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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Diplomatenschule.

als "einen von den hitzigen Hochblonden" bezeichnete, war kein Musterdiplomat,
und noch viel weniger läßt sich dies von seinem Nachfolger von Prokesch
behaupten, über den der damalige Vertreter Preußens in Frankfurt in seinen
von Poschinger mitgeteilten Berichten klagt: "Der unangenehme Eindruck dieser
Erscheinung ödes geflissentlicher Aufsuchens von Streitigkeiten und einer silben¬
stechenden Kritik Vonseiten des Präsidialgesandten^ wird neuerdings vermehrt
durch die über meine Erwartung maßlose persönliche Heftigkeit, zu welcher Herr
von Prokesch sich nicht selten hinreißen laßt, und bei der es schwer ist, den
Augenblick zu erkennen, wo eine für das diplomatische Bedürfnis fingirte Ent¬
rüstung in wirklichen, natürlichen Jähzorn übergeht, der schließlich alle Schranken
der Schicklichkeit durchbricht. Ich habe die ersten derartigen Ausbrüche schweigend
entgegengenommen, um unser im übrigen gutes Einvernehmen so wenig als
möglich zu kompromittiren, und versucht, ob in dergleichen Fällen nach einer
Frist von einem oder zwei Tagen die Sache bei Herrn von Prokesch eine
ruhigere Auffassung fände. Nachdem dies nicht der Fall war und es mir
sogar schien, als ob mein Kollege sich von dieser Form der Verhandlungen
Erfolge verspräche, auch die Ausdrücke, deren er sich in bezug auf königliche
Beamte und deren im Auftrage der königlichen Regierung erfolgte Handlungs¬
weise bediente, das Maß, welches mir meine Stellung gestattet, erheblich und
dauernd überschritten, so habe ich mich genötigt gesehen, Herrn von Prokesch in
ernsten Worten auf dieses Maß aufmerksam zu machen," d. h, nach einem
andern Berichte: Bismarck erklärte dem hochtrabenden Wiener Heißsporn rund
heraus, er "habe nicht das Recht, in dieser Art zu ihm zu sprechen, und er
werde auf keine Weise dulden, daß es ferner geschehe."

Ein gewisses Maß von Grobheit, das beiläufig nicht zu klein sein darf,
ist bei dem jetzigen englischen Ministerium angebracht, wenn man Beachtung
seines guten Rechtes -- sagen wir in Südwestafrcka -- erreichen will. Im
allgemeinen aber wird man mit einem gewinnenden Benehmen weiter kommen,
und jedenfalls muß der Gesandte sichs zur Regel machen, bei seinen Be¬
sprechungen mit den Ministern des Souveräns, bei denen er seine Regierung
vertritt, und namentlich bei seinen Audienzen bei dem Fürsten selbst ein un¬
gestümes und aumaßendes Auftretenden oder gar eine drohende Haltung zu
vermeiden und nicht eigensinnig und hartnäckig zu erscheinen. Er muß den
Vortrag andrer gelassen anhören und Einwürfe mit Mäßigung widerlegen.
Callieres giebt (c>. c>. O., I, S. 162) folgendes Rezept: "Er setze anfänglich den
Gegenstand seiner Unterhandlung nur bis zu dem Punkte auseinander, bis zu
welchem es zur Sondirung des Terrains notwendig ist. Er regle seine Rede
und seine Haltung nach dem, was er in den Antworten, die man ihm erteilt,
und in den Bewegungen des Gesichts, in dem Ton und der Miene, mit denen
man zu ihm spricht, und in allen den andern Umständen entdeckt, welche dazu
beitragen können, ihn in die Gedanken und Pläne derjenigen eindringen zu lassen,


Aus der Diplomatenschule.

als „einen von den hitzigen Hochblonden" bezeichnete, war kein Musterdiplomat,
und noch viel weniger läßt sich dies von seinem Nachfolger von Prokesch
behaupten, über den der damalige Vertreter Preußens in Frankfurt in seinen
von Poschinger mitgeteilten Berichten klagt: „Der unangenehme Eindruck dieser
Erscheinung ödes geflissentlicher Aufsuchens von Streitigkeiten und einer silben¬
stechenden Kritik Vonseiten des Präsidialgesandten^ wird neuerdings vermehrt
durch die über meine Erwartung maßlose persönliche Heftigkeit, zu welcher Herr
von Prokesch sich nicht selten hinreißen laßt, und bei der es schwer ist, den
Augenblick zu erkennen, wo eine für das diplomatische Bedürfnis fingirte Ent¬
rüstung in wirklichen, natürlichen Jähzorn übergeht, der schließlich alle Schranken
der Schicklichkeit durchbricht. Ich habe die ersten derartigen Ausbrüche schweigend
entgegengenommen, um unser im übrigen gutes Einvernehmen so wenig als
möglich zu kompromittiren, und versucht, ob in dergleichen Fällen nach einer
Frist von einem oder zwei Tagen die Sache bei Herrn von Prokesch eine
ruhigere Auffassung fände. Nachdem dies nicht der Fall war und es mir
sogar schien, als ob mein Kollege sich von dieser Form der Verhandlungen
Erfolge verspräche, auch die Ausdrücke, deren er sich in bezug auf königliche
Beamte und deren im Auftrage der königlichen Regierung erfolgte Handlungs¬
weise bediente, das Maß, welches mir meine Stellung gestattet, erheblich und
dauernd überschritten, so habe ich mich genötigt gesehen, Herrn von Prokesch in
ernsten Worten auf dieses Maß aufmerksam zu machen," d. h, nach einem
andern Berichte: Bismarck erklärte dem hochtrabenden Wiener Heißsporn rund
heraus, er „habe nicht das Recht, in dieser Art zu ihm zu sprechen, und er
werde auf keine Weise dulden, daß es ferner geschehe."

Ein gewisses Maß von Grobheit, das beiläufig nicht zu klein sein darf,
ist bei dem jetzigen englischen Ministerium angebracht, wenn man Beachtung
seines guten Rechtes — sagen wir in Südwestafrcka — erreichen will. Im
allgemeinen aber wird man mit einem gewinnenden Benehmen weiter kommen,
und jedenfalls muß der Gesandte sichs zur Regel machen, bei seinen Be¬
sprechungen mit den Ministern des Souveräns, bei denen er seine Regierung
vertritt, und namentlich bei seinen Audienzen bei dem Fürsten selbst ein un¬
gestümes und aumaßendes Auftretenden oder gar eine drohende Haltung zu
vermeiden und nicht eigensinnig und hartnäckig zu erscheinen. Er muß den
Vortrag andrer gelassen anhören und Einwürfe mit Mäßigung widerlegen.
Callieres giebt (c>. c>. O., I, S. 162) folgendes Rezept: „Er setze anfänglich den
Gegenstand seiner Unterhandlung nur bis zu dem Punkte auseinander, bis zu
welchem es zur Sondirung des Terrains notwendig ist. Er regle seine Rede
und seine Haltung nach dem, was er in den Antworten, die man ihm erteilt,
und in den Bewegungen des Gesichts, in dem Ton und der Miene, mit denen
man zu ihm spricht, und in allen den andern Umständen entdeckt, welche dazu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/461>, abgerufen am 29.12.2024.