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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

deren Ziele in ihrer Unberechenbarkeit unsern Freihändlern vielleicht sehr be¬
denklich vorkommen und die in ihrer halb instinktiven Begründung doch das
Richtige treffen. Unsre Freihändler werden wahrscheinlich gegen jede Ausgabe
sich sträuben, welche das Reich zum Schutze, zur Organisation solcher Kolonien
auf sich nehmen soll. Sie werden abermals sagen: "Blühe die Kolonie, so
bedarf sie der Ausgaben nicht; welkt sie, so verdient sie dieselben nicht." Und
manche übersichtige Leute werden sich von diesem Satze blenden lassen. Aber
sogut Angra Pequena (welches nun wohl einen bequemeren Namen verdiente)
bereits die von Herrn Lüderitz darauf gewandten Kosten im nationalen Sinne
bezahlt hat, sogut werden die Anstrengungen sich national verzinsen, die das
Reich etwa sür die neuen Erwerbungen machen wird. Und nicht nur in
moralischer Art, sondern voraussichtlich auch in materieller. Wahrscheinlich
hat Herr Woermann auch vor 1384 in Kamerun gute Geschäfte gemacht. Ich
meine jedoch, daß er nach 1884 bessere machen wird. Wenn dort die deutsche
Kriegsflagge sich bekannt gemacht hat, ein Postschiff regelmäßig anlegt, deutsche
Verwaltung und Recht sich festsetzen, die Bedingungen des Handels, der in¬
dustriellen Ausbeutung, der Ansiedlung, des Plantagenbaucs in Kamerun durch
den regelmäßigen Verkehr hin und her bei uns bekannt werden: so wird die
Kolonie geschützt sein gegen die Wahrscheinlichkeit, englisch zu werden. Menschen,
Waaren, Geld, Briefe, Nachrichten, Sitten und Gewohnheiten werden aus
Deutschland hinüberkommen, nicht aus England. Das alles aber kam bisher
aus England überall dorthin, wo englische Kolonie war, auch wenn der Handel
großenteils oder auch ganz in den Händen von deutschen Handelshäusern lag.
Herr Woermann und die nach ihm in Kamerun sich niederlassen, werden ihre
Waaren aus Hamburg und nach Hamburg bringen, ihre Wechsel, ihre
Beamten und Arbeiter aus Deutschland senden, während der Hamburger Kauf¬
mann in Kapland über England und durch England seine Geschäfte betreibt,
während er seine Beamten erst die englische Sprache, englisches Recht, Handels¬
gewohnheiten, Handelswege lernen lassen muß. Dieser Hamburger Kaufmann
mag aus dem Handel in Kapstadt viel Geld verdienen, aber mit erheblichen
Kosten, die ihm erspart blieben, wenn Kapland deutsch wäre. Und wieviel er
auch verdient, Kapland hat für uns national heute vielleicht geringere Bedeutung
als Kamerun. Denn sein Verdienst, das Geld, ist international oder unuational;
Menschen, Boden, Sitten, Sprache aber sind die Besitztümer des Volkes, die
Grundsteine seiner Kultur. Und die werden nicht durch Geld aufgewogen.

Wenn der Reichskanzler nicht die deutsche Flagge in Afrika vor etlichen
Monaten aufgepflanzt hätte, so wären Kamerun und Lüderitzland gar bald
englisch geworden, wie soviele deutsche Niederlassungen vor ihnen. Wenn die
Dampferlinicn nicht zustande kommen, so wird der deutsche Handel an den
Punkten, welche berührt werden sollen, sich dem fremden Übergewicht wie
bisher unterwerfen müssen. Wir werden im Reichsschatz einige Millionen


Unsre überseeische Politik und ihre Gegner.

deren Ziele in ihrer Unberechenbarkeit unsern Freihändlern vielleicht sehr be¬
denklich vorkommen und die in ihrer halb instinktiven Begründung doch das
Richtige treffen. Unsre Freihändler werden wahrscheinlich gegen jede Ausgabe
sich sträuben, welche das Reich zum Schutze, zur Organisation solcher Kolonien
auf sich nehmen soll. Sie werden abermals sagen: „Blühe die Kolonie, so
bedarf sie der Ausgaben nicht; welkt sie, so verdient sie dieselben nicht." Und
manche übersichtige Leute werden sich von diesem Satze blenden lassen. Aber
sogut Angra Pequena (welches nun wohl einen bequemeren Namen verdiente)
bereits die von Herrn Lüderitz darauf gewandten Kosten im nationalen Sinne
bezahlt hat, sogut werden die Anstrengungen sich national verzinsen, die das
Reich etwa sür die neuen Erwerbungen machen wird. Und nicht nur in
moralischer Art, sondern voraussichtlich auch in materieller. Wahrscheinlich
hat Herr Woermann auch vor 1384 in Kamerun gute Geschäfte gemacht. Ich
meine jedoch, daß er nach 1884 bessere machen wird. Wenn dort die deutsche
Kriegsflagge sich bekannt gemacht hat, ein Postschiff regelmäßig anlegt, deutsche
Verwaltung und Recht sich festsetzen, die Bedingungen des Handels, der in¬
dustriellen Ausbeutung, der Ansiedlung, des Plantagenbaucs in Kamerun durch
den regelmäßigen Verkehr hin und her bei uns bekannt werden: so wird die
Kolonie geschützt sein gegen die Wahrscheinlichkeit, englisch zu werden. Menschen,
Waaren, Geld, Briefe, Nachrichten, Sitten und Gewohnheiten werden aus
Deutschland hinüberkommen, nicht aus England. Das alles aber kam bisher
aus England überall dorthin, wo englische Kolonie war, auch wenn der Handel
großenteils oder auch ganz in den Händen von deutschen Handelshäusern lag.
Herr Woermann und die nach ihm in Kamerun sich niederlassen, werden ihre
Waaren aus Hamburg und nach Hamburg bringen, ihre Wechsel, ihre
Beamten und Arbeiter aus Deutschland senden, während der Hamburger Kauf¬
mann in Kapland über England und durch England seine Geschäfte betreibt,
während er seine Beamten erst die englische Sprache, englisches Recht, Handels¬
gewohnheiten, Handelswege lernen lassen muß. Dieser Hamburger Kaufmann
mag aus dem Handel in Kapstadt viel Geld verdienen, aber mit erheblichen
Kosten, die ihm erspart blieben, wenn Kapland deutsch wäre. Und wieviel er
auch verdient, Kapland hat für uns national heute vielleicht geringere Bedeutung
als Kamerun. Denn sein Verdienst, das Geld, ist international oder unuational;
Menschen, Boden, Sitten, Sprache aber sind die Besitztümer des Volkes, die
Grundsteine seiner Kultur. Und die werden nicht durch Geld aufgewogen.

