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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Die Revision der Rechtsanwaltsordnung,

vollem Bewußtsein der damit verbundenen Pflichten innegehabt hatte und sich
nun über Nacht als Gewerbtreibendcr wiederfand. Es ist erklärlich, daß mancher
lieber den ihm liebgewordenen Beruf aufgab, als daß er die neue, mit der
richtigen Auffassung der Nechtsanwciltschaft unvereinbare Stellung eingenommen
hätte. Soll nun aber ein wirklicher Wandel geschaffen werden, so müssen fol¬
gende Punkte berücksichtigt werden.

Vor allem muß wieder, wie im preußischen Rechte, festgestellt werden, daß
der Rechtsanwalt, wenn auch selbstverständlich nicht Staatsbeamter, so doch
Staatsdiener ist; damit fallen eine Menge Dinge weg, welche jetzt, nicht zur
Ehre des Anwaltsstandes, einzureißen drohen. Neklamenhafte Anzeigen, Herum¬
treiben vor den Sitzungszimmern, um mit den Aufruf erwartenden, nicht be¬
reits durch einen Anwalt vertretenen Personen in Berührung zu kommen und
deren Vertretung -- mag die Sache selbst zum Eingeständnis reif sein -- zu
erhalten, Herumscnden der Schreiber und sonstiger Agenten zum Heranziehen
von Vollmachtgebern, Einwirken auf Zeitungsreporter zur Hervorhebung der
Leistungen des Verteidigers (z. B. der Staatsanwalt "versuchte" die Anklage
zu begründen, in "längerer, glänzender Rede" sprach aber der Verteidiger,
Herr Rechtsanwalt N. N., für seinen Klienten), Gratisanerbieten zur Übernahme
des Maubads in Aufsehen erregenden Sachen, Übernahme aller möglichen Ge¬
schäfte für Dritte (Häuservermietungen nicht ausgeschlossen), wenn auch ein wirk¬
licher Rechtsbeistand dabei garnicht zu leisten ist, und dergleichen mehr -- alle
solche Dinge sind einem Gewerbtreibenden gestattet, einem Staatsdiener selbst¬
verständlich nicht, und es würde somit die Einreihung eines Paragraphen in
die Rechtsanwaltsordnung etwa des Inhalts: "Die Rechtsanwälte sind, abge¬
sehen von der Berechtigung zu Gehalt oder Pension, als wirkliche Staatsdiener
anzusehen," oder wie man ihn sonst fassen will, zu empfehlen sein.

Eine zweite Änderung der Nechtsanwaltsordnnng müßte bezüglich des
Rechts der Zulassung der Anwälte gemacht werden. Nach Paragraph 4 der
Nechtsanwaltsvrdnung muß, wer zur Rechtsanwaltschast befähigt ist, zu der¬
selben bei den Gerichten des Bundesstaats, in welchem er die zum Richteramte
befähigende Prüfung bestanden hat, ans seinen Antrag zugelassen werden, und
nach Paragraph 13 darf die Zulassung bei dem im Antrage bezeichneten Ge¬
richte wegen mangelnden Bedürfnisses zur Vermehrung der Zahl der bei dem¬
selben zugelassenen Rechtsanwälte nicht versagt werden. Hiernach ist es der
Justizverwaltung vollständig entzogen, dafür zu sorgen, daß überall eine ge¬
nügende Anzahl von Rechtsanwältcn vorhanden sei und nirgends die notwen¬
dige Zahl überschritten werde. Ist dies an sich schon ein vollständig unzu¬
lässiger Zustand, da der Justizverwaltung diese Möglichkeit ebenso zustehen muß,
wie die Sorge für die genügende Besetzung der Gerichte und Staatsanwalt¬
schaften, so hat sich der Erfolg davon bereits auch in andrer Weise gezeigt.
Von den kleinern Orten sind die Rechtsanwälte vielfach hinweggezogen, an den


Die Revision der Rechtsanwaltsordnung,

vollem Bewußtsein der damit verbundenen Pflichten innegehabt hatte und sich
nun über Nacht als Gewerbtreibendcr wiederfand. Es ist erklärlich, daß mancher
lieber den ihm liebgewordenen Beruf aufgab, als daß er die neue, mit der
richtigen Auffassung der Nechtsanwciltschaft unvereinbare Stellung eingenommen
hätte. Soll nun aber ein wirklicher Wandel geschaffen werden, so müssen fol¬
gende Punkte berücksichtigt werden.

