Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Pfisters Mühle. Jenseits dieser Verständigen sind dann einige, von denen wir, da wir höchst Wer? -- Was? ist vielleicht die richtigere Frage. Ein leichter Hauch aus Zehn Schritte weit von unsrer Thür liegen sie -- zehn, zwanzig, dreißig Nun, von diesem letztem demnächst recht vieles mehr! er fließt zu bcdcutungs- Was schreibst du denn da eigentlich so eifrig, Mäuschen? fragte die Eigentlich nichts, Mieze. Bei genauester Betrachtung aber leider nichts Dann klappe das dumme Zeug zu und komm herunter und erzähle mir das Pfisters Mühle. Jenseits dieser Verständigen sind dann einige, von denen wir, da wir höchst Wer? — Was? ist vielleicht die richtigere Frage. Ein leichter Hauch aus Zehn Schritte weit von unsrer Thür liegen sie — zehn, zwanzig, dreißig Nun, von diesem letztem demnächst recht vieles mehr! er fließt zu bcdcutungs- Was schreibst du denn da eigentlich so eifrig, Mäuschen? fragte die Eigentlich nichts, Mieze. Bei genauester Betrachtung aber leider nichts Dann klappe das dumme Zeug zu und komm herunter und erzähle mir das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156973"/> <fw type="header" place="top"> Pfisters Mühle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_120"> Jenseits dieser Verständigen sind dann einige, von denen wir, da wir höchst<lb/> persönlich unter ihnen beteiligt sind, nicht wissen oder nicht sagen können, ob<lb/> sie zu den ganz Unverständigen gehören. Diese stehen und halten ihr Vogel-<lb/> Pferd am Zügel und wissen nicht damit wohin, denken Kinder und Enkel und<lb/> schütteln das Haupt. Durch die Wüste, über welcher der Vogel Noch schwebte,<lb/> über welche Oberon im Schwanenwagcn den tapfern Huon und die schöne<lb/> Rezia, den treuen Knappen Scherasmin und die wackere Amme führte, sind<lb/> Eisenschienen gelegt und Telegraphenstangen aufgepflanzt; der Bach Kidron<lb/> treibt Papiermühlen, und an den vier Hauptwassern, in die sich der Strom<lb/> teilte, der von Eden ausging, sind noch nützlichere „Etablissements" hingebaut:<lb/> wer hebt heute von unsern Augen den Nebel, der auf der Vorwelt<lb/> Wundern liegt?</p><lb/> <p xml:id="ID_121"> Wer? — Was? ist vielleicht die richtigere Frage. Ein leichter Hauch aus<lb/> der Tiefe der Seele in diesen Nebel, und er zerteilt sich auch heute noch ge¬<lb/> rade so wie im Jahre siebzehnhundertundachtzig. Das „alte romantische Land"<lb/> liegt von neuem im hellsten Sonnenschein vor uns; wir aber erfahren mit nicht<lb/> unberechtigten Erstaunen, wie uns jetzt der „Vorwelt Wunder," die wir in weiter<lb/> Ferne vergeblich suchten, so nahe — dicht unter die Nase gelegt worden sind<lb/> im Laufe der Zeiten und unter veränderten Umstünden.</p><lb/> <p xml:id="ID_122"> Zehn Schritte weit von unsrer Thür liegen sie — zehn, zwanzig, dreißig<lb/> Jahre ab —, als die Eisenbahn noch keine Haltestelle am nächsten Dorfe hatte —<lb/> als der Eichenkamp auf dem Grafenbleele noch nicht der Separation wegen<lb/> niedergelegt war — als man die Günseweide derselben Separation halber noch<lb/> nicht nnter die Bauerschaft verteilt und zu schlechtem Noggenacker gemacht hatte —<lb/> als die Weiden den Bach entlang noch standen, als dieser Bach selber —</p><lb/> <p xml:id="ID_123"> Nun, von diesem letztem demnächst recht vieles mehr! er fließt zu bcdcutungs-<lb/> und inhaltsvoll durch die Wunder der mir persönlich so nahe liegenden Vor-<lb/> welt, von welcher hier erzählt werden soll, als daß über seine Existenz mit einem<lb/> Sprunge oder in drei Worten weitergeschritten werden könnte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_124"> Was schreibst du denn da eigentlich so eifrig, Mäuschen? fragte die<lb/> junge Frau; und der junge Mann, das eben vom Leser Gelesene, niedergedrückt<lb/> durch die süße Last auf seiner Schulter, noch einmal seitwärts bcäugelnd, meinte:</p><lb/> <p xml:id="ID_125"> Eigentlich nichts, Mieze. Bei genauester Betrachtung aber leider nichts<lb/> weiter als das, was du selber bereits längst durch gottlob ziemlich eingehendes<lb/> und eifriges Studium herausgefunden hast. Nämlich daß ein gewisser Jemand<lb/> auch an einem so schönen Morgen wie der heutige der graueste aller Esel, der<lb/> „erschröcklichste aller Pedanten" und — kurz und gut eigentlich „ein gräßlicher<lb/> Mensch" ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_126" next="#ID_127"> Dann klappe das dumme Zeug zu und komm herunter und erzähle mir das<lb/> übrige draußen. Ein schrecklicher Mensch bist du, und ein himmlischer Morgen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Pfisters Mühle.
Jenseits dieser Verständigen sind dann einige, von denen wir, da wir höchst
persönlich unter ihnen beteiligt sind, nicht wissen oder nicht sagen können, ob
sie zu den ganz Unverständigen gehören. Diese stehen und halten ihr Vogel-
Pferd am Zügel und wissen nicht damit wohin, denken Kinder und Enkel und
schütteln das Haupt. Durch die Wüste, über welcher der Vogel Noch schwebte,
über welche Oberon im Schwanenwagcn den tapfern Huon und die schöne
Rezia, den treuen Knappen Scherasmin und die wackere Amme führte, sind
Eisenschienen gelegt und Telegraphenstangen aufgepflanzt; der Bach Kidron
treibt Papiermühlen, und an den vier Hauptwassern, in die sich der Strom
teilte, der von Eden ausging, sind noch nützlichere „Etablissements" hingebaut:
wer hebt heute von unsern Augen den Nebel, der auf der Vorwelt
Wundern liegt?
Wer? — Was? ist vielleicht die richtigere Frage. Ein leichter Hauch aus
der Tiefe der Seele in diesen Nebel, und er zerteilt sich auch heute noch ge¬
rade so wie im Jahre siebzehnhundertundachtzig. Das „alte romantische Land"
liegt von neuem im hellsten Sonnenschein vor uns; wir aber erfahren mit nicht
unberechtigten Erstaunen, wie uns jetzt der „Vorwelt Wunder," die wir in weiter
Ferne vergeblich suchten, so nahe — dicht unter die Nase gelegt worden sind
im Laufe der Zeiten und unter veränderten Umstünden.
Zehn Schritte weit von unsrer Thür liegen sie — zehn, zwanzig, dreißig
Jahre ab —, als die Eisenbahn noch keine Haltestelle am nächsten Dorfe hatte —
als der Eichenkamp auf dem Grafenbleele noch nicht der Separation wegen
niedergelegt war — als man die Günseweide derselben Separation halber noch
nicht nnter die Bauerschaft verteilt und zu schlechtem Noggenacker gemacht hatte —
als die Weiden den Bach entlang noch standen, als dieser Bach selber —
Nun, von diesem letztem demnächst recht vieles mehr! er fließt zu bcdcutungs-
und inhaltsvoll durch die Wunder der mir persönlich so nahe liegenden Vor-
welt, von welcher hier erzählt werden soll, als daß über seine Existenz mit einem
Sprunge oder in drei Worten weitergeschritten werden könnte.
Was schreibst du denn da eigentlich so eifrig, Mäuschen? fragte die
junge Frau; und der junge Mann, das eben vom Leser Gelesene, niedergedrückt
durch die süße Last auf seiner Schulter, noch einmal seitwärts bcäugelnd, meinte:
Eigentlich nichts, Mieze. Bei genauester Betrachtung aber leider nichts
weiter als das, was du selber bereits längst durch gottlob ziemlich eingehendes
und eifriges Studium herausgefunden hast. Nämlich daß ein gewisser Jemand
auch an einem so schönen Morgen wie der heutige der graueste aller Esel, der
„erschröcklichste aller Pedanten" und — kurz und gut eigentlich „ein gräßlicher
Mensch" ist.
Dann klappe das dumme Zeug zu und komm herunter und erzähle mir das
übrige draußen. Ein schrecklicher Mensch bist du, und ein himmlischer Morgen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |