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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Runstfreund,

abverlangte Dienstmannschaft, Max will sie mit Waffengewalt zwingen, muß
aber, in der Schlacht bei Dvrnach überwunden, im Baseler Frieden von 1499
von seinen Forderungen abstehen. Noch während des Friedensschlusses eröffnet
sich das Kriegsschauspiel in Italien wieder. Ludwig XII., Karls VIII. Nach¬
folger, erneuert seine Ansprüche auf Mailand, besiegt 1499 Lodovico Moro
und schleppt ihn in die Gefangenschaft. Max kann trotz eifriger Bemühungen
von den deutschen Ständen keine Mittel erhalten, um in die Wirren einzugreifen.
Nachdem diese Angelegenheiten entschieden, findet er einen Augenblick Zeit, seiner
Lieblingsidee, einem Kriege gegen die Türken, nachzuhängen. Aber kaum hat
er den Plan entworfen und die Se. Georgengesellschaft gegründet, als er schon
wieder durch den bairischen Erbfolgcstreit beschäftigt wird. Bald darauf wird
sein Vaterherz von dem schwersten Schlage getroffen. Sein Sohn Philipp,
als Schwiegersohn der vor kurzem verschiedenen Königin Isabella soeben König
von Kastilien geworden, stirbt 1596 zu Burgos, und mit ihm werden tausend
herrliche Hoffnungen zu Grabe getragen. Nachdem Maximilian seine Tochter
Margareta zur Statthalterin der Niederlande ernannt hat, denkt er daran,
endlich einen Römerzug zu unternehmen, um sich von Julius II. zum römischen
Kaiser krönen zu lassen. Es ist vergeblich, Venedig versperrt ihm den Durch-
zug, und Max nimmt nur den Titel eines erwählten römischen Kaisers an.
Rache an Venedig ist jetzt sein Ziel. Und er greift, um dieses zu erreichen,
zur äußersten Maßregel. Er vereinigt sich 1S98 durch den unseligen Bund
von Cambray mit Ludwig XII., Ferdinand dem Katholischen und Julius II.
zur Teilung des venetianischen Gebietes. Es folgt der unglückliche italienische
Krieg. Das unnatürliche, ans lauter Gegnern zusammengesetzte Bündnis schlägt
binnen kurzem in sein Gegenteil um. Der ursprünglich gegen Venedig gerichtete
Krieg richtet sich gegen den gemeinsamen Feind Italiens, Ludwig XII. Auf
das Schlagwort: "Rache an Venedig" folgt das andre: "Hinaus mit den
Franzosen aus Italien." Durch die heilige Liga wird Venedig gerettet und
verliert Frankreich seine Eroberungen in Italien. Und nicht genug damit:
England, Spanien und der Kaiser fallen gleichzeitig in Frankreich ein, und
Maximilian schlägt die Franzosen 1613 in der neuen Schlacht von Guiuegate.
Aber die Rechnung ist ohne den Wirt gemacht. Auf Ludwig XII. folgte 1518
der feurige Franz I., der nichts eiligeres zu thun hat als über die Alpen zu
ziehen und Mailand von neuem zu unterwerfen. Der 1516 geschlossene Friede
von Nohon spricht ihm die Stadt endgiltig zu, und so endet der langwierige
Krieg ohne irgendwelchen Nutzen sür den Kaiser. Nachdem diese leidige Ange¬
legenheit erledigt ist, wendet sich Max sofort andern Aufgaben zu. Er teilt das
deutsche Reich in zehn Kreise, ordnet die ungarische Erbfrage, nimmt seinen
Lieblingsgedanken, einen allgemeinen Krieg gegen die Türken, von neuem auf
und verfolgt mit reger Aufmerksamkeit die Anfänge der Reformation. Da befällt
ihn mitten in dieser angespannten Thätigkeit auf der Jagd in Oberösterreich ein


