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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

dummen Jungen zu bestellen? Menschenkind, bei den unzählbaren Wohlthaten,
die ich dir vordem erwiesen habe --

Sie läßt dir sagen, Adam -- o, ich wollte, ich könnte dir malen, wie
sie dabei aussah --

Garnicht nötig; aber ich tauche dich sofort dort in die schleichende Brühe,
wenn du mir das geringste von dem deinigen zu ihrer Meinung thust!

Nun, sie läßt dir, zitternd, ich weiß nicht, ob vor Verdruß oder Unglück,
aber jedenfalls mit verschluckten Thränen bestellen, daß sie dir von Herzen
dankbar sei, daß du aber doch lieber unterlassen mögest, sie ferner so sehr zu
kränken. Sie wisse noch das Mitleid von der Anerkennung zu unterscheiden,
aber ihr Papa nicht mehr. Und sie sagt, daß es sie recht elend mache, dir auch
noch und nicht bloß meinem Vater und andern verpflichtet zu werden. Wir
standen an der Hecke, gerade an der Stelle, wo du die erste Flasche aus Samses
Flaschenkorb mit dem Wasser aus Krickerode fülltest, und sie, wie gesagt, mit
Frösteln, und ich weiß nicht, ob sehr zornig auf dich oder sehr dankbar. Denn
es fing wieder an zu regnen, und sie ging auf unsichern Füßen nach Hause,
gerade wie an dem Morgen, wo du mit uus ihr so zweifelhaft nachsahst,
nachdem ihr Vater uns zum Frühstück eingeladen hatte. Und den Papa Lip-
poldes habe ich kurz vor meiner Abreise auch noch gesprochen, und zwar im
blauen Bock. Du seist sein letzter und einziger Trost, läßt er dir bestellen,
und er halte dich auch für den einzigen, der ihn je begriffen, verstanden und
vor allem seinen "Eulogius Schneider" gewürdigt habe, und die Nachwelt werde
das dir anerkennen, und er werde in seinem litterarischen Nachlasse auch auf
dich hinweisen und dich in das Gedächtnis des kommenden Menschengeschlechts
mit hinübernehmen.

Den lauten, schreiigen Hals hätte man dem Narren bei seiner Geburt um¬
drehen sollen. Das wäre eine Wohlthat für mich, für ihn und für die Welt
und Nachwelt gewesen! Zum Henker mit seinem Bombast, Quark und quäkigen
Egoismus. Na, die Seife, die ich mir daraus koche! Ebert Pfister, mein
lieber Sohn, du wirst heute und noch manch ein andermal mein Gast sein,
aber den Appetit hast du mir für diesmal gründlich verdorben. Komm mit
und laß sehen, wo du in dem rändigen Nest dort unter der Rauchwolke unter¬
gekrochen bist. Es ist mir ein Trost, daß ich wenigstens dich aus den alten,
bessern Tagen wieder in der Nähe habe. Daß ich mein Mentoramt unter
veränderten Umständen hie und da von neuem aufnehme, wird dich nicht hin¬
dern, deine eignen Wege zu gehen. Hin, diese albernen, braven Frauenzimmer
-- diese Weiber -- diese dummen, guten Mädchen mit ihren verschluckten
Thränen und -- sonstigem Unsinn. O Krickerode, Felix Lippoldes und
Pfisters Mühle -- o Schmurky und Kompagnie!

Das letztere murrte er kaum verständlich in sich hinein. Wir fuhren so¬
dann in die Stadt, und der Freund machte sein Wort gleich wahr und nahm
seine Mentorschaft mit der alten, närrisch versteckten Hingebung auf. Er führte
mich auch in seine dermalige Privatwohnung, die sich um ein Beträchtliches
in Ansehung menschlichen Behagens von der in der Schlehenstraße unterschied.
Ich ließ einige Bemerkungen darüber fallen, in wie verhältnismäßig kurzer Zeit
jeglicher Duft und Schein von Vagabundentum um ihn her verschwunden sei,
und er meinte ruhig:

Es ist besser, nie und nirgend zu laut von dem zu reden, was man auf
der Spindel hat. Merke dir das für kommende verständigere Jahre, Kind.


pfisters Mühle.

dummen Jungen zu bestellen? Menschenkind, bei den unzählbaren Wohlthaten,
die ich dir vordem erwiesen habe —

Sie läßt dir sagen, Adam — o, ich wollte, ich könnte dir malen, wie
sie dabei aussah —

Garnicht nötig; aber ich tauche dich sofort dort in die schleichende Brühe,
wenn du mir das geringste von dem deinigen zu ihrer Meinung thust!

