit entschieden dagegen. Jetzt, da
die Polen beinahe alles, was ihnen Rechbaucr damals gewähren wollte, erreicht
haben und wahrscheinlich noch vielmehr erreichen werden, taucht jener Gedanke
wieder auf. Selbstverständlich wollen die Polen jetzt nichts mehr davon wissen.
Sie sind ja ohnehin die Herren in dem Lande, welches jetzt auf Kosten der
übrigen Kronlündcr existirt, und sie geben den Deutschen Gesetze, legen ihnen
Steuern auf, strecken die Hände nach Schlesien aus, bekommen ihre eigne Eiscn-
bahuverwaltung und, wenn das Glück ferner gut ist, ihr eignes Heer — was
können sie besseres wünschen?-Ebenso wurde der Plan, in den Ländern mit
gemischter Bevölkerung die Rechte der Nationalitäten gesetzlich zu wahren, vor
zwanzig Jahren und später, so lange die Verfassungspartei am Ruder war,
abgewiesen; jetzt sucht man ihn hervor, da die Majorität ihn entweder ver¬
werfen oder zum Schaden der Deutschen ausführen wird. Was soll aber dann
geschehen? Dann Abstinenz! Noch haben die Besonnenen die Oberhand, welche
dieses äußerste Mittel für den äußersten Fall aufgespart wissen Wollen. Die
Heißsporne der Rechten kündigen an, nicht eher ruhen zu wollen, bis die ver¬
haßten Deutschen auf weniger als ein Drittel im Reichsrate herabgebrncht seien,
und dann werde man an die Verfassungsrevision gehen. Damit würden freilich
die Deutschen vor die Erwägung gestellt werden, ob sie überhaupt noch am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/70>, abgerufen am 25.08.2024.