Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf der Leiter des Glücks.

gutgestellten oder die verarmten unter den betitelten Nachbarn des Fabrikanten¬
paars die Bekanntschaft der Hnrtigs ohne alle Nebengedanken gesucht haben sollten.

Der respektabelste dieser Pläneschmieder, von Waltershausen, ein älterer
Herr, dessen Steckenpferd die Politik war, hatte in dem konservativen Klub die
Frage ventilirt, ob dem Fabrikanten Hartig etwa Aussichten auf Gunstbezeigungen
von höchster Stelle eröffnet inertem konnten, für den Fall nämlich, daß er für die
"gute Sache" zu gewinnen wäre. Die dem Frager gewordenen Antworten mußten
günstig lauten, denn er zeigte für Villa Anna und ihre Bewohner ein immer
wärmer sich äußerndes Interesse und benutzte auch jede sich ihm darbietende
Gelegenheit, um sich bei dem auf haudelswirtschaftlichem Gebiete wohlerfahrenen
Fabrikanten Rats zu erholen. Freihandel oder Schutzzoll, Tabaksmonopol
oder Tabakssteuer -- von Waltershausen behauptete seinem "enen Freunde die un¬
schätzbarsten Belehrungen zu verdanken, und Hartig freute sich, aus dem Schatz
seiner langjährige" Erfahrungen zu Nutz und Frommen der Gesamtheit einiges
verwertet zu sehen.

Weniger unverfänglich hätte man vielleicht die Absichten des gichtischen
Majors a. D. von Stobbe nennen müssen, denn seine Schwäche oder -- wie
mens nehmen will -- seine Stärke war das Geldborgen; doch handelte sichs
bei ihm nie um so geringfügige Summen, daß die Sache -- wenigstens nach der
Meinung der guten oder der bessern Gesellschaft -- geradezu für unschicklich gelten
konnte. Auch hatte er eine gewisse Fertigkeit, sich hinter allerlei Aktienunter-
nehmungen zu verbergen, die allemal philanthropische Zwecke verfolgten, sei es
daß man Sekundärbahnen bauen wollte, sei es daß Snppcnanstalten oder
Magdalenenstifte oder Movrentwässcrungsgesellschaften ins Leben zu rufen waren.
Seine ganze Erscheinung hatte denn auch, namentlich seitdem er ergraut war,
etwas Ehrwürdiges, und die schwarzen Augen unter den silberweißen Brauen
waren von so schwärmerischem Feuer, daß selbst die gebrannten Kinder unter
seinen Nachbarn in Zweifel blieben, ob er bei jenen Projettcnmachereien seine
Finanzen zu verbessern suchte, oder ob er nicht im Gegenteil, wie er versicherte,
aus Enthusiasmus für das Wohl andrer von dem Seinigen opfere.

Am interessirtesten sollten, nach dem Urteil einiger scharf beobachtenden
Damen der Nachbarschaft, die letzten Pläne einer Frau von Mvckritz sein, da
diese Pläne nur auf Verheiratung ihrer dritten Tochter Hermione mit dein noch
immer unsichtbaren Adoptivsohne des Ehepaares hinauslaufen konnten, eine
Behauptung, die einigen Anhalt dadurch erhielt, daß bereits die ältesten beiden
Fräulein von Mockritz auf ähnliche Veranstaltungen hin große Partien gemacht
hatten. Hermione von Mockritz war übrigens eine bildschöne junge Person,
blond, rosig, blauäugig, mit sehr feinem Profil und unglaublich zierlichen Augen¬
brauen, dazu von gutem Wuchse und sehr gefälligen Manieren. Wenn sie in
die Pläne ihrer Mutter nicht eingeweiht war, so hatte sie doch jedenfalls unter
den finanziellen Bedrängnissen, von denen Freir von Mockritz erst durch die


Auf der Leiter des Glücks.

gutgestellten oder die verarmten unter den betitelten Nachbarn des Fabrikanten¬
paars die Bekanntschaft der Hnrtigs ohne alle Nebengedanken gesucht haben sollten.

Der respektabelste dieser Pläneschmieder, von Waltershausen, ein älterer
Herr, dessen Steckenpferd die Politik war, hatte in dem konservativen Klub die
Frage ventilirt, ob dem Fabrikanten Hartig etwa Aussichten auf Gunstbezeigungen
von höchster Stelle eröffnet inertem konnten, für den Fall nämlich, daß er für die
„gute Sache" zu gewinnen wäre. Die dem Frager gewordenen Antworten mußten
günstig lauten, denn er zeigte für Villa Anna und ihre Bewohner ein immer
wärmer sich äußerndes Interesse und benutzte auch jede sich ihm darbietende
Gelegenheit, um sich bei dem auf haudelswirtschaftlichem Gebiete wohlerfahrenen
Fabrikanten Rats zu erholen. Freihandel oder Schutzzoll, Tabaksmonopol
oder Tabakssteuer — von Waltershausen behauptete seinem »enen Freunde die un¬
schätzbarsten Belehrungen zu verdanken, und Hartig freute sich, aus dem Schatz
seiner langjährige» Erfahrungen zu Nutz und Frommen der Gesamtheit einiges
verwertet zu sehen.

Weniger unverfänglich hätte man vielleicht die Absichten des gichtischen
Majors a. D. von Stobbe nennen müssen, denn seine Schwäche oder — wie
mens nehmen will — seine Stärke war das Geldborgen; doch handelte sichs
bei ihm nie um so geringfügige Summen, daß die Sache — wenigstens nach der
Meinung der guten oder der bessern Gesellschaft — geradezu für unschicklich gelten
konnte. Auch hatte er eine gewisse Fertigkeit, sich hinter allerlei Aktienunter-
nehmungen zu verbergen, die allemal philanthropische Zwecke verfolgten, sei es
daß man Sekundärbahnen bauen wollte, sei es daß Snppcnanstalten oder
Magdalenenstifte oder Movrentwässcrungsgesellschaften ins Leben zu rufen waren.
Seine ganze Erscheinung hatte denn auch, namentlich seitdem er ergraut war,
etwas Ehrwürdiges, und die schwarzen Augen unter den silberweißen Brauen
waren von so schwärmerischem Feuer, daß selbst die gebrannten Kinder unter
seinen Nachbarn in Zweifel blieben, ob er bei jenen Projettcnmachereien seine
Finanzen zu verbessern suchte, oder ob er nicht im Gegenteil, wie er versicherte,
aus Enthusiasmus für das Wohl andrer von dem Seinigen opfere.

Am interessirtesten sollten, nach dem Urteil einiger scharf beobachtenden
Damen der Nachbarschaft, die letzten Pläne einer Frau von Mvckritz sein, da
diese Pläne nur auf Verheiratung ihrer dritten Tochter Hermione mit dein noch
immer unsichtbaren Adoptivsohne des Ehepaares hinauslaufen konnten, eine
Behauptung, die einigen Anhalt dadurch erhielt, daß bereits die ältesten beiden
Fräulein von Mockritz auf ähnliche Veranstaltungen hin große Partien gemacht
hatten. Hermione von Mockritz war übrigens eine bildschöne junge Person,
blond, rosig, blauäugig, mit sehr feinem Profil und unglaublich zierlichen Augen¬
brauen, dazu von gutem Wuchse und sehr gefälligen Manieren. Wenn sie in
die Pläne ihrer Mutter nicht eingeweiht war, so hatte sie doch jedenfalls unter
den finanziellen Bedrängnissen, von denen Freir von Mockritz erst durch die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154943"/>
            <fw type="header" place="top"> Auf der Leiter des Glücks.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160"> gutgestellten oder die verarmten unter den betitelten Nachbarn des Fabrikanten¬<lb/>
paars die Bekanntschaft der Hnrtigs ohne alle Nebengedanken gesucht haben sollten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_162"> Der respektabelste dieser Pläneschmieder, von Waltershausen, ein älterer<lb/>
Herr, dessen Steckenpferd die Politik war, hatte in dem konservativen Klub die<lb/>
Frage ventilirt, ob dem Fabrikanten Hartig etwa Aussichten auf Gunstbezeigungen<lb/>
von höchster Stelle eröffnet inertem konnten, für den Fall nämlich, daß er für die<lb/>
&#x201E;gute Sache" zu gewinnen wäre. Die dem Frager gewordenen Antworten mußten<lb/>
günstig lauten, denn er zeigte für Villa Anna und ihre Bewohner ein immer<lb/>
wärmer sich äußerndes Interesse und benutzte auch jede sich ihm darbietende<lb/>
Gelegenheit, um sich bei dem auf haudelswirtschaftlichem Gebiete wohlerfahrenen<lb/>
Fabrikanten Rats zu erholen. Freihandel oder Schutzzoll, Tabaksmonopol<lb/>
oder Tabakssteuer &#x2014; von Waltershausen behauptete seinem »enen Freunde die un¬<lb/>
schätzbarsten Belehrungen zu verdanken, und Hartig freute sich, aus dem Schatz<lb/>
seiner langjährige» Erfahrungen zu Nutz und Frommen der Gesamtheit einiges<lb/>
verwertet zu sehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_163"> Weniger unverfänglich hätte man vielleicht die Absichten des gichtischen<lb/>
Majors a. D. von Stobbe nennen müssen, denn seine Schwäche oder &#x2014; wie<lb/>
mens nehmen will &#x2014; seine Stärke war das Geldborgen; doch handelte sichs<lb/>
bei ihm nie um so geringfügige Summen, daß die Sache &#x2014; wenigstens nach der<lb/>
Meinung der guten oder der bessern Gesellschaft &#x2014; geradezu für unschicklich gelten<lb/>
konnte. Auch hatte er eine gewisse Fertigkeit, sich hinter allerlei Aktienunter-<lb/>
nehmungen zu verbergen, die allemal philanthropische Zwecke verfolgten, sei es<lb/>
daß man Sekundärbahnen bauen wollte, sei es daß Snppcnanstalten oder<lb/>
Magdalenenstifte oder Movrentwässcrungsgesellschaften ins Leben zu rufen waren.<lb/>
Seine ganze Erscheinung hatte denn auch, namentlich seitdem er ergraut war,<lb/>
etwas Ehrwürdiges, und die schwarzen Augen unter den silberweißen Brauen<lb/>
waren von so schwärmerischem Feuer, daß selbst die gebrannten Kinder unter<lb/>
seinen Nachbarn in Zweifel blieben, ob er bei jenen Projettcnmachereien seine<lb/>
Finanzen zu verbessern suchte, oder ob er nicht im Gegenteil, wie er versicherte,<lb/>
aus Enthusiasmus für das Wohl andrer von dem Seinigen opfere.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_164" next="#ID_165"> Am interessirtesten sollten, nach dem Urteil einiger scharf beobachtenden<lb/>
Damen der Nachbarschaft, die letzten Pläne einer Frau von Mvckritz sein, da<lb/>
diese Pläne nur auf Verheiratung ihrer dritten Tochter Hermione mit dein noch<lb/>
