Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Auf der Leiter des Glücks. Sie ihrerseits hatte bei alledem den "schönsten Abend ihres Lebens" noch Aber schon ini Verlaufe desselben Tages und noch mehr im Verlaufe der Er kam dennoch nicht so rasch zu einer Gelegenheit, ihr einen förmlichen Doch, doch! widersprach Berthold, das war damals ja gar keine rechte Zeit lassen! war Kaspar Benedikts letztes Wort. Frau Anna liebte ihren Mann zu innig, um nicht ihm zu Gefallen Jeden Tag kann Herminens Mutter aus dem Seebade zurückkehren, Zeit lassen! -- Kaspar Benedikt wünschte die Partie reichlich so sehr Freilich, wenn Frau Anna plötzlich sich erinnerte, eine wichtige Anordnung Auf der Leiter des Glücks. Sie ihrerseits hatte bei alledem den „schönsten Abend ihres Lebens" noch Aber schon ini Verlaufe desselben Tages und noch mehr im Verlaufe der Er kam dennoch nicht so rasch zu einer Gelegenheit, ihr einen förmlichen Doch, doch! widersprach Berthold, das war damals ja gar keine rechte Zeit lassen! war Kaspar Benedikts letztes Wort. Frau Anna liebte ihren Mann zu innig, um nicht ihm zu Gefallen Jeden Tag kann Herminens Mutter aus dem Seebade zurückkehren, Zeit lassen! — Kaspar Benedikt wünschte die Partie reichlich so sehr Freilich, wenn Frau Anna plötzlich sich erinnerte, eine wichtige Anordnung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155159"/> <fw type="header" place="top"> Auf der Leiter des Glücks.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1132"> Sie ihrerseits hatte bei alledem den „schönsten Abend ihres Lebens" noch<lb/> nicht so völlig vergessen, daß ihr die guten Seiten Bertholds ebenso rasch ins<lb/> Auge gesprungen wären wie sein Mangel an gesellschaftlichein Schliff.</p><lb/> <p xml:id="ID_1133"> Aber schon ini Verlaufe desselben Tages und noch mehr im Verlaufe der<lb/> folgenden gewann sie an manchen seiner Derbheiten Geschmack, ja sie stand ihm<lb/> gegen Frau Anna bei, so oft diese Schnalle, er benehme sich wirklich wie ein<lb/> Buschmensch; und da die schöne Jahreszeit Spiele im Freien gestattete, so wußte<lb/> Hermione, bei ihrer sehr entwickelten Virtuosität auf diesem Gebiete, sich ihm<lb/> bald als Lehrmeisterin zu empfehlen, immer der kürzeste Weg zur Anbahnung<lb/> eines harmlos unbeengten Verkehrs unter jungen Leuten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1134"> Er kam dennoch nicht so rasch zu einer Gelegenheit, ihr einen förmlichen<lb/> Antrag zu machen, wie er gehofft hatte, wenigstens war Kaspar Benedikts Wort,<lb/> so oft der Verliebte zum Sturm vorgehe» wollte, immer von neuem „Zeit<lb/> lassen und sich kennen lernen." Meine Anna, sagte er, hat schon als kleines<lb/> Kind mit meiner kleinen Schwester in meines guten Vaters zerbrochener Geige<lb/> Sand gefahren, und ich bin der Töpfer gewesen, der aus dem Sande Teller<lb/> und Tassen but. So lauge kannten wir einander schon und doch setzte mein<lb/> guter Vater es durch, daß wir uns ein halbes Jahr aus dem Wege gingen,<lb/> als das Verlieben uns endlich angeflogen war. Zeit lassen und sich kennen<lb/> lernen! Kennst du dich denn selbst nur? Du wolltest ja in jeden, neuen Städtchen<lb/> dich von neuem verliebt haben. Nun, du bist doch i» acht Tagen unmöglich<lb/> ein ganz andrer geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1135"> Doch, doch! widersprach Berthold, das war damals ja gar keine rechte<lb/> Liebe, das waren flüchtige Augenweiden. Wie viel Zeit durfte ich mir denn<lb/> lassen? Die Hauptsache blieb ja doch immer mein Ingenieur-Beruf; Tunnels,<lb/> Viadukte, Brücken, Kanäle, Eisenbahnen — das füllte mir den Kopf. Hier<lb/> hast du meine Hand, Papa — nie bin ich ernstlich verschossen gewesen, ver¬<lb/> liebt nun schon garnicht. Fräulein von Mockritz ist meine erste und einzige<lb/> wahre Liebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1136"> Zeit lassen! war Kaspar Benedikts letztes Wort.</p><lb/> <p xml:id="ID_1137"> Frau Anna liebte ihren Mann zu innig, um nicht ihm zu Gefallen<lb/> ihrer Ungeduld Zügel anzulegen, aber es wurde ihr unsäglich schwer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Jeden Tag kann Herminens Mutter aus dem Seebade zurückkehren,<lb/> sagte sie, und dann nimmt Frau von Mockritz das liebe Mädchen wieder fort.<lb/> Wo soll sich da eine Gelegenheit für Berthold finden, um Hermine unter vier<lb/> Augen zu sprechen? Und du weißt: einzig fo kann zwischen beiden etwas<lb/> werden. Vermittler sind ihm unausstehlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1139"> Zeit lassen! — Kaspar Benedikt wünschte die Partie reichlich so sehr<lb/> wie seine Frau. Aber die Hast der letztern wettzumachen, schien ihm heilige<lb/> Gewissenspflicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1140" next="#ID_1141"> Freilich, wenn Frau Anna plötzlich sich erinnerte, eine wichtige Anordnung</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
Auf der Leiter des Glücks.
Sie ihrerseits hatte bei alledem den „schönsten Abend ihres Lebens" noch
nicht so völlig vergessen, daß ihr die guten Seiten Bertholds ebenso rasch ins
Auge gesprungen wären wie sein Mangel an gesellschaftlichein Schliff.
Aber schon ini Verlaufe desselben Tages und noch mehr im Verlaufe der
folgenden gewann sie an manchen seiner Derbheiten Geschmack, ja sie stand ihm
gegen Frau Anna bei, so oft diese Schnalle, er benehme sich wirklich wie ein
Buschmensch; und da die schöne Jahreszeit Spiele im Freien gestattete, so wußte
Hermione, bei ihrer sehr entwickelten Virtuosität auf diesem Gebiete, sich ihm
bald als Lehrmeisterin zu empfehlen, immer der kürzeste Weg zur Anbahnung
eines harmlos unbeengten Verkehrs unter jungen Leuten.
Er kam dennoch nicht so rasch zu einer Gelegenheit, ihr einen förmlichen
Antrag zu machen, wie er gehofft hatte, wenigstens war Kaspar Benedikts Wort,
so oft der Verliebte zum Sturm vorgehe» wollte, immer von neuem „Zeit
lassen und sich kennen lernen." Meine Anna, sagte er, hat schon als kleines
Kind mit meiner kleinen Schwester in meines guten Vaters zerbrochener Geige
Sand gefahren, und ich bin der Töpfer gewesen, der aus dem Sande Teller
und Tassen but. So lauge kannten wir einander schon und doch setzte mein
guter Vater es durch, daß wir uns ein halbes Jahr aus dem Wege gingen,
als das Verlieben uns endlich angeflogen war. Zeit lassen und sich kennen
lernen! Kennst du dich denn selbst nur? Du wolltest ja in jeden, neuen Städtchen
dich von neuem verliebt haben. Nun, du bist doch i» acht Tagen unmöglich
ein ganz andrer geworden.
Doch, doch! widersprach Berthold, das war damals ja gar keine rechte
Liebe, das waren flüchtige Augenweiden. Wie viel Zeit durfte ich mir denn
lassen? Die Hauptsache blieb ja doch immer mein Ingenieur-Beruf; Tunnels,
Viadukte, Brücken, Kanäle, Eisenbahnen — das füllte mir den Kopf. Hier
hast du meine Hand, Papa — nie bin ich ernstlich verschossen gewesen, ver¬
liebt nun schon garnicht. Fräulein von Mockritz ist meine erste und einzige
wahre Liebe.
Zeit lassen! war Kaspar Benedikts letztes Wort.
Frau Anna liebte ihren Mann zu innig, um nicht ihm zu Gefallen
ihrer Ungeduld Zügel anzulegen, aber es wurde ihr unsäglich schwer.
Jeden Tag kann Herminens Mutter aus dem Seebade zurückkehren,
sagte sie, und dann nimmt Frau von Mockritz das liebe Mädchen wieder fort.
Wo soll sich da eine Gelegenheit für Berthold finden, um Hermine unter vier
Augen zu sprechen? Und du weißt: einzig fo kann zwischen beiden etwas
werden. Vermittler sind ihm unausstehlich.
Zeit lassen! — Kaspar Benedikt wünschte die Partie reichlich so sehr
wie seine Frau. Aber die Hast der letztern wettzumachen, schien ihm heilige
Gewissenspflicht.
Freilich, wenn Frau Anna plötzlich sich erinnerte, eine wichtige Anordnung
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