Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Das Unwesen der Lotterien, die nicht abgesetzten Loose auch der Unternehmer mit, und dann kann es kommen, Aber vielleicht ist es den Looskäufern garnicht um Gewinne zu thun, son¬ Grenzboten IV. 1834. S8
Das Unwesen der Lotterien, die nicht abgesetzten Loose auch der Unternehmer mit, und dann kann es kommen, Aber vielleicht ist es den Looskäufern garnicht um Gewinne zu thun, son¬ Grenzboten IV. 1834. S8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157390"/> <fw type="header" place="top"> Das Unwesen der Lotterien,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1607" prev="#ID_1606"> die nicht abgesetzten Loose auch der Unternehmer mit, und dann kann es kommen,<lb/> daß er den Hauptgewinn selbst zieht und sämtliche Looskäufer so gut wie leer<lb/> ausgehen. (So geschehen vor kurzem bei einer für das Dorf Horas bei Fulda<lb/> veranstalteten Kirchenbciulotterie.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1608" next="#ID_1609"> Aber vielleicht ist es den Looskäufern garnicht um Gewinne zu thun, son¬<lb/> dern sie wollen nur das „gemeinnützige Unternehmen" unterstützen, für welches<lb/> die Lotterie veranstaltet wird? — Wie wenig daran die Unternehmer selbst<lb/> glauben, dafür liegt der beste Beweis in der Thatsache, daß bei Ankündigung<lb/> der Lotterie der Zweck des Unternehmens oft garnicht genannt wird. So in<lb/> den obigen Reklamen unter 1, 2, 3. Wir erfahren nur, daß die Städte Bres-<lb/> lau, Baden-Baden, Weimar „große Lotterien" veranstalten. Sind nun diese<lb/> Städte wirklich so unterstützungsbedürftig, daß sie mit ihren Lotterieloosen ganz<lb/> Deutschland in Anspruch nehmen müssen? Aber auch wo man die Zwecke<lb/> kennen lernt: sind denn diese immer von der Art, daß es sich rechtfertigt,<lb/> die allgemeine Unterstützung sür sie sich zu erbitten? Wir wiesen bereits vor<lb/> Jahresfrist darauf hin, daß die von der Stadt Rüdesheim damals zur Deckung<lb/> der Kosten ihres Niederwaldfestes veranstaltete Lotterie keine Berechtigung habe,<lb/> da voraussichtlich das Niederwalddenkmal gerade dieser Stadt zu gute kommen<lb/> werde. Wie sehr hat sich diese Voraussicht schon jetzt bewährt! Viele Tausende<lb/> strömen zum Besuch des Denkmals nach Rüdesheim, welches dadurch ohne Zweifel<lb/> einer der wohlhabendsten Orte Deutschlands werden wird. War es da nötig,<lb/> daß diese Stadt zur Beisteuer für ihr Fest mittels ihrer Lotterieloose weite Kreise<lb/> in Anspruch nahm? Wir vermuten, daß die „große Breslauer Lotterie" für einen<lb/> zoologischen Garten in Breslau bestimmt sei. Aber hat denn ganz Deutschland<lb/> ein Interesse daran, daß die Stadt Breslau (welche überdies in ihrem fernen<lb/> Ostwinkel von dem übrigen Deutschland aus nur selten besucht wird) sich einen<lb/> zoologischen Garten halte? Mögen doch die Breslauer, wenn sie einen solchen<lb/> haben wollen, ihn selbst bezahlen. Es folgen dann in unsrer obigen Zu¬<lb/> sammenstellung die „Pferde- und Equipagenlotterien" für Frankfurt und Berlin.<lb/> Gewiß ist man davon ausgegangen, daß diese ganz armen Städte einer Unter¬<lb/> stützung des übrigen Deutschlands für ihre Pferdemärkte nicht entbehren können.<lb/> Dann finden wir Lotterien, veranstaltet für Kirchenbauten. Über die Ulmer<lb/> Dombaulotterie wollen wir kein hartes Wort reden. Der Ulmer Dom ist nicht<lb/> minder ein ruhmreiches Denkmal deutscher Baukunst wie der Kölner Dom.<lb/> Und ist es für den katholischen Dom im Norden Deutschlands recht gewesen,<lb/> daß zum Zweck seiner Vollendung Jahrzehnte hindurch eine Steuer in Form<lb/> einer Lotterie aus ganz Deutschland erhoben wurde, so ist es gewiß für den<lb/> protestantischen Dom Süddeutschlands nicht mehr als billig, daß er jetzt gleiche<lb/> Gunst erfahre. Was für ein rechtfertigender Grund lag aber vor, auch der<lb/> Stadt Mainz, dem goldenen Mainz, für den Bau einer neuen katholischen Kirche<lb/> eine Lotterie zu bewilligen? eine Lotterie, welche mittels einer Ankündigung, die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1834. S8</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
Das Unwesen der Lotterien,
die nicht abgesetzten Loose auch der Unternehmer mit, und dann kann es kommen,
daß er den Hauptgewinn selbst zieht und sämtliche Looskäufer so gut wie leer
ausgehen. (So geschehen vor kurzem bei einer für das Dorf Horas bei Fulda
veranstalteten Kirchenbciulotterie.)
