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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Auf der Leiter des Glücks.

der alte Jagdhund seine Kunst vererbt und der Trüffeleber in Perigord die
seine, wie ich neulich gelesen habe, warum sollten die Haydns und die Bachs
nichts von ihrer Kunst vererben? Es wäre doch schade, wenn Berthold uns
eine kupferfarbige Squaw als Schwiegertochter ins Haus brächte!

Natürlich hatte die merkwürdige Villa einen Billardsaal. Den Winter
über war er manchmal für ein Stelldichein auch derjenigen Herren der Nach¬
barschaft benutzt worden, mit denen der Fabrikant sonst nur durch den Kegel¬
klub in Berührung stand. Hin und wieder hatte der Höchstkommandirende, der
an der schlichten Art des Fabrikanten Gefallen fand, vielleicht auch den vom
Major von Stobbe aufgedeckten Gedanken der Schießplatzschenkung uicht ganz
einschlafen lassen wollte, mit Kaspar Benedikt eine Carambolepartie gemacht.
Jetzt trank der martialische Herr aber Karlsbader Sprudel, und auch mit den
übrigen Bekannten war nicht recht in Zug zu kommen. Was Frau Anna be¬
trifft, so hatte sie kein Geschick zum Billardspiel. Sie war öfter mit der Queue
so unvorsichtig dreingefcchren, daß ein minder vollkommenes grünes Tuch als
das der Mustervilla durchlöchert worden wäre. Wir dürfen es nicht nochmals
mit dir wagen, hatte Kaspar Benedikt gesagt, ganz so läßt sich der Bezug viel¬
leicht nicht wieder anschaffen, und hernach hieße es allemal: Aber, mein Gott,
wo ist Ihr schönes Billardtuch geblieben!

Frau Anna, welche kurz von Wuchs und etwas korpulent war, freute sich,
dispensirt zu sein, doch betrübte es sie zugleich, daß ihr Gatte der trefflichen Be¬
wegung und der heiter stimmenden Kräftcanspannung entbehren sollte.

So fügte sichs denn einst ganz zufällig, daß der Schlüssel zum Flügel
verlegt worden war und der Fabrikant dem dadurch am Über verhinderten
Fräulein von Mockritz eine Billardlektion zu geben veranlaßt wurde.

Sie versicherte, auf dem grünen Tuche ein geborner Tolpatsch zu sein, und
was sie an Stößen zu leisten begann, brachte in der That so Kugeln wie Tuch
und Bande in die ernstlichste Gefahr.

Aber den Ellbogen halten Sie bei alledem ganz nach Vorschrift, sagte der
Fabrikant, und mit etwas Geduld kämen Sie auch wohl über die Fahrigkeit
hinaus. Die Hauptsache ist: Augenmaß. Daran scheint es Ihnen nicht zu
fehlen. Beim nächstenmal suchen wir unter den Queues eine leichtere für Sie
aus. Rom ward auch nicht in einem Tage erbaut.

Das nächste Mal ließ auf sich warten.

Es ist schade, sagte Kaspar Benedikt.

Was ist schade? fragte Frau Anna, als denke sie an irgend ein unerreich¬
bares Leibgericht ihres Gatten.

Nun, daß die Geschichte nicht in bessern Zug kommt, ergänzte der Fa¬
brikant.

Welche Geschichte?

Du hast ihr vielleicht wegen des kostbaren Tuchs zuviel Angst gemacht.


Auf der Leiter des Glücks.

der alte Jagdhund seine Kunst vererbt und der Trüffeleber in Perigord die
seine, wie ich neulich gelesen habe, warum sollten die Haydns und die Bachs
nichts von ihrer Kunst vererben? Es wäre doch schade, wenn Berthold uns
eine kupferfarbige Squaw als Schwiegertochter ins Haus brächte!

Natürlich hatte die merkwürdige Villa einen Billardsaal. Den Winter
über war er manchmal für ein Stelldichein auch derjenigen Herren der Nach¬
barschaft benutzt worden, mit denen der Fabrikant sonst nur durch den Kegel¬
klub in Berührung stand. Hin und wieder hatte der Höchstkommandirende, der
an der schlichten Art des Fabrikanten Gefallen fand, vielleicht auch den vom
Major von Stobbe aufgedeckten Gedanken der Schießplatzschenkung uicht ganz
einschlafen lassen wollte, mit Kaspar Benedikt eine Carambolepartie gemacht.
Jetzt trank der martialische Herr aber Karlsbader Sprudel, und auch mit den
übrigen Bekannten war nicht recht in Zug zu kommen. Was Frau Anna be¬
trifft, so hatte sie kein Geschick zum Billardspiel. Sie war öfter mit der Queue
so unvorsichtig dreingefcchren, daß ein minder vollkommenes grünes Tuch als
das der Mustervilla durchlöchert worden wäre. Wir dürfen es nicht nochmals
mit dir wagen, hatte Kaspar Benedikt gesagt, ganz so läßt sich der Bezug viel¬
leicht nicht wieder anschaffen, und hernach hieße es allemal: Aber, mein Gott,
wo ist Ihr schönes Billardtuch geblieben!

