Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Kaiser Maximilian I- als Kunstfreund.
von Richard Mulder.

n der Grenze des Mittelalters und der Neuzeit tritt uns ein
erhabner Fürst entgegen, der, von dem zaubervollen Schmuck der
Poesie bekleidet, noch heute für alle einen eigentümlichen Reiz
hat. Der letzte Ritter tummelt sich noch in ihm aus, aber er
begrüßt dabei schon mit Jubel die Morgenröte der neuen Zeit.
Er sieht das Alte dahinsterben und das Neue emporblühen und ist selbst eine
wunderbare Mischung von Altem und Neuem, von Phantasie und Verstand,
von Poesie und Prosa. Dieser Fürst ist Kaiser Maximilian I.

Am 22. März 14S9 als der Sohn des schwachen Kaisers Friedrich III.
geboren, verlebt er seine Jugend unter trüben Verhältnissen. Sein Vater genießt
im Reiche wenig Ansehen und wird von allen Seiten beunruhigt. Trotzdem
wächst der Prinz zu einem prächtigen Jüngling heran. Seine Naturanlagen
entwickeln sich schön, auf der Jagd und im Turnier kommt keiner ihm gleich.
Der alte Kaiser will solche Vorzüge zur Vergrößerung seiner Hausmacht
benutzen. Was ihm auf dem Wege der Politik nicht gelingt, will er durch
Heiratspläne durchsetzen. Sein Augenmerk richtet sich auf den reichen Karl
von Burgund, dessen schöne Tochter Maria die einzige Erbin des burgundischen
Landes ist. Herzog Karl, der nach dem Glänze einer Königskrone strebt, kommt
den Wünschen des Kaisers entgegen. Auf der Zusammenkunft in Trier 1473
soll die Verlobung Maximilians und Marias zum Abschluß kommen; aber die
Sache scheitert, und Karl verliert 1477 in der Schlacht vor Nancy sein Leben.
Was die Politik nicht vollbracht hat, fügt das Schicksal selbst. Karls Tod
führt in Burgund schwere Verwirrungen herbei. Die Unterthanen empören sich,
und Ludwig XI. von Frankreich fällt ins Land ein. Die arme Maria sucht
einen männlichen Schutz, und ihr Auge richtet sich auf Maximilian. Max
unternimmt seine Brautfahrt, zieht in prangender Jugendschönheit in Gent ein
und wird am 20. August 1477 mit Maria getraut. Außer einer herrlichen
Braut hat er die reichen und blühenden Besitzungen des burgundischen Staates
sür Österreich erworben. Aber Glück erregt Neid. Ludwig XI. vou Frankreich
hat die Vermählung Marias mit dem Dauphin gewünscht und macht seinem
Ingrimm durch einen Krieg Luft. Maximilian muß ihm 1479 in der Schlacht
bei Guinegate zeigen, daß er als zwanzigjähriger Jüngling schon wie ein Alter
zu fechten versteht. Außer dem Neide der Menschen erregt aber allzugroßes
Glück auch den Neid der Götter. Schon 1482 stirbt infolge eines unglücklichen


Kaiser Maximilian I- als Kunstfreund.
von Richard Mulder.

n der Grenze des Mittelalters und der Neuzeit tritt uns ein
erhabner Fürst entgegen, der, von dem zaubervollen Schmuck der
Poesie bekleidet, noch heute für alle einen eigentümlichen Reiz
hat. Der letzte Ritter tummelt sich noch in ihm aus, aber er
begrüßt dabei schon mit Jubel die Morgenröte der neuen Zeit.
Er sieht das Alte dahinsterben und das Neue emporblühen und ist selbst eine
wunderbare Mischung von Altem und Neuem, von Phantasie und Verstand,
von Poesie und Prosa. Dieser Fürst ist Kaiser Maximilian I.