Nun, sie läßt dir, zitternd, ich weiß nicht, ob vor Verdruß oder Unglück,
aber jedenfalls mit verschluckten Thränen bestellen, daß sie dir von Herzen
dankbar sei, daß du aber doch lieber unterlassen mögest, sie ferner so sehr zu
kränken. Sie wisse noch das Mitleid von der Anerkennung zu unterscheiden,
aber ihr Papa nicht mehr. Und sie sagt, daß es sie recht elend mache, dir auch
noch und nicht bloß meinem Vater und andern verpflichtet zu werden. Wir
standen an der Hecke, gerade an der Stelle, wo du die erste Flasche aus Samses
Flaschenkorb mit dem Wasser aus Krickerode fülltest, und sie, wie gesagt, mit
Frösteln, und ich weiß nicht, ob sehr zornig auf dich oder sehr dankbar. Denn
es fing wieder an zu regnen, und sie ging auf unsichern Füßen nach Hause,
gerade wie an dem Morgen, wo du mit uus ihr so zweifelhaft nachsahst,
nachdem ihr Vater uns zum Frühstück eingeladen hatte. Und den Papa Lip-
poldes habe ich kurz vor meiner Abreise auch noch gesprochen, und zwar im
blauen Bock. Du seist sein letzter und einziger Trost, läßt er dir bestellen,
und er halte dich auch für den einzigen, der ihn je begriffen, verstanden und
vor allem seinen „Eulogius Schneider" gewürdigt habe, und die Nachwelt werde
das dir anerkennen, und er werde in seinem litterarischen Nachlasse auch auf
dich hinweisen und dich in das Gedächtnis des kommenden Menschengeschlechts
mit hinübernehmen.

Den lauten, schreiigen Hals hätte man dem Narren bei seiner Geburt um¬
drehen sollen. Das wäre eine Wohlthat für mich, für ihn und für die Welt
und Nachwelt gewesen! Zum Henker mit seinem Bombast, Quark und quäkigen
Egoismus. Na, die Seife, die ich mir daraus koche! Ebert Pfister, mein
lieber Sohn, du wirst heute und noch manch ein andermal mein Gast sein,
aber den Appetit hast du mir für diesmal gründlich verdorben. Komm mit
und laß sehen, wo du in dem rändigen Nest dort unter der Rauchwolke unter¬
gekrochen bist. Es ist mir ein Trost, daß ich wenigstens dich aus den alten,
bessern Tagen wieder in der Nähe habe. Daß ich mein Mentoramt unter
veränderten Umständen hie und da von neuem aufnehme, wird dich nicht hin¬
dern, deine eignen Wege zu gehen. Hin, diese albernen, braven Frauenzimmer
— diese Weiber — diese dummen, guten Mädchen mit ihren verschluckten
Thränen und — sonstigem Unsinn. O Krickerode, Felix Lippoldes und
Pfisters Mühle — o Schmurky und Kompagnie!

Das letztere murrte er kaum verständlich in sich hinein. Wir fuhren so¬
dann in die Stadt, und der Freund machte sein Wort gleich wahr und nahm
seine Mentorschaft mit der alten, närrisch versteckten Hingebung auf. Er führte
mich auch in seine dermalige Privatwohnung, die sich um ein Beträchtliches
in Ansehung menschlichen Behagens von der in der Schlehenstraße unterschied.
Ich ließ einige Bemerkungen darüber fallen, in wie verhältnismäßig kurzer Zeit
jeglicher Duft und Schein von Vagabundentum um ihn her verschwunden sei,
und er meinte ruhig:

Es ist besser, nie und nirgend zu laut von dem zu reden, was man auf
der Spindel hat. Merke dir das für kommende verständigere Jahre, Kind.