Frau Anna, welche kurz von Wuchs und etwas korpulent war, freute sich,
dispensirt zu sein, doch betrübte es sie zugleich, daß ihr Gatte der trefflichen Be¬
wegung und der heiter stimmenden Kräftcanspannung entbehren sollte.

So fügte sichs denn einst ganz zufällig, daß der Schlüssel zum Flügel
verlegt worden war und der Fabrikant dem dadurch am Über verhinderten
Fräulein von Mockritz eine Billardlektion zu geben veranlaßt wurde.

Sie versicherte, auf dem grünen Tuche ein geborner Tolpatsch zu sein, und
was sie an Stößen zu leisten begann, brachte in der That so Kugeln wie Tuch
und Bande in die ernstlichste Gefahr.

Aber den Ellbogen halten Sie bei alledem ganz nach Vorschrift, sagte der
Fabrikant, und mit etwas Geduld kämen Sie auch wohl über die Fahrigkeit
hinaus. Die Hauptsache ist: Augenmaß. Daran scheint es Ihnen nicht zu
fehlen. Beim nächstenmal suchen wir unter den Queues eine leichtere für Sie
aus. Rom ward auch nicht in einem Tage erbaut.

Das nächste Mal ließ auf sich warten.

Es ist schade, sagte Kaspar Benedikt.

Was ist schade? fragte Frau Anna, als denke sie an irgend ein unerreich¬
bares Leibgericht ihres Gatten.

Nun, daß die Geschichte nicht in bessern Zug kommt, ergänzte der Fa¬
brikant.

Welche Geschichte?

Du hast ihr vielleicht wegen des kostbaren Tuchs zuviel Angst gemacht.


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[0117] Auf der Leiter des Glücks. der alte Jagdhund seine Kunst vererbt und der Trüffeleber in Perigord die seine, wie ich neulich gelesen habe, warum sollten die Haydns und die Bachs nichts von ihrer Kunst vererben? Es wäre doch schade, wenn Berthold uns eine kupferfarbige Squaw als Schwiegertochter ins Haus brächte! Natürlich hatte die merkwürdige Villa einen Billardsaal. Den Winter über war er manchmal für ein Stelldichein auch derjenigen Herren der Nach¬ barschaft benutzt worden, mit denen der Fabrikant sonst nur durch den Kegel¬ klub in Berührung stand. Hin und wieder hatte der Höchstkommandirende, der an der schlichten Art des Fabrikanten Gefallen fand, vielleicht auch den vom Major von Stobbe aufgedeckten Gedanken der Schießplatzschenkung uicht ganz einschlafen lassen wollte, mit Kaspar Benedikt eine Carambolepartie gemacht. Jetzt trank der martialische Herr aber Karlsbader Sprudel, und auch mit den übrigen Bekannten war nicht recht in Zug zu kommen. Was Frau Anna be¬ trifft, so hatte sie kein Geschick zum Billardspiel. Sie war öfter mit der Queue so unvorsichtig dreingefcchren, daß ein minder vollkommenes grünes Tuch als das der Mustervilla durchlöchert worden wäre. Wir dürfen es nicht nochmals mit dir wagen, hatte Kaspar Benedikt gesagt, ganz so läßt sich der Bezug viel¬ leicht nicht wieder anschaffen, und hernach hieße es allemal: Aber, mein Gott, wo ist Ihr schönes Billardtuch geblieben! Frau Anna, welche kurz von Wuchs und etwas korpulent war, freute sich, dispensirt zu sein, doch betrübte es sie zugleich, daß ihr Gatte der trefflichen Be¬ wegung und der heiter stimmenden Kräftcanspannung entbehren sollte. So fügte sichs denn einst ganz zufällig, daß der Schlüssel zum Flügel verlegt worden war und der Fabrikant dem dadurch am Über verhinderten Fräulein von Mockritz eine Billardlektion zu geben veranlaßt wurde. Sie versicherte, auf dem grünen Tuche ein geborner Tolpatsch zu sein, und was sie an Stößen zu leisten begann, brachte in der That so Kugeln wie Tuch und Bande in die ernstlichste Gefahr. Aber den Ellbogen halten Sie bei alledem ganz nach Vorschrift, sagte der Fabrikant, und mit etwas Geduld kämen Sie auch wohl über die Fahrigkeit hinaus. Die Hauptsache ist: Augenmaß. Daran scheint es Ihnen nicht zu fehlen. Beim nächstenmal suchen wir unter den Queues eine leichtere für Sie aus. Rom ward auch nicht in einem Tage erbaut. Das nächste Mal ließ auf sich warten. Es ist schade, sagte Kaspar Benedikt. Was ist schade? fragte Frau Anna, als denke sie an irgend ein unerreich¬ bares Leibgericht ihres Gatten. Nun, daß die Geschichte nicht in bessern Zug kommt, ergänzte der Fa¬ brikant. Welche Geschichte? Du hast ihr vielleicht wegen des kostbaren Tuchs zuviel Angst gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/117>, abgerufen am 22.07.2024.