Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die ägyptische Krisis.

le Katastrophe, die das ägyptische Heer unter Hicks Pascha ereilte,
wirkt in ihren Folgen sowohl im Sudan als in Kairo und den
Hauptstädten der Westmächte fort. Der Aufstand breitet sich
immer weiter aus, und schon ist es fraglich geworden, ob die
.. Besatzung von Chartum und die vielen Fremden, die sich dort
im Laufe der Jahre niedergelassen haben, sich noch ohne Gefährdung ihres
Lebens nach Norden zurückzuziehen imstande sein werden. Andrerseits macht
infolge des Verhaltens Englands in der Sache die Mißstimmung der öffentlichen
Meinung in Paris gegen die Nachbarn über den Kanal sichtlich Fortschritte,
und alle möglichen Vorschläge zur Benutzung der angeblichen Mißgriffe der
britischen Politik werden in der französischen Presse laut. Schon fallen An¬
deutungen, nach denen man dem Wiederaufleben des Kvndominiums bereits
ziemlich nahe wäre, wobei man sich an den Spruch erinnert, daß der Wunsch
der Vater der Hoffnung ist. Ja es giebt an der Seine Politiker, denen eine
Rückkehr zur Doppelkontrole nicht genügt. Die Herren meinen, wenn der
Mahdi seinen siegreichen Marsch das Nilthal abwärts fortsetze, so würden die
Engländer eines Tages genötigt sein, Ägypten zu räumen; denn sie könnten
nicht auf die Unterstützung der eingeborenen Truppen zählen, und ihre eignen
würden einen langwierigen Feldzug am Nile nicht aushalten. England sei
dort sehr unbeliebt, wogegen Frankreich neuerdings in der Gunst der Ägypter
gestiegen sei. "Man hat, so bemerkt der Mtiorml, in den französischen
Kolonien früher bedauert, daß die Regierung der Republik nicht mit den Eng¬
ländern Hand in Hand gegangen ist, um das Kondominium zu erhalten. Jetzt
aber sind Anhänger und Gegner der Einmischung insoweit einer Meinung, als


Grenzboten I. 1884. 2s


Die ägyptische Krisis.

le Katastrophe, die das ägyptische Heer unter Hicks Pascha ereilte,
wirkt in ihren Folgen sowohl im Sudan als in Kairo und den
Hauptstädten der Westmächte fort. Der Aufstand breitet sich
immer weiter aus, und schon ist es fraglich geworden, ob die
.. Besatzung von Chartum und die vielen Fremden, die sich dort
im Laufe der Jahre niedergelassen haben, sich noch ohne Gefährdung ihres
Lebens nach Norden zurückzuziehen imstande sein werden. Andrerseits macht
infolge des Verhaltens Englands in der Sache die Mißstimmung der öffentlichen
Meinung in Paris gegen die Nachbarn über den Kanal sichtlich Fortschritte,
und alle möglichen Vorschläge zur Benutzung der angeblichen Mißgriffe der
britischen Politik werden in der französischen Presse laut. Schon fallen An¬
deutungen, nach denen man dem Wiederaufleben des Kvndominiums bereits
ziemlich nahe wäre, wobei man sich an den Spruch erinnert, daß der Wunsch
der Vater der Hoffnung ist. Ja es giebt an der Seine Politiker, denen eine
Rückkehr zur Doppelkontrole nicht genügt. Die Herren meinen, wenn der
Mahdi seinen siegreichen Marsch das Nilthal abwärts fortsetze, so würden die
Engländer eines Tages genötigt sein, Ägypten zu räumen; denn sie könnten
nicht auf die Unterstützung der eingeborenen Truppen zählen, und ihre eignen
würden einen langwierigen Feldzug am Nile nicht aushalten. England sei
dort sehr unbeliebt, wogegen Frankreich neuerdings in der Gunst der Ägypter
gestiegen sei. „Man hat, so bemerkt der Mtiorml, in den französischen
Kolonien früher bedauert, daß die Regierung der Republik nicht mit den Eng¬
ländern Hand in Hand gegangen ist, um das Kondominium zu erhalten. Jetzt
aber sind Anhänger und Gegner der Einmischung insoweit einer Meinung, als


Grenzboten I. 1884. 2s
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155110"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341839_158199/figures/grenzboten_341839_158199_155110_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die ägyptische Krisis.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_959" next="#ID_960"> le Katastrophe, die das ägyptische Heer unter Hicks Pascha ereilte,<lb/>
wirkt in ihren Folgen sowohl im Sudan als in Kairo und den<lb/>
Hauptstädten der Westmächte fort. Der Aufstand breitet sich<lb/>
immer weiter aus, und schon ist es fraglich geworden, ob die<lb/>
.. Besatzung von Chartum und die vielen Fremden, die sich dort<lb/>
im Laufe der Jahre niedergelassen haben, sich noch ohne Gefährdung ihres<lb/>
Lebens nach Norden zurückzuziehen imstande sein werden. Andrerseits macht<lb/>
infolge des Verhaltens Englands in der Sache die Mißstimmung der öffentlichen<lb/>
Meinung in Paris gegen die Nachbarn über den Kanal sichtlich Fortschritte,<lb/>
und alle möglichen Vorschläge zur Benutzung der angeblichen Mißgriffe der<lb/>
britischen Politik werden in der französischen Presse laut. Schon fallen An¬<lb/>
deutungen, nach denen man dem Wiederaufleben des Kvndominiums bereits<lb/>
ziemlich nahe wäre, wobei man sich an den Spruch erinnert, daß der Wunsch<lb/>
der Vater der Hoffnung ist. Ja es giebt an der Seine Politiker, denen eine<lb/>
Rückkehr zur Doppelkontrole nicht genügt. Die Herren meinen, wenn der<lb/>
Mahdi seinen siegreichen Marsch das Nilthal abwärts fortsetze, so würden die<lb/>
Engländer eines Tages genötigt sein, Ägypten zu räumen; denn sie könnten<lb/>
nicht auf die Unterstützung der eingeborenen Truppen zählen, und ihre eignen<lb/>
würden einen langwierigen Feldzug am Nile nicht aushalten. England sei<lb/>
dort sehr unbeliebt, wogegen Frankreich neuerdings in der Gunst der Ägypter<lb/>
gestiegen sei. &#x201E;Man hat, so bemerkt der Mtiorml, in den französischen<lb/>
Kolonien früher bedauert, daß die Regierung der Republik nicht mit den Eng¬<lb/>
ländern Hand in Hand gegangen ist, um das Kondominium zu erhalten. Jetzt<lb/>
aber sind Anhänger und Gegner der Einmischung insoweit einer Meinung, als</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1884. 2s</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] [Abbildung] Die ägyptische Krisis. le Katastrophe, die das ägyptische Heer unter Hicks Pascha ereilte, wirkt in ihren Folgen sowohl im Sudan als in Kairo und den Hauptstädten der Westmächte fort. Der Aufstand breitet sich immer weiter aus, und schon ist es fraglich geworden, ob die .. Besatzung von Chartum und die vielen Fremden, die sich dort im Laufe der Jahre niedergelassen haben, sich noch ohne Gefährdung ihres Lebens nach Norden zurückzuziehen imstande sein werden. Andrerseits macht infolge des Verhaltens Englands in der Sache die Mißstimmung der öffentlichen Meinung in Paris gegen die Nachbarn über den Kanal sichtlich Fortschritte, und alle möglichen Vorschläge zur Benutzung der angeblichen Mißgriffe der britischen Politik werden in der französischen Presse laut. Schon fallen An¬ deutungen, nach denen man dem Wiederaufleben des Kvndominiums bereits ziemlich nahe wäre, wobei man sich an den Spruch erinnert, daß der Wunsch der Vater der Hoffnung ist. Ja es giebt an der Seine Politiker, denen eine Rückkehr zur Doppelkontrole nicht genügt. Die Herren meinen, wenn der Mahdi seinen siegreichen Marsch das Nilthal abwärts fortsetze, so würden die Engländer eines Tages genötigt sein, Ägypten zu räumen; denn sie könnten nicht auf die Unterstützung der eingeborenen Truppen zählen, und ihre eignen würden einen langwierigen Feldzug am Nile nicht aushalten. England sei dort sehr unbeliebt, wogegen Frankreich neuerdings in der Gunst der Ägypter gestiegen sei. „Man hat, so bemerkt der Mtiorml, in den französischen Kolonien früher bedauert, daß die Regierung der Republik nicht mit den Eng¬ ländern Hand in Hand gegangen ist, um das Kondominium zu erhalten. Jetzt aber sind Anhänger und Gegner der Einmischung insoweit einer Meinung, als Grenzboten I. 1884. 2s

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/227>, abgerufen am 24.07.2024.