Am 22. März 14S9 als der Sohn des schwachen Kaisers Friedrich III.
geboren, verlebt er seine Jugend unter trüben Verhältnissen. Sein Vater genießt
im Reiche wenig Ansehen und wird von allen Seiten beunruhigt. Trotzdem
wächst der Prinz zu einem prächtigen Jüngling heran. Seine Naturanlagen
entwickeln sich schön, auf der Jagd und im Turnier kommt keiner ihm gleich.
Der alte Kaiser will solche Vorzüge zur Vergrößerung seiner Hausmacht
benutzen. Was ihm auf dem Wege der Politik nicht gelingt, will er durch
Heiratspläne durchsetzen. Sein Augenmerk richtet sich auf den reichen Karl
von Burgund, dessen schöne Tochter Maria die einzige Erbin des burgundischen
Landes ist. Herzog Karl, der nach dem Glänze einer Königskrone strebt, kommt
den Wünschen des Kaisers entgegen. Auf der Zusammenkunft in Trier 1473
soll die Verlobung Maximilians und Marias zum Abschluß kommen; aber die
Sache scheitert, und Karl verliert 1477 in der Schlacht vor Nancy sein Leben.
Was die Politik nicht vollbracht hat, fügt das Schicksal selbst. Karls Tod
führt in Burgund schwere Verwirrungen herbei. Die Unterthanen empören sich,
und Ludwig XI. von Frankreich fällt ins Land ein. Die arme Maria sucht
einen männlichen Schutz, und ihr Auge richtet sich auf Maximilian. Max
unternimmt seine Brautfahrt, zieht in prangender Jugendschönheit in Gent ein
und wird am 20. August 1477 mit Maria getraut. Außer einer herrlichen
Braut hat er die reichen und blühenden Besitzungen des burgundischen Staates
sür Österreich erworben. Aber Glück erregt Neid. Ludwig XI. vou Frankreich
hat die Vermählung Marias mit dem Dauphin gewünscht und macht seinem
Ingrimm durch einen Krieg Luft. Maximilian muß ihm 1479 in der Schlacht
bei Guinegate zeigen, daß er als zwanzigjähriger Jüngling schon wie ein Alter
zu fechten versteht. Außer dem Neide der Menschen erregt aber allzugroßes
Glück auch den Neid der Götter. Schon 1482 stirbt infolge eines unglücklichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155017"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kaiser Maximilian I- als Kunstfreund.<lb/><note type="byline"> von Richard Mulder.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_503"> n der Grenze des Mittelalters und der Neuzeit tritt uns ein<lb/>
erhabner Fürst entgegen, der, von dem zaubervollen Schmuck der<lb/>
Poesie bekleidet, noch heute für alle einen eigentümlichen Reiz<lb/>
hat. Der letzte Ritter tummelt sich noch in ihm aus, aber er<lb/>
begrüßt dabei schon mit Jubel die Morgenröte der neuen Zeit.<lb/>
Er sieht das Alte dahinsterben und das Neue emporblühen und ist selbst eine<lb/>
wunderbare Mischung von Altem und Neuem, von Phantasie und Verstand,<lb/>
von Poesie und Prosa.  Dieser Fürst ist Kaiser Maximilian I.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_504" next="#ID_505"> Am 22. März 14S9 als der Sohn des schwachen Kaisers Friedrich III.<lb/>
geboren, verlebt er seine Jugend unter trüben Verhältnissen. Sein Vater genießt<lb/>
im Reiche wenig Ansehen und wird von allen Seiten beunruhigt. Trotzdem<lb/>
wächst der Prinz zu einem prächtigen Jüngling heran. Seine Naturanlagen<lb/>
entwickeln sich schön, auf der Jagd und im Turnier kommt keiner ihm gleich.<lb/>
Der alte Kaiser will solche Vorzüge zur Vergrößerung seiner Hausmacht<lb/>
benutzen. Was ihm auf dem Wege der Politik nicht gelingt, will er durch<lb/>
Heiratspläne durchsetzen. Sein Augenmerk richtet sich auf den reichen Karl<lb/>
von Burgund, dessen schöne Tochter Maria die einzige Erbin des burgundischen<lb/>
Landes ist. Herzog Karl, der nach dem Glänze einer Königskrone strebt, kommt<lb/>
den Wünschen des Kaisers entgegen. Auf der Zusammenkunft in Trier 1473<lb/>
soll die Verlobung Maximilians und Marias zum Abschluß kommen; aber die<lb/>