Wenn der Reichskanzler nicht die deutsche Flagge in Afrika vor etlichen
Monaten aufgepflanzt hätte, so wären Kamerun und Lüderitzland gar bald
englisch geworden, wie soviele deutsche Niederlassungen vor ihnen. Wenn die
Dampferlinicn nicht zustande kommen, so wird der deutsche Handel an den
Punkten, welche berührt werden sollen, sich dem fremden Übergewicht wie
bisher unterwerfen müssen. Wir werden im Reichsschatz einige Millionen


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[0570] Unsre überseeische Politik und ihre Gegner. deren Ziele in ihrer Unberechenbarkeit unsern Freihändlern vielleicht sehr be¬ denklich vorkommen und die in ihrer halb instinktiven Begründung doch das Richtige treffen. Unsre Freihändler werden wahrscheinlich gegen jede Ausgabe sich sträuben, welche das Reich zum Schutze, zur Organisation solcher Kolonien auf sich nehmen soll. Sie werden abermals sagen: „Blühe die Kolonie, so bedarf sie der Ausgaben nicht; welkt sie, so verdient sie dieselben nicht." Und manche übersichtige Leute werden sich von diesem Satze blenden lassen. Aber sogut Angra Pequena (welches nun wohl einen bequemeren Namen verdiente) bereits die von Herrn Lüderitz darauf gewandten Kosten im nationalen Sinne bezahlt hat, sogut werden die Anstrengungen sich national verzinsen, die das Reich etwa sür die neuen Erwerbungen machen wird. Und nicht nur in moralischer Art, sondern voraussichtlich auch in materieller. Wahrscheinlich hat Herr Woermann auch vor 1384 in Kamerun gute Geschäfte gemacht. Ich meine jedoch, daß er nach 1884 bessere machen wird. Wenn dort die deutsche Kriegsflagge sich bekannt gemacht hat, ein Postschiff regelmäßig anlegt, deutsche Verwaltung und Recht sich festsetzen, die Bedingungen des Handels, der in¬ dustriellen Ausbeutung, der Ansiedlung, des Plantagenbaucs in Kamerun durch den regelmäßigen Verkehr hin und her bei uns bekannt werden: so wird die Kolonie geschützt sein gegen die Wahrscheinlichkeit, englisch zu werden. Menschen, Waaren, Geld, Briefe, Nachrichten, Sitten und Gewohnheiten werden aus Deutschland hinüberkommen, nicht aus England. Das alles aber kam bisher aus England überall dorthin, wo englische Kolonie war, auch wenn der Handel großenteils oder auch ganz in den Händen von deutschen Handelshäusern lag. Herr Woermann und die nach ihm in Kamerun sich niederlassen, werden ihre Waaren aus Hamburg und nach Hamburg bringen, ihre Wechsel, ihre Beamten und Arbeiter aus Deutschland senden, während der Hamburger Kauf¬ mann in Kapland über England und durch England seine Geschäfte betreibt, während er seine Beamten erst die englische Sprache, englisches Recht, Handels¬ gewohnheiten, Handelswege lernen lassen muß. Dieser Hamburger Kaufmann mag aus dem Handel in Kapstadt viel Geld verdienen, aber mit erheblichen Kosten, die ihm erspart blieben, wenn Kapland deutsch wäre. Und wieviel er auch verdient, Kapland hat für uns national heute vielleicht geringere Bedeutung als Kamerun. Denn sein Verdienst, das Geld, ist international oder unuational; Menschen, Boden, Sitten, Sprache aber sind die Besitztümer des Volkes, die Grundsteine seiner Kultur. Und die werden nicht durch Geld aufgewogen. Wenn der Reichskanzler nicht die deutsche Flagge in Afrika vor etlichen Monaten aufgepflanzt hätte, so wären Kamerun und Lüderitzland gar bald englisch geworden, wie soviele deutsche Niederlassungen vor ihnen. Wenn die Dampferlinicn nicht zustande kommen, so wird der deutsche Handel an den Punkten, welche berührt werden sollen, sich dem fremden Übergewicht wie bisher unterwerfen müssen. Wir werden im Reichsschatz einige Millionen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/570>, abgerufen am 28.12.2024.