Kaiser Maximilian I. als Runstfreund,

abverlangte Dienstmannschaft, Max will sie mit Waffengewalt zwingen, muß
aber, in der Schlacht bei Dvrnach überwunden, im Baseler Frieden von 1499
von seinen Forderungen abstehen. Noch während des Friedensschlusses eröffnet
sich das Kriegsschauspiel in Italien wieder. Ludwig XII., Karls VIII. Nach¬
folger, erneuert seine Ansprüche auf Mailand, besiegt 1499 Lodovico Moro
und schleppt ihn in die Gefangenschaft. Max kann trotz eifriger Bemühungen
von den deutschen Ständen keine Mittel erhalten, um in die Wirren einzugreifen.
Nachdem diese Angelegenheiten entschieden, findet er einen Augenblick Zeit, seiner
Lieblingsidee, einem Kriege gegen die Türken, nachzuhängen. Aber kaum hat
er den Plan entworfen und die Se. Georgengesellschaft gegründet, als er schon
wieder durch den bairischen Erbfolgcstreit beschäftigt wird. Bald darauf wird
sein Vaterherz von dem schwersten Schlage getroffen. Sein Sohn Philipp,
als Schwiegersohn der vor kurzem verschiedenen Königin Isabella soeben König
von Kastilien geworden, stirbt 1596 zu Burgos, und mit ihm werden tausend
herrliche Hoffnungen zu Grabe getragen. Nachdem Maximilian seine Tochter
Margareta zur Statthalterin der Niederlande ernannt hat, denkt er daran,
endlich einen Römerzug zu unternehmen, um sich von Julius II. zum römischen
Kaiser krönen zu lassen. Es ist vergeblich, Venedig versperrt ihm den Durch-
zug, und Max nimmt nur den Titel eines erwählten römischen Kaisers an.
Rache an Venedig ist jetzt sein Ziel. Und er greift, um dieses zu erreichen,
zur äußersten Maßregel. Er vereinigt sich 1S98 durch den unseligen Bund
von Cambray mit Ludwig XII., Ferdinand dem Katholischen und Julius II.
zur Teilung des venetianischen Gebietes. Es folgt der unglückliche italienische
Krieg. Das unnatürliche, ans lauter Gegnern zusammengesetzte Bündnis schlägt
binnen kurzem in sein Gegenteil um. Der ursprünglich gegen Venedig gerichtete
Krieg richtet sich gegen den gemeinsamen Feind Italiens, Ludwig XII. Auf
das Schlagwort: „Rache an Venedig" folgt das andre: „Hinaus mit den
Franzosen aus Italien." Durch die heilige Liga wird Venedig gerettet und
verliert Frankreich seine Eroberungen in Italien. Und nicht genug damit:
England, Spanien und der Kaiser fallen gleichzeitig in Frankreich ein, und
Maximilian schlägt die Franzosen 1613 in der neuen Schlacht von Guiuegate.
Aber die Rechnung ist ohne den Wirt gemacht. Auf Ludwig XII. folgte 1518
der feurige Franz I., der nichts eiligeres zu thun hat als über die Alpen zu
ziehen und Mailand von neuem zu unterwerfen. Der 1516 geschlossene Friede
von Nohon spricht ihm die Stadt endgiltig zu, und so endet der langwierige
Krieg ohne irgendwelchen Nutzen sür den Kaiser. Nachdem diese leidige Ange¬
legenheit erledigt ist, wendet sich Max sofort andern Aufgaben zu. Er teilt das
deutsche Reich in zehn Kreise, ordnet die ungarische Erbfrage, nimmt seinen
Lieblingsgedanken, einen allgemeinen Krieg gegen die Türken, von neuem auf
und verfolgt mit reger Aufmerksamkeit die Anfänge der Reformation. Da befällt
ihn mitten in dieser angespannten Thätigkeit auf der Jagd in Oberösterreich ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/136>, abgerufen am 22.07.2024.