Aber vielleicht ist es den Looskäufern garnicht um Gewinne zu thun, son¬
dern sie wollen nur das „gemeinnützige Unternehmen" unterstützen, für welches
die Lotterie veranstaltet wird? — Wie wenig daran die Unternehmer selbst
glauben, dafür liegt der beste Beweis in der Thatsache, daß bei Ankündigung
der Lotterie der Zweck des Unternehmens oft garnicht genannt wird. So in
den obigen Reklamen unter 1, 2, 3. Wir erfahren nur, daß die Städte Bres-
lau, Baden-Baden, Weimar „große Lotterien" veranstalten. Sind nun diese
Städte wirklich so unterstützungsbedürftig, daß sie mit ihren Lotterieloosen ganz
Deutschland in Anspruch nehmen müssen? Aber auch wo man die Zwecke
kennen lernt: sind denn diese immer von der Art, daß es sich rechtfertigt,
die allgemeine Unterstützung sür sie sich zu erbitten? Wir wiesen bereits vor
Jahresfrist darauf hin, daß die von der Stadt Rüdesheim damals zur Deckung
der Kosten ihres Niederwaldfestes veranstaltete Lotterie keine Berechtigung habe,
da voraussichtlich das Niederwalddenkmal gerade dieser Stadt zu gute kommen
werde. Wie sehr hat sich diese Voraussicht schon jetzt bewährt! Viele Tausende
strömen zum Besuch des Denkmals nach Rüdesheim, welches dadurch ohne Zweifel
einer der wohlhabendsten Orte Deutschlands werden wird. War es da nötig,
daß diese Stadt zur Beisteuer für ihr Fest mittels ihrer Lotterieloose weite Kreise
in Anspruch nahm? Wir vermuten, daß die „große Breslauer Lotterie" für einen
zoologischen Garten in Breslau bestimmt sei. Aber hat denn ganz Deutschland
ein Interesse daran, daß die Stadt Breslau (welche überdies in ihrem fernen
Ostwinkel von dem übrigen Deutschland aus nur selten besucht wird) sich einen
zoologischen Garten halte? Mögen doch die Breslauer, wenn sie einen solchen
haben wollen, ihn selbst bezahlen. Es folgen dann in unsrer obigen Zu¬
sammenstellung die „Pferde- und Equipagenlotterien" für Frankfurt und Berlin.
Gewiß ist man davon ausgegangen, daß diese ganz armen Städte einer Unter¬
stützung des übrigen Deutschlands für ihre Pferdemärkte nicht entbehren können.
Dann finden wir Lotterien, veranstaltet für Kirchenbauten. Über die Ulmer
Dombaulotterie wollen wir kein hartes Wort reden. Der Ulmer Dom ist nicht
minder ein ruhmreiches Denkmal deutscher Baukunst wie der Kölner Dom.
Und ist es für den katholischen Dom im Norden Deutschlands recht gewesen,
daß zum Zweck seiner Vollendung Jahrzehnte hindurch eine Steuer in Form
einer Lotterie aus ganz Deutschland erhoben wurde, so ist es gewiß für den
protestantischen Dom Süddeutschlands nicht mehr als billig, daß er jetzt gleiche
Gunst erfahre. Was für ein rechtfertigender Grund lag aber vor, auch der
Stadt Mainz, dem goldenen Mainz, für den Bau einer neuen katholischen Kirche
eine Lotterie zu bewilligen? eine Lotterie, welche mittels einer Ankündigung, die
Grenzboten IV. 1834. S8
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |