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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

Weil du ihr zuweilen eine krause Stirn gezeigt hast.

Meinetwegen! Unser Berthold wird ja nicht gerade mich eintreffe!,.

Du wirst ihr also deinen Besuch machen --

Nicht doch! Sie möchte wunder glauben, was wir im Schilde führen.

Und sie in unser beider Namen bitten, während des Lüfteus der Villa sichs
bei uns wohl sein zu lassen.

Ich denke nicht daran, sie zu besuchen. Wenn sie in diesen Tagen vor¬
spricht, macht sich das Ganze viel einfacher.

Sie wird aber nicht vorsprechen.

Und warum nicht?

Weil ich auf ihre Bemerkung, sie müsse sich ausquartieren, nichts erwiedert
habe. Wie konnte ich?

Dies war nicht ganz korrekt, aber wenigstens hatte Frau Anna nur durch
Blicke zu verstehen gegeben, sie werde schon Rat schaffen.

Man beleuchtete die Sachlage noch eine Weile pro und ooutrs.

Gut, es sei darum! sagte der Fabrikant endlich und verfügte sich in die
Villa Mockritz.

Hermine hatte, wie sie ihm in ihrer franken Weise gestand, schon daran
gedacht, ihn und Frau Anna um ein Obdach zu bitten. Sie zierte sich nicht
im allermindesten und hatte nur ein Bedenken: ihre neue Kammerjungfer. Die¬
selbe war eigentlich eine Art Diakonissin und hatte in dieser Eigenschaft die
verstorbene Freundin gepflegt. Aus Attachement an letztere, wie Hermine sagte,
mehr noch aus Fürsorge für die bisweilen einer kundigen Pflegerin bedürftige
Mama Mockritz, hatte Hermine dem Mädchen vorgeschlagen, bei ihr zu bleiben
und sich nach Kräften durch weibliche Handarbeiten und andre Dienstleistung^
nützlich zu machen, auf welchen Vorschlag die Pflegerin nach einigem Zögern
eingegangen war. Einstehen für dieselbe, so schloß Fräulein von Mockritz diese
ihre Relation, könne sie aber durchaus nicht. Und doch bekenne sie, daß ohne
Kammerjungfer zu leben und auszukommen ihr nicht leicht werden würde.

Dies Geständnis gefiel dem Fabrikanten ungemein gut, denn er fürchtete
nichts so sehr, als nach der Seite einfacher Lebensgewöhnungen hinters Licht
geführt zu werden, und lebte längst nicht mehr in der Vorstellung, daß sich
jede junge Dame selbst frisiren und sich auch alle Nadeln selbst anstecken
müsse, zumal da sogar Frau Anna zu Handreichungen letzterer Art ihn immer
fleißig anzuhalten wußte.

Wenn die Person Ihre Freundin treu verpflegte, sägte der Fabrikant, so
bringen Sie sie in Gottes Namen mit.

Sie ist ein gutes Geschöpf, fügte Hermine hinzu, wenn auch etwas barock
und möglicherweise sentimentaler, als für ihre Stellung paßt. Jedenfalls ist sie
sauber, soweit diese Art Leute sauber sind, und ich meine daher, wir Werdens
schon mit ihr wagen können.


Auf der Leiter des Glücks.

Weil du ihr zuweilen eine krause Stirn gezeigt hast.

Meinetwegen! Unser Berthold wird ja nicht gerade mich eintreffe!,.

Du wirst ihr also deinen Besuch machen —

Nicht doch! Sie möchte wunder glauben, was wir im Schilde führen.

Und sie in unser beider Namen bitten, während des Lüfteus der Villa sichs
bei uns wohl sein zu lassen.

Ich denke nicht daran, sie zu besuchen. Wenn sie in diesen Tagen vor¬
spricht, macht sich das Ganze viel einfacher.

Sie wird aber nicht vorsprechen.

Und warum nicht?

Weil ich auf ihre Bemerkung, sie müsse sich ausquartieren, nichts erwiedert
habe. Wie konnte ich?

Dies war nicht ganz korrekt, aber wenigstens hatte Frau Anna nur durch
Blicke zu verstehen gegeben, sie werde schon Rat schaffen.

Man beleuchtete die Sachlage noch eine Weile pro und ooutrs.

Gut, es sei darum! sagte der Fabrikant endlich und verfügte sich in die
Villa Mockritz.

Hermine hatte, wie sie ihm in ihrer franken Weise gestand, schon daran
gedacht, ihn und Frau Anna um ein Obdach zu bitten. Sie zierte sich nicht
im allermindesten und hatte nur ein Bedenken: ihre neue Kammerjungfer. Die¬
selbe war eigentlich eine Art Diakonissin und hatte in dieser Eigenschaft die
verstorbene Freundin gepflegt. Aus Attachement an letztere, wie Hermine sagte,
mehr noch aus Fürsorge für die bisweilen einer kundigen Pflegerin bedürftige
Mama Mockritz, hatte Hermine dem Mädchen vorgeschlagen, bei ihr zu bleiben
und sich nach Kräften durch weibliche Handarbeiten und andre Dienstleistung^
nützlich zu machen, auf welchen Vorschlag die Pflegerin nach einigem Zögern
eingegangen war. Einstehen für dieselbe, so schloß Fräulein von Mockritz diese
ihre Relation, könne sie aber durchaus nicht. Und doch bekenne sie, daß ohne
Kammerjungfer zu leben und auszukommen ihr nicht leicht werden würde.

Dies Geständnis gefiel dem Fabrikanten ungemein gut, denn er fürchtete
nichts so sehr, als nach der Seite einfacher Lebensgewöhnungen hinters Licht
geführt zu werden, und lebte längst nicht mehr in der Vorstellung, daß sich
jede junge Dame selbst frisiren und sich auch alle Nadeln selbst anstecken
müsse, zumal da sogar Frau Anna zu Handreichungen letzterer Art ihn immer
fleißig anzuhalten wußte.

Wenn die Person Ihre Freundin treu verpflegte, sägte der Fabrikant, so
bringen Sie sie in Gottes Namen mit.

Sie ist ein gutes Geschöpf, fügte Hermine hinzu, wenn auch etwas barock
und möglicherweise sentimentaler, als für ihre Stellung paßt. Jedenfalls ist sie
sauber, soweit diese Art Leute sauber sind, und ich meine daher, wir Werdens
schon mit ihr wagen können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/158>, abgerufen am 30.06.2024.