immer unsichtbaren Adoptivsohne des Ehepaares hinauslaufen konnten, eine<lb/>
Behauptung, die einigen Anhalt dadurch erhielt, daß bereits die ältesten beiden<lb/>
Fräulein von Mockritz auf ähnliche Veranstaltungen hin große Partien gemacht<lb/>
hatten. Hermione von Mockritz war übrigens eine bildschöne junge Person,<lb/>
blond, rosig, blauäugig, mit sehr feinem Profil und unglaublich zierlichen Augen¬<lb/>
brauen, dazu von gutem Wuchse und sehr gefälligen Manieren. Wenn sie in<lb/>
die Pläne ihrer Mutter nicht eingeweiht war, so hatte sie doch jedenfalls unter<lb/>
den finanziellen Bedrängnissen, von denen Freir von Mockritz erst durch die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] Auf der Leiter des Glücks. gutgestellten oder die verarmten unter den betitelten Nachbarn des Fabrikanten¬ paars die Bekanntschaft der Hnrtigs ohne alle Nebengedanken gesucht haben sollten. Der respektabelste dieser Pläneschmieder, von Waltershausen, ein älterer Herr, dessen Steckenpferd die Politik war, hatte in dem konservativen Klub die Frage ventilirt, ob dem Fabrikanten Hartig etwa Aussichten auf Gunstbezeigungen von höchster Stelle eröffnet inertem konnten, für den Fall nämlich, daß er für die „gute Sache" zu gewinnen wäre. Die dem Frager gewordenen Antworten mußten günstig lauten, denn er zeigte für Villa Anna und ihre Bewohner ein immer wärmer sich äußerndes Interesse und benutzte auch jede sich ihm darbietende Gelegenheit, um sich bei dem auf haudelswirtschaftlichem Gebiete wohlerfahrenen Fabrikanten Rats zu erholen. Freihandel oder Schutzzoll, Tabaksmonopol oder Tabakssteuer — von Waltershausen behauptete seinem »enen Freunde die un¬ schätzbarsten Belehrungen zu verdanken, und Hartig freute sich, aus dem Schatz seiner langjährige» Erfahrungen zu Nutz und Frommen der Gesamtheit einiges verwertet zu sehen. Weniger unverfänglich hätte man vielleicht die Absichten des gichtischen Majors a. D. von Stobbe nennen müssen, denn seine Schwäche oder — wie mens nehmen will — seine Stärke war das Geldborgen; doch handelte sichs bei ihm nie um so geringfügige Summen, daß die Sache — wenigstens nach der Meinung der guten oder der bessern Gesellschaft — geradezu für unschicklich gelten konnte. Auch hatte er eine gewisse Fertigkeit, sich hinter allerlei Aktienunter- nehmungen zu verbergen, die allemal philanthropische Zwecke verfolgten, sei es daß man Sekundärbahnen bauen wollte, sei es daß Snppcnanstalten oder Magdalenenstifte oder Movrentwässcrungsgesellschaften ins Leben zu rufen waren. Seine ganze Erscheinung hatte denn auch, namentlich seitdem er ergraut war, etwas Ehrwürdiges, und die schwarzen Augen unter den silberweißen Brauen waren von so schwärmerischem Feuer, daß selbst die gebrannten Kinder unter seinen Nachbarn in Zweifel blieben, ob er bei jenen Projettcnmachereien seine Finanzen zu verbessern suchte, oder ob er nicht im Gegenteil, wie er versicherte, aus Enthusiasmus für das Wohl andrer von dem Seinigen opfere. Am interessirtesten sollten, nach dem Urteil einiger scharf beobachtenden Damen der Nachbarschaft, die letzten Pläne einer Frau von Mvckritz sein, da diese Pläne nur auf Verheiratung ihrer dritten Tochter Hermione mit dein noch immer unsichtbaren Adoptivsohne des Ehepaares hinauslaufen konnten, eine Behauptung, die einigen Anhalt dadurch erhielt, daß bereits die ältesten beiden Fräulein von Mockritz auf ähnliche Veranstaltungen hin große Partien gemacht hatten. Hermione von Mockritz war übrigens eine bildschöne junge Person, blond, rosig, blauäugig, mit sehr feinem Profil und unglaublich zierlichen Augen¬ brauen, dazu von gutem Wuchse und sehr gefälligen Manieren. Wenn sie in die Pläne ihrer Mutter nicht eingeweiht war, so hatte sie doch jedenfalls unter den finanziellen Bedrängnissen, von denen Freir von Mockritz erst durch die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/60>, abgerufen am 04.07.2024.