Sache scheitert, und Karl verliert 1477 in der Schlacht vor Nancy sein Leben.<lb/>
Was die Politik nicht vollbracht hat, fügt das Schicksal selbst. Karls Tod<lb/>
führt in Burgund schwere Verwirrungen herbei. Die Unterthanen empören sich,<lb/>
und Ludwig XI. von Frankreich fällt ins Land ein. Die arme Maria sucht<lb/>
einen männlichen Schutz, und ihr Auge richtet sich auf Maximilian. Max<lb/>
unternimmt seine Brautfahrt, zieht in prangender Jugendschönheit in Gent ein<lb/>
und wird am 20. August 1477 mit Maria getraut. Außer einer herrlichen<lb/>
Braut hat er die reichen und blühenden Besitzungen des burgundischen Staates<lb/>
sür Österreich erworben. Aber Glück erregt Neid. Ludwig XI. vou Frankreich<lb/>
hat die Vermählung Marias mit dem Dauphin gewünscht und macht seinem<lb/>
Ingrimm durch einen Krieg Luft. Maximilian muß ihm 1479 in der Schlacht<lb/>
bei Guinegate zeigen, daß er als zwanzigjähriger Jüngling schon wie ein Alter<lb/>
zu fechten versteht. Außer dem Neide der Menschen erregt aber allzugroßes<lb/>
Glück auch den Neid der Götter. Schon 1482 stirbt infolge eines unglücklichen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0134] Kaiser Maximilian I- als Kunstfreund. von Richard Mulder. n der Grenze des Mittelalters und der Neuzeit tritt uns ein erhabner Fürst entgegen, der, von dem zaubervollen Schmuck der Poesie bekleidet, noch heute für alle einen eigentümlichen Reiz hat. Der letzte Ritter tummelt sich noch in ihm aus, aber er begrüßt dabei schon mit Jubel die Morgenröte der neuen Zeit. Er sieht das Alte dahinsterben und das Neue emporblühen und ist selbst eine wunderbare Mischung von Altem und Neuem, von Phantasie und Verstand, von Poesie und Prosa. Dieser Fürst ist Kaiser Maximilian I. Am 22. März 14S9 als der Sohn des schwachen Kaisers Friedrich III. geboren, verlebt er seine Jugend unter trüben Verhältnissen. Sein Vater genießt im Reiche wenig Ansehen und wird von allen Seiten beunruhigt. Trotzdem wächst der Prinz zu einem prächtigen Jüngling heran. Seine Naturanlagen entwickeln sich schön, auf der Jagd und im Turnier kommt keiner ihm gleich. Der alte Kaiser will solche Vorzüge zur Vergrößerung seiner Hausmacht benutzen. Was ihm auf dem Wege der Politik nicht gelingt, will er durch Heiratspläne durchsetzen. Sein Augenmerk richtet sich auf den reichen Karl von Burgund, dessen schöne Tochter Maria die einzige Erbin des burgundischen Landes ist. Herzog Karl, der nach dem Glänze einer Königskrone strebt, kommt den Wünschen des Kaisers entgegen. Auf der Zusammenkunft in Trier 1473 soll die Verlobung Maximilians und Marias zum Abschluß kommen; aber die Sache scheitert, und Karl verliert 1477 in der Schlacht vor Nancy sein Leben. Was die Politik nicht vollbracht hat, fügt das Schicksal selbst. Karls Tod führt in Burgund schwere Verwirrungen herbei. Die Unterthanen empören sich, und Ludwig XI. von Frankreich fällt ins Land ein. Die arme Maria sucht einen männlichen Schutz, und ihr Auge richtet sich auf Maximilian. Max unternimmt seine Brautfahrt, zieht in prangender Jugendschönheit in Gent ein und wird am 20. August 1477 mit Maria getraut. Außer einer herrlichen Braut hat er die reichen und blühenden Besitzungen des burgundischen Staates sür Österreich erworben. Aber Glück erregt Neid. Ludwig XI. vou Frankreich hat die Vermählung Marias mit dem Dauphin gewünscht und macht seinem Ingrimm durch einen Krieg Luft. Maximilian muß ihm 1479 in der Schlacht bei Guinegate zeigen, daß er als zwanzigjähriger Jüngling schon wie ein Alter zu fechten versteht. Außer dem Neide der Menschen erregt aber allzugroßes Glück auch den Neid der Götter. Schon 1482 stirbt infolge eines unglücklichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/134
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/134>, abgerufen am 22.07.2024.