Vor allem muß wieder, wie im preußischen Rechte, festgestellt werden, daß
der Rechtsanwalt, wenn auch selbstverständlich nicht Staatsbeamter, so doch
Staatsdiener ist; damit fallen eine Menge Dinge weg, welche jetzt, nicht zur
Ehre des Anwaltsstandes, einzureißen drohen. Neklamenhafte Anzeigen, Herum¬
treiben vor den Sitzungszimmern, um mit den Aufruf erwartenden, nicht be¬
reits durch einen Anwalt vertretenen Personen in Berührung zu kommen und
deren Vertretung — mag die Sache selbst zum Eingeständnis reif sein — zu
erhalten, Herumscnden der Schreiber und sonstiger Agenten zum Heranziehen
von Vollmachtgebern, Einwirken auf Zeitungsreporter zur Hervorhebung der
Leistungen des Verteidigers (z. B. der Staatsanwalt „versuchte" die Anklage
zu begründen, in „längerer, glänzender Rede" sprach aber der Verteidiger,
Herr Rechtsanwalt N. N., für seinen Klienten), Gratisanerbieten zur Übernahme
des Maubads in Aufsehen erregenden Sachen, Übernahme aller möglichen Ge¬
schäfte für Dritte (Häuservermietungen nicht ausgeschlossen), wenn auch ein wirk¬
licher Rechtsbeistand dabei garnicht zu leisten ist, und dergleichen mehr — alle
solche Dinge sind einem Gewerbtreibenden gestattet, einem Staatsdiener selbst¬
verständlich nicht, und es würde somit die Einreihung eines Paragraphen in
die Rechtsanwaltsordnung etwa des Inhalts: „Die Rechtsanwälte sind, abge¬
sehen von der Berechtigung zu Gehalt oder Pension, als wirkliche Staatsdiener
anzusehen," oder wie man ihn sonst fassen will, zu empfehlen sein.

Eine zweite Änderung der Nechtsanwaltsordnnng müßte bezüglich des
Rechts der Zulassung der Anwälte gemacht werden. Nach Paragraph 4 der
Nechtsanwaltsvrdnung muß, wer zur Rechtsanwaltschast befähigt ist, zu der¬
selben bei den Gerichten des Bundesstaats, in welchem er die zum Richteramte
befähigende Prüfung bestanden hat, ans seinen Antrag zugelassen werden, und
nach Paragraph 13 darf die Zulassung bei dem im Antrage bezeichneten Ge¬
richte wegen mangelnden Bedürfnisses zur Vermehrung der Zahl der bei dem¬
selben zugelassenen Rechtsanwälte nicht versagt werden. Hiernach ist es der
Justizverwaltung vollständig entzogen, dafür zu sorgen, daß überall eine ge¬
nügende Anzahl von Rechtsanwältcn vorhanden sei und nirgends die notwen¬
dige Zahl überschritten werde. Ist dies an sich schon ein vollständig unzu¬
lässiger Zustand, da der Justizverwaltung diese Möglichkeit ebenso zustehen muß,
wie die Sorge für die genügende Besetzung der Gerichte und Staatsanwalt¬
schaften, so hat sich der Erfolg davon bereits auch in andrer Weise gezeigt.
Von den kleinern Orten sind die Rechtsanwälte vielfach hinweggezogen, an den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/69>, abgerufen am 28.12.2024.