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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Ans der Leiter des Glücks,

Briefe Bertholds empfangen und gelesen hatte, erfolgte zu seiner Verwnndenmg
keinerlei Ausbruch.

Lieber Herr Hartig, sagte die, nach des Fabrikanten Meinung heute geradezll
fürstliche Finn, ich freue mich, daß Sie die Briefe selbst überbracht haben. Es
war etwas ähnliches von unsrer Seite in Vorbereitung -- hier liegen unsre für
Sie und Ihren Herrn Sohn bestimmt gewesenen Absageschreiben, und ich muß
dem Zufall, der meinen Lakaien das rechtzeitige Forttragen derselben verab-
säumen ließ, jetzt dankbar sei", denn es ist immer erfreulich, wenn die Auf¬
lösung eines Verhältnisses aus gegenseitiger Erkenntnis der Zweckmäßigkeit eines
solchen Schrittes geschieht. Sowohl die mir überbrachten Briefe wie auch Ihr
Besuch, der ohne Zweifel mir mündliche Erläuterungen zu bieten beabsichtigte,
sind mir deshalb von hohem Werte,

Wie schon erwähnt, der Fabrikant war sprachlos vor Staunen,

Die Briefe wurden ihm nun übergeben. Er öffnete den für ihn bestimmten.
Lesen Sie nur anch gleich den andern, bat Fran von Mockritz und schnitt das
Kvuvcrt auf; es steht nichts darin, was der Vater nicht ebensogut ein Recht
hätte zu erfahren wie der Sohn.

Kaspar Benedikt las also.

Über den Inhalt zu staunen, war weiter nicht nötig. Mit den kürzesten
n"d doch alles aufs vortrefflichste sägenden Worten hatte vor allem die Mutter
ihre Absage verfaßt, Sie habe, hieß es in dem duftigen und goldsandbestrentcn
Briefchen, nach dem gestrigen in der Villa Anna gemachten Besuche doch noch
einmal alles aufs reiflichste erwogen und nach eingehendem Znrateziehcn des
unbefriedigender Gemütszustandes ihrer Tochter den Entschluß gefaßt, auf die
geplant gewesene Verbindung lieber zu verzichten, nähere Auseinandersetzungen
für geneigte persönliche Begegnung versparend.

Der Fabrikant hatte die Nacht über von Duelle" getrimmt; einer, wenn
nicht gar beide Schwiegersöhne der fürstliche" Frau würden sichs nicht nehmen
lassen, so hatte er im Traum gemeint, den zurücktretenden Bräutigam zu for¬
dern, und in den Morgenstunden hatte er sogar eiuen Schuß falle" höre" und
hatte im Geiste Berthold als das Opfer eines amerikanischen Duells i" seinem
Blute schwimmen sehen. Die Lektüre in der Bibliothek der merkwürdigen Villa
war beschwichtigend gefolgt. Nun endlich hatte auch die von der ander" Seite
produzirte Absage den Boden noch vollständiger um seine vulkanische Natur
gebracht. Kaspar Benedikt konnte wieder lächeln.

Die Wahrheit zu gestehen, gnädige Fran, sagte er, ich atme auf. Bei
jeder Brautschaft hofft man ja das beste. Warum anch nicht? Aber "gleich
und gleich" bleibt doch ein schwerwiegendes Wort.

Ihr Nichtadlichen macht immer weit mehr Wesen von u"ser" Standesvvr-
rcchten, als nötig und als in der Ordnung ist, gab Frau von Mockritz in gü¬
tigem Tone zur Antwort. Nein, lieber Herr Hartig, ich hätte mich aufrichtig


Ans der Leiter des Glücks,

Briefe Bertholds empfangen und gelesen hatte, erfolgte zu seiner Verwnndenmg
keinerlei Ausbruch.

Lieber Herr Hartig, sagte die, nach des Fabrikanten Meinung heute geradezll
fürstliche Finn, ich freue mich, daß Sie die Briefe selbst überbracht haben. Es
war etwas ähnliches von unsrer Seite in Vorbereitung — hier liegen unsre für
Sie und Ihren Herrn Sohn bestimmt gewesenen Absageschreiben, und ich muß
dem Zufall, der meinen Lakaien das rechtzeitige Forttragen derselben verab-
säumen ließ, jetzt dankbar sei», denn es ist immer erfreulich, wenn die Auf¬
lösung eines Verhältnisses aus gegenseitiger Erkenntnis der Zweckmäßigkeit eines
solchen Schrittes geschieht. Sowohl die mir überbrachten Briefe wie auch Ihr
Besuch, der ohne Zweifel mir mündliche Erläuterungen zu bieten beabsichtigte,
sind mir deshalb von hohem Werte,

Wie schon erwähnt, der Fabrikant war sprachlos vor Staunen,

Die Briefe wurden ihm nun übergeben. Er öffnete den für ihn bestimmten.
Lesen Sie nur anch gleich den andern, bat Fran von Mockritz und schnitt das
Kvuvcrt auf; es steht nichts darin, was der Vater nicht ebensogut ein Recht
hätte zu erfahren wie der Sohn.

Kaspar Benedikt las also.

Über den Inhalt zu staunen, war weiter nicht nötig. Mit den kürzesten
n»d doch alles aufs vortrefflichste sägenden Worten hatte vor allem die Mutter
ihre Absage verfaßt, Sie habe, hieß es in dem duftigen und goldsandbestrentcn
Briefchen, nach dem gestrigen in der Villa Anna gemachten Besuche doch noch
einmal alles aufs reiflichste erwogen und nach eingehendem Znrateziehcn des
unbefriedigender Gemütszustandes ihrer Tochter den Entschluß gefaßt, auf die
geplant gewesene Verbindung lieber zu verzichten, nähere Auseinandersetzungen
für geneigte persönliche Begegnung versparend.

Der Fabrikant hatte die Nacht über von Duelle» getrimmt; einer, wenn
nicht gar beide Schwiegersöhne der fürstliche» Frau würden sichs nicht nehmen
lassen, so hatte er im Traum gemeint, den zurücktretenden Bräutigam zu for¬
dern, und in den Morgenstunden hatte er sogar eiuen Schuß falle» höre» und
hatte im Geiste Berthold als das Opfer eines amerikanischen Duells i» seinem
Blute schwimmen sehen. Die Lektüre in der Bibliothek der merkwürdigen Villa
war beschwichtigend gefolgt. Nun endlich hatte auch die von der ander» Seite
produzirte Absage den Boden noch vollständiger um seine vulkanische Natur
gebracht. Kaspar Benedikt konnte wieder lächeln.

Die Wahrheit zu gestehen, gnädige Fran, sagte er, ich atme auf. Bei
jeder Brautschaft hofft man ja das beste. Warum anch nicht? Aber „gleich
und gleich" bleibt doch ein schwerwiegendes Wort.

Ihr Nichtadlichen macht immer weit mehr Wesen von u»ser» Standesvvr-
rcchten, als nötig und als in der Ordnung ist, gab Frau von Mockritz in gü¬
tigem Tone zur Antwort. Nein, lieber Herr Hartig, ich hätte mich aufrichtig


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[0424] Ans der Leiter des Glücks, Briefe Bertholds empfangen und gelesen hatte, erfolgte zu seiner Verwnndenmg keinerlei Ausbruch. Lieber Herr Hartig, sagte die, nach des Fabrikanten Meinung heute geradezll fürstliche Finn, ich freue mich, daß Sie die Briefe selbst überbracht haben. Es war etwas ähnliches von unsrer Seite in Vorbereitung — hier liegen unsre für Sie und Ihren Herrn Sohn bestimmt gewesenen Absageschreiben, und ich muß dem Zufall, der meinen Lakaien das rechtzeitige Forttragen derselben verab- säumen ließ, jetzt dankbar sei», denn es ist immer erfreulich, wenn die Auf¬ lösung eines Verhältnisses aus gegenseitiger Erkenntnis der Zweckmäßigkeit eines solchen Schrittes geschieht. Sowohl die mir überbrachten Briefe wie auch Ihr Besuch, der ohne Zweifel mir mündliche Erläuterungen zu bieten beabsichtigte, sind mir deshalb von hohem Werte, Wie schon erwähnt, der Fabrikant war sprachlos vor Staunen, Die Briefe wurden ihm nun übergeben. Er öffnete den für ihn bestimmten. Lesen Sie nur anch gleich den andern, bat Fran von Mockritz und schnitt das Kvuvcrt auf; es steht nichts darin, was der Vater nicht ebensogut ein Recht hätte zu erfahren wie der Sohn. Kaspar Benedikt las also. Über den Inhalt zu staunen, war weiter nicht nötig. Mit den kürzesten n»d doch alles aufs vortrefflichste sägenden Worten hatte vor allem die Mutter ihre Absage verfaßt, Sie habe, hieß es in dem duftigen und goldsandbestrentcn Briefchen, nach dem gestrigen in der Villa Anna gemachten Besuche doch noch einmal alles aufs reiflichste erwogen und nach eingehendem Znrateziehcn des unbefriedigender Gemütszustandes ihrer Tochter den Entschluß gefaßt, auf die geplant gewesene Verbindung lieber zu verzichten, nähere Auseinandersetzungen für geneigte persönliche Begegnung versparend. Der Fabrikant hatte die Nacht über von Duelle» getrimmt; einer, wenn nicht gar beide Schwiegersöhne der fürstliche» Frau würden sichs nicht nehmen lassen, so hatte er im Traum gemeint, den zurücktretenden Bräutigam zu for¬ dern, und in den Morgenstunden hatte er sogar eiuen Schuß falle» höre» und hatte im Geiste Berthold als das Opfer eines amerikanischen Duells i» seinem Blute schwimmen sehen. Die Lektüre in der Bibliothek der merkwürdigen Villa war beschwichtigend gefolgt. Nun endlich hatte auch die von der ander» Seite produzirte Absage den Boden noch vollständiger um seine vulkanische Natur gebracht. Kaspar Benedikt konnte wieder lächeln. Die Wahrheit zu gestehen, gnädige Fran, sagte er, ich atme auf. Bei jeder Brautschaft hofft man ja das beste. Warum anch nicht? Aber „gleich und gleich" bleibt doch ein schwerwiegendes Wort. Ihr Nichtadlichen macht immer weit mehr Wesen von u»ser» Standesvvr- rcchten, als nötig und als in der Ordnung ist, gab Frau von Mockritz in gü¬ tigem Tone zur Antwort. Nein, lieber Herr Hartig, ich hätte mich aufrichtig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/424>, abgerufen am 26.06.2024.