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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Die Praxis der deutschen Fenerversicherungsgesellschaften.

sie dem Publikum und dem Staat als Oberanfsichtsbehördc gegenüber verfolgen,
bewiesen. Im Lager der Verbündeten herrscht mich großer Jubel über den
Beitritt der stolzen und vornehmen Gvthcmerin,

Als Spekulationsgeschäfte stehen beide Kategorien von Versicherungsgesell¬
schaften im Gegensatze zu der dritten, den öffentlichen Sozietäten, Diese haben
das Prinzip, durch Beiträge, die von ihren Mitgliedern bis zur Höhe des
Bedarfs herbeigeschafft werden, die in ihrem Kreise entstandenen Brandschäden
zu vergüten, und vertreten damit das System der reinen Gegenseitigkeit. Sie
werden vom Staate verwaltet, und ihre Verfassungen sowie ihre geschäftliche"
Grundsätze beruhen auf staatlichen Verordnungen. Die früher zu ihren Gunsten
erlassenen Privilegien sind größtenteils aufgehoben. Sie sind stets nur für eine
Provinz, einen Regierungsbezirk oder eine Landschaft konzessionirt, eine Be¬
schränkung ihrer Gcschüftsthätigkcit, in welcher der Grund liegt, daß sie den
thätigen, hierin keiner Beschränkung unterworfenen Privat- oder Aktiengesell¬
schaften gegenüber nicht reussiren. Sie leiden an einer schlechten Verteilung
der Gefahr. Eine Verschmelzung aller dieser Sozietäten zu einer einzigen
großen Landesfeuerversichcrungs-Anstalt könnte diesem Übel abhelfen.

Die Magdeburger Feuerversicherungsgefellschaft sagt in ihrer schon oben
zitirten Denkschrift über "ihre Bestrebungen und Erfolge," daß es sich für den
Verhinderer unausgesetzt darum handle, zu sinnen und zu trachten, daß und wie
das Risiko weiter vermindert werde. Soweit dieses Ziel durch "fleißige, ratio¬
nelle und vorsichtige Geschüftsführnng. durch Maßregeln zur Verhütung, Be¬
grenzung und Bekämpfung der Gefahren, um diese selbst auf das geringste Maß
zurückzuführen," herbeigeführt weiden kann, muß dieses Bestreben den Beifall
aller vorurteilsfreien Leser finden, ein andres ist es schon mit den weiter an¬
geführten Mitteln der "geschickten Verteilung der Gefahren" und "des Studiums
der Gefahrsmvmente." Der Fall tritt häufig ein, daß bei einer Praxis, die
auf diesen Mitteln beruht, ein Versicherungsuchender trotz größter Mühe die
gewünschte Versicherung entweder garnicht oder doch nur unter den größten
Opfern und rigoroser einschränkenden Bedingungen erreichen kann, weil ent¬
weder alle Gesellschaften das für den Versicheruugsort bestimmte Maximum
bereits erreicht oder diesen Platz überhaupt der leichten Bauart seiner Gebäude
oder der subjektiven Eigenschaften seiner Einwohner wegen aus ihrem Geschäfts¬
gebiete ausgeschlossen haben. Sie können auch Veranlassung haben, den Antrag¬
steller selbst zu meiden, weil er das Unglück gehabt hat, bereits von einem
Brandschäden getroffen zu werden, oder die Versicherung abzulehnen, weil das
Objekt uicht zu deu "wünschenswerten Risiken" gehört. Gehört dasselbe zu
denjenigen Ausnahmen, zu deren Versicherung auch die öffentliche Sozietät
nicht verpflichtet ist, so muß der Verstchernngsuchende, wenn er nicht un¬
verhindert und damit der Chance des größten Verlustes unterworfen bleiben will,
sich einer Privatversicherungsgesellschaft mit gebundenen Händen überliefern,


Die Praxis der deutschen Fenerversicherungsgesellschaften.

sie dem Publikum und dem Staat als Oberanfsichtsbehördc gegenüber verfolgen,
bewiesen. Im Lager der Verbündeten herrscht mich großer Jubel über den
Beitritt der stolzen und vornehmen Gvthcmerin,

Als Spekulationsgeschäfte stehen beide Kategorien von Versicherungsgesell¬
schaften im Gegensatze zu der dritten, den öffentlichen Sozietäten, Diese haben
das Prinzip, durch Beiträge, die von ihren Mitgliedern bis zur Höhe des
Bedarfs herbeigeschafft werden, die in ihrem Kreise entstandenen Brandschäden
zu vergüten, und vertreten damit das System der reinen Gegenseitigkeit. Sie
werden vom Staate verwaltet, und ihre Verfassungen sowie ihre geschäftliche»
Grundsätze beruhen auf staatlichen Verordnungen. Die früher zu ihren Gunsten
erlassenen Privilegien sind größtenteils aufgehoben. Sie sind stets nur für eine
Provinz, einen Regierungsbezirk oder eine Landschaft konzessionirt, eine Be¬
schränkung ihrer Gcschüftsthätigkcit, in welcher der Grund liegt, daß sie den
thätigen, hierin keiner Beschränkung unterworfenen Privat- oder Aktiengesell¬
schaften gegenüber nicht reussiren. Sie leiden an einer schlechten Verteilung
der Gefahr. Eine Verschmelzung aller dieser Sozietäten zu einer einzigen
großen Landesfeuerversichcrungs-Anstalt könnte diesem Übel abhelfen.

Die Magdeburger Feuerversicherungsgefellschaft sagt in ihrer schon oben
zitirten Denkschrift über „ihre Bestrebungen und Erfolge," daß es sich für den
Verhinderer unausgesetzt darum handle, zu sinnen und zu trachten, daß und wie
das Risiko weiter vermindert werde. Soweit dieses Ziel durch „fleißige, ratio¬
nelle und vorsichtige Geschüftsführnng. durch Maßregeln zur Verhütung, Be¬
grenzung und Bekämpfung der Gefahren, um diese selbst auf das geringste Maß
zurückzuführen," herbeigeführt weiden kann, muß dieses Bestreben den Beifall
aller vorurteilsfreien Leser finden, ein andres ist es schon mit den weiter an¬
geführten Mitteln der „geschickten Verteilung der Gefahren" und „des Studiums
der Gefahrsmvmente." Der Fall tritt häufig ein, daß bei einer Praxis, die
auf diesen Mitteln beruht, ein Versicherungsuchender trotz größter Mühe die
gewünschte Versicherung entweder garnicht oder doch nur unter den größten
Opfern und rigoroser einschränkenden Bedingungen erreichen kann, weil ent¬
weder alle Gesellschaften das für den Versicheruugsort bestimmte Maximum
bereits erreicht oder diesen Platz überhaupt der leichten Bauart seiner Gebäude
oder der subjektiven Eigenschaften seiner Einwohner wegen aus ihrem Geschäfts¬
gebiete ausgeschlossen haben. Sie können auch Veranlassung haben, den Antrag¬
steller selbst zu meiden, weil er das Unglück gehabt hat, bereits von einem
Brandschäden getroffen zu werden, oder die Versicherung abzulehnen, weil das
Objekt uicht zu deu „wünschenswerten Risiken" gehört. Gehört dasselbe zu
denjenigen Ausnahmen, zu deren Versicherung auch die öffentliche Sozietät
nicht verpflichtet ist, so muß der Verstchernngsuchende, wenn er nicht un¬
verhindert und damit der Chance des größten Verlustes unterworfen bleiben will,
sich einer Privatversicherungsgesellschaft mit gebundenen Händen überliefern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/340>, abgerufen am 28.09.2024.