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[0487] pfisters Mühle. dummen Jungen zu bestellen? Menschenkind, bei den unzählbaren Wohlthaten, die ich dir vordem erwiesen habe — Sie läßt dir sagen, Adam — o, ich wollte, ich könnte dir malen, wie sie dabei aussah — Garnicht nötig; aber ich tauche dich sofort dort in die schleichende Brühe, wenn du mir das geringste von dem deinigen zu ihrer Meinung thust! Nun, sie läßt dir, zitternd, ich weiß nicht, ob vor Verdruß oder Unglück, aber jedenfalls mit verschluckten Thränen bestellen, daß sie dir von Herzen dankbar sei, daß du aber doch lieber unterlassen mögest, sie ferner so sehr zu kränken. Sie wisse noch das Mitleid von der Anerkennung zu unterscheiden, aber ihr Papa nicht mehr. Und sie sagt, daß es sie recht elend mache, dir auch noch und nicht bloß meinem Vater und andern verpflichtet zu werden. Wir standen an der Hecke, gerade an der Stelle, wo du die erste Flasche aus Samses Flaschenkorb mit dem Wasser aus Krickerode fülltest, und sie, wie gesagt, mit Frösteln, und ich weiß nicht, ob sehr zornig auf dich oder sehr dankbar. Denn es fing wieder an zu regnen, und sie ging auf unsichern Füßen nach Hause, gerade wie an dem Morgen, wo du mit uus ihr so zweifelhaft nachsahst, nachdem ihr Vater uns zum Frühstück eingeladen hatte. Und den Papa Lip- poldes habe ich kurz vor meiner Abreise auch noch gesprochen, und zwar im blauen Bock. Du seist sein letzter und einziger Trost, läßt er dir bestellen, und er halte dich auch für den einzigen, der ihn je begriffen, verstanden und vor allem seinen „Eulogius Schneider" gewürdigt habe, und die Nachwelt werde das dir anerkennen, und er werde in seinem litterarischen Nachlasse auch auf dich hinweisen und dich in das Gedächtnis des kommenden Menschengeschlechts mit hinübernehmen. Den lauten, schreiigen Hals hätte man dem Narren bei seiner Geburt um¬ drehen sollen. Das wäre eine Wohlthat für mich, für ihn und für die Welt und Nachwelt gewesen! Zum Henker mit seinem Bombast, Quark und quäkigen Egoismus. Na, die Seife, die ich mir daraus koche! Ebert Pfister, mein lieber Sohn, du wirst heute und noch manch ein andermal mein Gast sein, aber den Appetit hast du mir für diesmal gründlich verdorben. Komm mit und laß sehen, wo du in dem rändigen Nest dort unter der Rauchwolke unter¬ gekrochen bist. Es ist mir ein Trost, daß ich wenigstens dich aus den alten, bessern Tagen wieder in der Nähe habe. Daß ich mein Mentoramt unter veränderten Umständen hie und da von neuem aufnehme, wird dich nicht hin¬ dern, deine eignen Wege zu gehen. Hin, diese albernen, braven Frauenzimmer — diese Weiber — diese dummen, guten Mädchen mit ihren verschluckten Thränen und — sonstigem Unsinn. O Krickerode, Felix Lippoldes und Pfisters Mühle — o Schmurky und Kompagnie! Das letztere murrte er kaum verständlich in sich hinein. Wir fuhren so¬ dann in die Stadt, und der Freund machte sein Wort gleich wahr und nahm seine Mentorschaft mit der alten, närrisch versteckten Hingebung auf. Er führte mich auch in seine dermalige Privatwohnung, die sich um ein Beträchtliches in Ansehung menschlichen Behagens von der in der Schlehenstraße unterschied. Ich ließ einige Bemerkungen darüber fallen, in wie verhältnismäßig kurzer Zeit jeglicher Duft und Schein von Vagabundentum um ihn her verschwunden sei, und er meinte ruhig: Es ist besser, nie und nirgend zu laut von dem zu reden, was man auf der Spindel hat. Merke dir das für kommende verständigere Jahre, Kind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/487>, abgerufen am 28.12.2024.